Caritas-Generalsekretär Dutton: „Wir müssen an der Peripherie sein“
Linda Bordoni und Christine Seuss - Vatikanstadt
„Die Caritas ist mein Zuhause, meine Familie, meine Berufung“, sagt Alistair Dutton am Tag nach seiner Wahl bei einer Pressebegegnung im vatikanischen Presseamt. Mit ihm stellten sich der neue Präsident, Erzbischof Tarcisius Isao Kikuchi, Vize-Präsidentin Kirsty Robertson und der Schatzmeister Patrick Debucquois den Fragen der Journalisten.
Der neue Generalsekretär kann mit langjähriger Erfahrung in der Caritas-Familie aufwarten, darunter fünf Jahre als humanitärer Direktor am Hauptsitz in Rom. Wir wollten von ihm wissen, mit welchem Geist und mit welcher Absicht er den Caritasverband auf einen neuen Weg führen wolle, nachdem Papst Franziskus im vergangenen November die bisherige Leitung aufgelöst und einen vorläufigen Verwalter eingesetzt hat.
Unsicherheit und Frustration hinter sich lassen
Dutton räumt ein, dass die Ereignisse der letzten Monate für viele schockierend waren: „Wir kannten die Details nicht, und viele von uns hatten Fragen. Aber als wir letzte Woche zusammenkamen, herrschte ein echter Wille dazu, zu verstehen, zu wissen, auch wenn es einige Verletzungen und Frustrationen gab. Wir müssen das Vertrauen und die Freude wiederfinden, die der Caritas eigen sind, und das ist die richtige Einstellung.“
Zwischen den Delegierten habe er keine Spannungen wahrgenommen, die Fragen und Unsicherheiten seien offen formuliert worden, und auch er selbst sei davon nicht ausgenommen gewesen, betonte der neue Generalsekretär. Es gelte nun aber, diese Phase hinter sich zu lassen und „neu anzufangen“, so Dutton.
„Ich weiß, dass unsere Kollegen vom Heiligen Stuhl, der Heilige Vater, sie alle wollen, dass wir dieses Ziel erreichen. Wir müssen also als eine einzige Caritas-Familie zusammenkommen und zu den guten Zeiten zurückkehren. Wir wissen, dass wir dies können, dass wir diese erstaunliche Arbeit leisten können, die die Caritas leistet, indem sie die Liebe Gottes in die Welt bringt. Konzentrieren wir uns darauf und lassen wir die Vergangenheit Vergangenheit sein“, sagt er.
In Krisen wirkungsvoll helfen
Seine Berufung in das Amt des Caritas-Generalsekretäres fällt in eine Zeit großer humanitärer Krisen auf der ganzen Welt, mit Kriegen in der Ukraine, im Jemen und im Sudan, aber auch mit Krisen in Myanmar, Tigray und der Demokratischen Republik Kongo - um nur einige zu nennen. Millionen von Menschen sind aufgrund des Klimawandels und der Armut auf der Flucht. Wir wollten vom neuen neuen Generalsekretär von Caritas Internationalis wissen, ob diese Krisen in den Vierjahresstrategieplan zur Zukunft der Caritas Eingang gefunden hätten:
„Die Welt verändert sich ständig“, so Duttons Antwort. „Im Moment liegt der Fokus zum Beispiel auf dem Sudan; letztes Weihnachten hätten wir uns das nie vorstellen können. Das stand nicht im Strategieplan, generell stehen einzelne Länder nicht unbedingt dort. Was wir jedoch brauchen, sind Strukturen und Kapazitäten. So können wir auf einen Fall wie den Sudan reagieren. Oder wenn es um die Ukraine geht, wissen wir, wie wir reagieren müssen. Aber um es klar zu sagen: Die Welt ist fragiler geworden.“
Arme am schlimmsten betroffen
Nicht nur seien die Ungleichheiten viel stärker ausgeprägt, sondern auch der Klimanotstand treffe die Ärmsten zuerst, gibt der Generalsekretär zu bedenken: „Zuerst und auch am schlimmsten, denn sie sind diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen haben“, so Dutton, der auch auf die vielen vom Menschen verursachten Konflikte hinweist, die an so vielen verschiedenen Orten aufbrächen. Doch glücklicherweise habe die Caritas an praktisch allen Orten eine Niederlassung:
„Auch wenn wir als Caritas viel zu tun haben, ist das Schönste die Zusammenarbeit mit jedem einzelnen Mitglied, und die Ukraine ist ein wunderbares Beispiel dafür. Wir haben dort zwei Mitglieder, und das liegt an den unterschiedlichen Riten der Kirche, und was diese beiden Organisationen dort erreicht haben, ist unglaublich. Ich denke, ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie und das Rote Kreuz das größte Netzwerk im ganzen Land sind, was den Umfang und die Menge der Arbeit angeht, die sie leisten konnten.“
Man dürfe jedoch nicht dem Irrtum verfallen, dass man die Arbeit ohne Unterstützung anderer leisten könne: „Erstens würde ich dann verrückt werden, zweitens würde ich es nicht schaffen, und ich würde es nicht so gut machen“, unterstreicht der Generalsekretär verschmitzt.
Viele Möglichkeiten der Unterstützung
„Die Strategie besteht also darin, die Menschen in der Ukraine zu fragen, was sie brauchen, welche Hilfe sie brauchen. Und manchmal geht es um besondere Fähigkeiten, so dass die Caritas Mitarbeiter schicken kann, um beim Bau oder bei der Ausbildung oder was auch immer zu helfen, und dann gibt es finanzielle Hilfen, so dass sie sich leisten können, das zu tun, was sie tun müssen.“
Das Gebet spiele dabei „eine große Rolle“, fügt Dutton hinzu. Bei jedem Treffen werde zurückgespiegelt, dass die Solidarität und Nähe auch in den schwierigen Situationen vor Ort spürbar sei. „Es gibt also viele verschiedene Möglichkeiten, wie Mitglieder auf der ganzen Welt unser Mitglied in der Ukraine unterstützen, und das können wir in jeder Situation anwenden.“ Dies sei ein wichtiger Ansatz nicht nur für die Ukraine, sondern auch für kleine Länder, indem es ihnen „das Gefühl gibt, dass sie Teil von etwas sind, dass sie in der Lage sind, etwas zu tun“.
4-Jahres-Strategieplan
Der bereits erwähnte Strategieplan, der während der Vollversammlung in Rom erstellt wurde, hebe fünf Prioritäten hervor, erläutert Dutton:
„Die Beziehung zur Kirche und wie wir als Teil der Kirche eng zusammenarbeiten; wie wir auf Notfälle reagieren; die ganzheitliche menschliche Entwicklung; die Arbeit an verschiedenen Themen der Advocay; und zuletzt, der Aufbau von Kapazitäten und die Frage, wie wir sicherstellen, dass unsere Organisationen in der Lage sind, zu reagieren, wenn es nötig ist, und sich so zu engagieren, wie sie es wünschen.“
Im Einklang mit dem Papst
Die wiederholten Aufrufe von Papst Franziskus zur Solidarität mit den Bedürftigen und sein Appell, den am meisten Vergessenen eine Stimme zu geben, seien „eine echte Inspiration“ für die Caritas, unterstreicht Alistair Dutton weiter: „Und in vielerlei Hinsicht schließt das unseren Auftrag und den Gedanken an den Ort ein, von dem wir alle glauben, dass wir dort sein sollten: Die Caritas muss an der Peripherie sein. Wir können es uns nicht in der Mitte bequem machen. Wir müssen ,schmutzig und zerschrammt‘ sein. Wir müssen Dreck unter unseren Fingernägeln haben und wir müssen selbst evangelisiert werden, von den Armen. Wir müssen hinausgehen und suchen, wo wir vom Geist geführt werden, und wirklich auf die Stimme derer hören, die am Rande stehen, die an der Peripherie sind, die unter Ungerechtigkeit leiden“, so der Generalsekretär, der darauf hinweist, dass die Caritas-Mitarbeiter sich „nicht in schönen Büros“ einigeln dürften.
„In jedem Land gibt es eine Caritas, und Caritas ist Liebe, und das können wir nur durch die Freiwilligen und die Mitarbeiter in diesem Land erreichen: Unterstützen Sie also bitte Ihre örtliche Caritas, sei es mit Gebeten, sei es mit Freiwilligenarbeit, sei es mit Geld!“, so der beherzte abschließende Appell des Caritas-Vertreters. „Wie auch immer Sie sich engagieren, helfen Sie uns, diese Umarmung der Liebe in Ihrer eigenen lokalen Umgebung auszuweiten.“
Mehr Informationen über die Arbeit und den Verband von Caritas Internationalis finden Sie hier.
(vatican news)
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