Ö: Menschenrechte über Leitkultur
In der vergangenen Woche sorgte die ÖVP für Aufregung im Land, nachdem sie eine Leitkulturdebatte auf Social Media anregte. Am Donnerstag, 28. März, lud Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) Fachleute zur Diskussion über einen „Grundkonsens“ über die österreichische Art zu leben ins Kanzleramt ein.
Zu dieser Debatte äußerte sich der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner kritisch. „Menschenrechte stehen über einer Leitkultur", betonte er. In seinem Blog schrieb der Theologe am vergangenen Mittwoch, es werde nicht einfach sein, Inhalte einer österreichischen Leitkultur konkret zu benennen. Für ihn sei die Einhaltung der Menschenrechte ein wichtigerer Schutz als eine nur schwer einklagbare Leitkultur.
Das Wesentliche?
Zulehner beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Auswertung von europäischen Wertestudien, die etwa im Zehnjahres-Abstand durchgeführt werden. Zu der Frage einer Leitkultur hat der österreichische „Standard“ das Market-Institut mit einer Erhebung beauftragt. Die Ergebnisse wurden am Montag, 1. April, veröffentlicht. Die Frage lautete, was ist wichtig, „um wirklich eine Österreicherin bzw. ein Österreicher zu sein."
Klare Mehrheiten erzielten dabei die Beherrschung der deutschen Sprache (71 Prozent „sehr wichtig", 21 Prozent „wichtig"), die Beachtung der Verfassung und Gesetze (60 bzw. 32 Prozent) und die österreichische Staatsbürgerschaft (55 bzw. 26 Prozent). Deutlich weniger wichtig war den Befragten, „österreichische Bräuche und Traditionen zu teilen" und „in Österreich geboren zu sein". Ganz hinten im Ranking stand die Zugehörigkeit zum christlichen Glauben (39 Prozent „gar nicht wichtig", 25 Prozent „weniger wichtig", 20 Prozent „wichtig", 13 Prozent „sehr wichtig").
Österreich hat sich verbuntet
Zulehner schrieb, dass ihn als Religions- und Werteforscher die „realitätsfitte Weisheit der Befragten“ beeindrucke. „Bei aller Wertschätzung des christlichen Glaubens“ freue er sich, dass die Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen wissen, „dass Österreich weltanschaulich/religiös verbuntet ist.“
Sehe man die weltanschauliche „Verbuntung" nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung, könnten beispielsweise Muslime den hohen Stellenwert der Gastfreundschaft oder der Wertschätzung der Familie in die Leitkultur einbringen. Die Vielfalt der Religionen in Österreich verlange allerdings Toleranz, gerade zwischen den Religionen, so Zulehner. Über Toleranz und Respekt in einer Leitkultur sollte somit ernsthaft diskutiert werden.
(kap - fc)
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