Buchtipp: Ratzingers Einführung ins Christentum - für alle
Stefanie Stahlhofen- Vatikanstadt
Manfred Lütz, Theologe, Psychiater, Kabarettist und Autor: Ich habe das ehrlich gesagt für ziemlich abwegig gehalten; erst mal, weil ich mir dachte, das wird Ratzinger nicht machen. Er ist Wissenschaftler. Es ist ein wissenschaftliches Werk, das er damals geschrieben hat. Das würde ich jetzt nicht von so einem dahergelaufenen Diplom-Theologen wie mir kurz fassen lassen. Das steht ja für sich auch. Ich habe es dann Erzbischof Gänswein gesagt, und der sagte: „Schreiben Sie ihm doch, schreiben Sie doch, er kann er ja selbst entscheiden."
Und dann hat er mir einen sehr witzigen Brief zurückgeschrieben: Der Vorschlag erschiene ihm doch auf den ersten Moment etwas wunderlich. Das seien nur 300 Seiten, und das seien doch gar nicht so viele Anmerkungen. Aber wenn ich das auf mich nehmen wolle, könnte ich das gerne machen. Und dann habe ich mich tatsächlich zweieinhalb Monate hingesetzt, und je mehr ich mich da reinbegeben habe, desto begeisterter war ich eigentlich von dem Projekt.
Der Shooting-Star der Theologie schreibt ein Buch...
Radio Vatikan: Können Sie noch mal sagen, aus welcher Zeit das Werk kommt? Es war ja aus einer Vorlesungsreihe...
Manfred Lütz: Genau. Es war 1968, er war der Shootingstar der Theologie und hatte eine Vorlesungsreihe über das Credo, über das Glaubensbekenntnis gehalten, in Tübingen, und daraus ein Buch gemacht. Das war für ein akademisches Publikum natürlich. Und es war auch so ein bisschen Theologendeutsch - ein bisschen, nicht sehr. Ratzinger hat sonst immer einen sehr schönen Stil gehabt, auch fast poetisch manchmal. Aber so ein bisschen Theologendeutsch kommt natürlich vor. Und der Lektor oder die Lektorin hatten da so viel Respekt vor dem Herrn Professor, dass sie da vieles durchgehen lassen haben, würde ich mal sagen. Zum Beispiel so Formulierungen: „Ich werde dann später in einem Kapitel noch sagen, was ich aber jetzt noch nicht ausführen möchte..." Dieser Satz ist völlig überflüssig, den kann man streichen. Oder der Ausdruck „gleichsam" zum Beispiel - ein Lieblingsausdruck von Theologen -, ist auch überflüssig, weil er so geschwurbelt wirkt. Das ist gleichsam - ja, was heißt das denn jetzt? Das kann man ersatzlos streichen, das habe ich auch gestrichen, und ich habe das dann so zusammengeschrieben, dass auf 250 Seiten jetzt der gesamte Text ist, der gesamte Text - nicht gekürzt, der gesamte Text.
Benedikt XVI. hat die Überarbeitung "approbiert"
Man kann also da lesen, was das Christentum ist und ich habe das Joseph Ratzinger, also Papst Benedikt XVI., geschickt, und er hat mir noch mit kleiner Unterschrift das sozusagen approbiert. Er hat es einen jungen Wissenschaftler lesen lassen, ein paar Sachen, die er noch angemerkt hat, die habe ich auch noch geändert. So, dass das, was man da jetzt liest, sozusagen von ihm so approbiert ist. Das war mir auch wichtig.
Ich wollte ja seinen Text rüberbringen und nicht irgendwelche Lütz-Weisheiten. Dass ich vor die einzelnen Kapitel noch eigene Texte schreibe, um jemandem, der so theologische Texte nicht gewohnt ist, ein bisschen zu erläutern, ein bisschen lockerer - das - so habe ich auch im Vorwort geschrieben, das kann man völlig überlesen. Also besser ist es, meine Texte nicht zu lesen. Ich finde sie überhaupt nicht wichtig. Ich finde, das Buch kann man einem Atheisten geben und sagen: "Das ist das Christentum."
Dieses Buch ist von einem Theologen damals geschrieben worden, von Joseph Ratzinger, wo er nicht seine Privatmeinung schildern wollte, sondern den Glauben der Kirche. Und in Kenntnis dieses Buches ist er der Erzbischof von München und Freising geworden. Das heißt Papst Paul VI. hat wohl gedacht: „Das ist ganz okay." Und in Kenntnis dieses Buches hat Papst Johannes Paul II., der das Buch auch gelesen hat, ihn zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannt.
Radio Vatikan: Würden Sie so weit gehen zu sagen, dass es der wichtigste Text von Joseph Ratzinger ist?
Manfred Lütz: Joseph Ratzinger selbst würde nicht so weit gehen. Uns hat er gesagt - im Gespräch mit Markus Lanz* -, die Jesus-Trilogie, das sei eigentlich sein Vermächtnis in gewisser Weise. Aber dass er mir erlaubt hat, die Einführung nochmals überarbeitet herauszugeben, zeigt, dass er geglaubt hat - und es stimmt auch -, dass dieses Buch unglaublich aktuell ist, also unglaublich modern, gegen alle Klischees. Er zitiert nicht mittelalterliche Theologen. Wer zitiert wird, sind Einstein, Nietzsche, Heidegger: moderne Philosophen, Kirchenväter werden zitiert. Augustinus natürlich, so etwas. Das heißt, es ist wirklich moderne Theologie eines jungen Menschen, der auch seine Zweifel am Glauben zum Beispiel artikuliert. Das ist ganz beeindruckend.
Die Theologen, die er zitiert - fast alle haben irgendwann mal von der Glaubenskongregation einen auf den Deckel gekriegt. Also er zitiert kaum aktuelle, nicht kritisierte Theologen. Ein moderner, sehr frei denkender Theologe, sehr modern. Und ich glaube auch für die heutige Kirchensituation unglaublich wichtig.
Die Kirche in Deutschland zerlegt sich im Moment weitgehend selbst. Und auch Atheisten haben Sorge, dass das Christentum auch noch ins Rutschen kommt. Das Christentum ist ja die Grundlage unserer Werteordnung von der gleichen Würde jedes Menschen, von der gleichen Würde aller Völker. Und wenn das baden geht, dann wäre es gefährlich. Dieses Buch zeigt eigentlich, was das Christentum wirklich ist.
Ratzinger zitiert Eichendorff
Er zitiert ein Gedicht von Eichendorff, das ich im Moment allen frustrierten Katholiken zitiere: „Du bist's, der, was wir bauen, mild über uns zerbricht, dass wir den Himmel schauen - darum so klag ich nicht.“ Die Konservativen haben Projekte, wie sie die Kirche retten wollen. Die Progressiven haben Reformprojekte - und der liebe Gott macht das alles kaputt - damit wir wieder in den Himmel sehen, damit wir vielleicht wieder den Blick aufs Wesentliche haben. Und über den Blick aufs Wesentliche geht diese kurze Einführung in das Christentum für alle.
Zum Buch
Titel: „ Joseph Ratzinger: Kurze Einführung in das Christentum. Überarbeitet für alle von Manfred Lütz." 256 Seiten, Kösel-Verlag, etwa 22 Euro.
*Außerdem hat Manfred Lütz zusammen mit dem Journalisten und Moderator Markus Lanz ebenfalls im Kösel-Verlag das Buch „Benedikt XVI. - Unser letztes Gespräch" herausgegeben, das über ein Treffen der beiden mit dem emeritierten Papst im Jahr 2018 berichtet.
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(vatican news - sst)
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