Glettler zu Abtreibung: Weniger Ideologie, mehr Hilfen für Frauen
Ziel müsse sein, dass Kinder „angstfrei und ohne überbordende Sorgen zur Welt gebracht werden können“. Dafür gebe es noch vieles zu tun.
Anlass des Interviews gab der Beschluss der Fristenregelung vor 50 Jahren. Damals seien auch flankierende Maßnahmen versprochen worden, von denen die meisten außer der Einrichtung von Sozial- und Familienberatungsstellen noch auf ihre Umsetzung warteten – „allen voran verstärkte Investitionen in Beratung, Begleitung, Prävention und Bewusstseinsbildung“, unterstrich Glettler. Während Österreich zuletzt fünf Milliarden Euro für Corona-Tests ausgegeben habe, um Leben zu schützen, seien Vereine, die Schwangeren in Not auch finanziell helfen, bis heute fast ausschließlich spendenfinanziert. „Diese Logik ist nicht einsichtig“, kritisierte der Bischof.
Statistische anonyme Erhebung notwendig
Als dringend erforderlich bezeichnete Glettler zudem eine statistische anonyme Erhebung von Schwangerschaftsabbrüchen und eine damit einhergehende Motivforschung, wie auch eine gesetzlich vorgegebene Wartefrist zwischen Beratungsgespräch und Eingriff. Für Schulen sah der Bischof eine „positive Sexualpädagogik“ sowie auch Aufklärung über die Entstehung und Entwicklung menschlichen Lebens vonnöten, sowie Informationen über Hilfestellungen für Schwangere.
Keine Entscheidung erster Wahl
Die Straffreistellung des Schwangerschaftsabbruchs unter bestimmten Umständen bringe es mit sich, „dass Frauen die Last einer Entscheidung über das Leben des Ungeborenen aufgebürdet wird“, hielt der Bischof fest. Dabei sei jedoch für keine Frau die Tötung des Ungeborenen eine „Entscheidung erster Wahl“. Vielmehr dränge sich Abtreibung „oft als letzter Ausweg“ auf, wenn entsprechende Angebote und Unterstützungen fehlten. Häufiger als gedacht sei dabei auch Druck durch Dritte - insbesondere durch den Kindesvater - im Spiel, verwies Glettler auf die Erkenntnisse aus internationalen Studien.
Weil die Schwangerschaft keine Krankheit sei, sei der Staat nicht verpflichtet, ein oftmals gefordertes, niederschwelliges, kostenloses Angebot für Abtreibungen bereitzustellen, betonte der Bischof. „Ein staatlich finanziertes Abtreibungsangebot in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen lässt sich aus meiner Sicht auch ethisch nicht begründen. Das Spital ist ein Ort, um das Leben zu erhalten, nicht um es zu verwerfen“, so der Bischof.
„Gewaltfreie Lösungen“
Grundsätzlich sei das Abtreibungsproblem kein religiöses, sondern ein menschliches, sagte Glettler. „Ausschlaggebend ist, ob wir über ein Zellgewächs diskutieren, das beliebig entfernt werden kann, oder über einen Menschen in seiner ersten Entwicklungsphase.“ Eine Sensibilisierung für die Würde und den Wert jeden menschlichen Lebens sei vonnöten, welches „gerade in seiner verwundbarsten Phase im Mutterleib“ ein „Geschenk Gottes“ sei. Dass das „elementare Lebensrecht eines Kindes“ nicht geringer bewertet werden dürfe als das Freiheits- und Selbstbestimmungsrecht einer erwachsenen Person, bezeichnete der Bischof als Grundkonflikt, den es zu benennen und „gewaltfreie Lösungen“ dafür zu finden gelte.
(kap – mg)
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