Ein Bild aus besseren Tagen: Pater Pozzi vor seinem Unfall Ein Bild aus besseren Tagen: Pater Pozzi vor seinem Unfall 

Zentralafrika: Der Missionar und die Mine

Die Zentralafrikanische Republik ist für ihn ein Land, „in dem sich jeder, der eine Waffe hat, als Herr des Staates fühlt“. Vierzig Jahre lang hat Pater Norberto Pozzi in Zentralafrika gelebt und gearbeitet – dann zerfetzte ihm eine Mine den Fuß. In Bologna wird dem barfüßigen Karmeliten jetzt eine Prothese eingesetzt.

Antonella Palermo - Vatikanstadt

„Mir geht es gut, ich bin ruhig. Ich bin in den Händen des Herrn, also habe ich keine Probleme, ich habe Vertrauen. Natürlich wird es nicht mehr wie früher, auch nicht mit einer Prothese. Aber das Leben geht weiter. Ich habe gleich gedacht: Der Herr hat mich am Leben gelassen, damit ich ihm weiterhin diene.“

„Der Herr hat mich am Leben gelassen, damit ich ihm weiterhin diene.“

Das sagt Pater Pozzi von seinem Krankenbett aus. Seit einem Monat liegt er in Bologna, wurde zweimal am Fuß operiert. 71 Jahre ist er alt, und seit Jahrzehnten war er in seiner italienischen Heimat nur noch zu Besuch. In seiner Aufgabe als Seelsorger in einem der ärmsten Länder des Planeten ging er völlig auf – bis zu diesem verhängnisvollen Tag vor einem Monat, ungefähr.

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Nach der doppelten Brücke: ein völliges Loch

„Ich hatte eine Tour in die Steppe und über die Dörfer geplant; ich wollte einen Schreiner mitnehmen, um unterwegs Schulbänke zu reparieren, und es gab Türen instandzusetzen. Außerdem wollte ich die Wände, die es nötig hatten, weiß streichen. Es war auch eine Gelegenheit, ein wenig zu sehen, wie der Unterricht in den Klassenzimmern so ablief. Auf dem Weg dorthin mit dem Auto erzählt mir einer meiner Arbeiter, dass sie am Fuße des Berges Minen gelegt haben. Ich komme zu einer doppelten Brücke – bis dahin erinnere ich mich. Dann ein völliges Loch.“

In Bologna im Krankenhaus
In Bologna im Krankenhaus

Später, als er das Bewusstsein wiedererlangt, sagt ihm jemand, dass der Airbag ihn gerettet habe. Das Auto liegt umgekippt auf dem Randstreifen. Der Priester wird mit einem Motorrad nach Bozoum gefahren; dort fixiert man im Krankenhaus seinen linken Fuß, er hat viel Blut verloren.

„Die Krankenschwestern sagten mir, dass viele Menschen da waren, auch draußen, die beteten“

„Die Krankenschwestern sagten mir, dass viele Menschen da waren, auch draußen, die beteten. Ich erinnere mich, dass sie mich am Morgen auf eine Trage legten, um mich in einen Hubschrauber zu setzen, und auf diesem Weg nach draußen begrüßten mich viele Menschen. Dort waren einige meiner Mitbrüder, die dafür gesorgt hatten, dass ich ins UNO-Krankenhaus in der Hauptstadt Bangui verlegt wurde. Sie brachten mich dorthin und verpassten mir eine erste Behandlung. Und dann erinnere ich mich an nichts mehr.“

Eine weitere Station: Kampala in Uganda, wo man sich auf die Versorgung von Wunden dieser Art spezialisiert hat. Hier liest er die E-Mails, die von überall her gekommen sind, freundliche Worte auch von völlig Fremden.

Ein Zeichen dafür, wie viel Schönheit in der Kirche steckt

„Es hat mich gerührt, dass so viele Menschen Anteil nahmen an meinem Unfall. Ich habe dem Herrn gedankt dafür, dass so viele Menschen gebetet haben. Es ist ein Zeichen dafür, wie viel Schönheit in der Kirche steckt, die Schönheit der Aufmerksamkeit für andere, für Freunde, für Familien. Ich war berührt von dieser großen Fürsorge.“

Zuhause in Zentralafrika
Zuhause in Zentralafrika

War es das jetzt mit seiner Arbeit in Zentralafrika, mit seinem bisherigen Leben? Diese Frage beschäftigt den Missionar in seinem Krankenbett in Bologna. Zunächst hatte er eine gewisse Angst vor der Rückkehr: Was, wenn er dort noch einmal auf eine Mine treten würde?

Das Zimmer aufräumen - und dann mal weitersehen

„Aber dann habe ich einen kleinen Plan gefasst. Ich will voraussichtlich im Dezember zurückfliegen, um eine Kirche fertig zu stellen, die mir sehr am Herzen liegt, und um zu sehen, ob ich dem Pater, der mich in meinen bisherigen Aufgaben ersetzen wird, irgendetwas beibringen kann, ob ich ihm Rat geben kann… Ich will auch mein Zimmer in Ordnung bringen. Und dann werden wir sehen. Ich mache mir jetzt keine Sorgen; wenn ich kann, bleibe ich dort, ansonsten ziehe ich in eine Mission, wo es keine Minen gibt.“

1980 kam Padre Norberto als Laienmissionar nach Zentralafrika und blieb dort in einer ersten Phase bis '88, wobei er alle drei Jahre zur Erholung nach Italien zurückkehrte. Im Jahr 87 entschied er sich, Ordensbruder zu werden; 95 wurde er geweiht und sofort wieder nach Zentralafrika geschickt, zunächst nach Bozoum, dann nach Baoro, Bouar. Das ist sein Leben, jahrzehntelang: Als Seelsorger arbeiten an Orten, wo niemand freiwillig hinziehen würde.

Der Unfallwagen
Der Unfallwagen

Wenn der ‚Father‘ ins Dorf kommt...

„Ich gehe sonntags in die Dörfer. Wenn man ankommt, muss man zuerst Beichte hören, und das dauert lange: zwei bis drei Stunden. Die Messe beginnt um ein Uhr, und am Abend geht man wieder nach Hause. Es gibt im Dorf einen Katechisten, der die Stütze der Gemeinschaft ist, aber wenn der ‚Father‘ kommt, dann können die Leute die Sakramente empfangen, sie können ihn um Rat fragen - es gibt immer große Erwartungen an den ‚Father‘… Im Winter kann man nicht in die Dörfer gehen, weil man in zwei Flüssen steckenbleiben würde.“

Wie sieht Pater Pozzi auf seine zweite Heimat Zentralafrika? Wir sprechen ihn auf die Worte von Papst Franziskus ‚Hände weg von Afrika‘ an. „Alles, was hier passiert, kommt von außen“, sagt Pozzi. „Die Botschaft des Papstes ist richtig. Hier reicht es, eine Waffe in der Hand zu haben, um sich mächtig, groß und stark zu fühlen. Und in der Tat können Bewaffnete tun, was sie wollen. Ich erinnere mich, dass 2003 etwa vierzig Rebellen Bozoum eingenommen haben.“

Wenn Elefanten kämpfen

Offiziell ist der Bürgerkrieg im Land vorbei – und trotz der Unsicherheit hat es dort sogar einen Papstbesuch gegeben. Aber der Missionar traut dem Frieden nicht. „Diejenigen, die für die Institutionen in der Hauptstadt verantwortlich sind, können gerne sagen, dass das Land ruhig ist, aber hier ist gar nichts ruhig. Seit einem Jahr legen die Rebellen überall Minen. Und dann kommt einer vorbei und wird in die Luft gesprengt...“

Seit einigen Jahren tobe auf zentralafrikanischem Boden und darüber hinaus ein Krieg um die geopolitische Vorherrschaft. Französisches Militär hat die Hauptstadt verlassen, russische Wagner-Söldner sind eingezogen. „Wenn Elefanten kämpfen“, so sagt ein afrikanisches Sprichwort, „dann verliert das Gras.“ Auch Padre Norberto hat verloren, sozusagen. Und viele, viele Menschen in der Zentralafrikanischen Republik verlieren, Tag für Tag. Bei ihnen, bei den Verlierern, will er sein, hierhin will er zurück.

Stolz auf die Landwirtschaftsmesse

Worauf Pozzi und seine Karmeliter-Mitbrüder im Land stolz sind? Die Landwirtschaftsmesse von Bozoum. Sie wurde 2004 dank der Caritas der Diözese und im Rahmen eines Post-Konflikt-Projekts ins Leben gerufen. Jedes Jahr kommen die Bauern der Kooperativen aus den am stärksten von der Gewalt betroffenen Dörfern und bieten ihre Produkte zum Verkauf an. Der letztjährige Umsatz beläuft sich auf etwa 120.000 Euro, ein beachtlicher Betrag in einem Land, in dem das Pro-Kopf-Produkt bei etwa 400 Euro im Jahr liegt. Diese Messe ist ein Fest der Farben und auch ein Moment, um mal die schweren Probleme des Landes zu vergessen.

In einer von den Karmeliten gebauten Kirche
In einer von den Karmeliten gebauten Kirche

„Korruption ist der einzige Weg, um etwas zu erreichen“

„Die großen Mächte neigen dazu, alles zu hegemonisieren… Das Problem ist, dass hier alle arm sind. Die Herrschenden kriegen den Hals nicht voll; Korruption ist der einzige Weg, um etwas zu erreichen. Und die Afrikaner passen sich daran an.“ In diesem Kontext ist es schwierig, vom Gemeinwohl zu sprechen. „Wo passiert das wirklich? Wer denkt wirklich an das Gemeinwohl? Jeder denkt nur an sein eigenes Wohl, oder an seine Ideologie. Dabei sollten wir eigentlich überlegen, ob Gott mit dem, was wir tun wollen, einverstanden ist. Das ist dann das Gute! Das ist das Kriterium, wenn man sich entscheiden muss.“

Er liegt zwar in einem Krankenbett in Bologna, mit zerfetztem Fuß. Aber gedanklich ist Pater Pozzi immer noch, oder wieder, in Afrika.

(vatican news – sk)
 

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28. März 2023, 11:15