Der österreichische EU-Abgeordnete Lukas Mandl (EVP) Der österreichische EU-Abgeordnete Lukas Mandl (EVP) 

EU-Parlamentarier Mandl würdigt Papst für „Politik der Ränder“

Etwa 80 katholische Parlamentsabgeordnete aus Europa, Afrika, Amerika und Asien haben sich vergangene Woche in Frascati bei Rom wieder zu einem Austausch getroffen. Am Samstag empfing sie Papst Franziskus. Der österreichische EU-Parlamentarier Lukas Mandl (EVP) sieht in der Devise des Papstes, „an die Ränder“ zu gehen, eine wichtige Empfehlung auch für die Politik, wie er in unserem Interview sagte.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt 

Lukas Mandl, Sie waren mit einer stattlichen Gruppe katholischer Parlamentsabgeordneter aus aller Welt bei einem Treffen, das seit 15 Jahren Ende August jeweils mit Kardinal Christoph Schönborn in der Nähe von Rom stattfindet. Mit welchen Eindrücken und Erfahrungen kehren Sie zurück?

Lukas Mandl: Ich bin jedes Jahr sehr dankbar für die Möglichkeit, mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Kontinenten und aus unterschiedlichsten politischen Richtungen sehr, sehr offen und vertrauensvoll, auch auf der Basis des Glaubens selbstverständlich, aktuelle und grundsätzliche Fragen besprechen zu dürfen. Das heißt nicht, dass man am Schluss über alles einer Meinung wäre. Das ist auch unmöglich. Aber es ist positive Energie da, ein guter Geist, ein guter Wille. Es ist immer sehr informativ. Und ja, man fährt mit einer besseren Informationslage zu vielen Themen der Welt und der Politik nach Hause.

Hier zum Hören:

Welche Themen wurden diesmal in den Vordergrund gerückt?

Lukas Mandl: Das Schwerpunktthema, mit dem ich mich diesmal im Rahmen der Gespräche besonders beschäftigt habe, ist der Nahe Osten. Ich darf im europäischen Parlament ja unter anderem die Nahostarbeit mitverantworten. Und ich durfte in meinem Redebeitrag teilen, wie wichtig die Zusammenarbeit mit dem einzigen jüdischen Staat der Welt, mit Israel, mit der einzigen rechtsstaatlichen Demokratie im Nahen Osten, eben Israel, für uns ist - in Sachen Sicherheit offenkundig, aber auch in vielen anderen Fragen, von Wirtschaft bis Wissenschaft. Und ich bin besonders eingegangen auf Syrien, weil ich auch Chefverhandler der größten Fraktion im Europäischen Parlament, der Europäischen Volkspartei, in der Vorperiode zum Syrienbericht war. Und da geht es mir darum, dass selbstverständlich Despotismus immer eingehegt und bekämpft wird und dass es auch kein Appeasement gibt, das ist mir sehr wichtig. Aber dass Sanktionen, wenn sie gar nicht die Verantwortlichen treffen, sondern die Bevölkerung, für humanitäre Zwecke flexibel gestaltet beziehungsweise aufgehoben werden sollen. Das sagt auch die einschlägige Resolution des Europäischen Parlaments, die wir lange verhandelt hatten. Und das habe ich auch hier vertreten.

„Auch zum Thema Nahost sehr guter und informativer Austausch“

Und so hatten wir gerade auch zum Thema Nahost, das in diesen Tagen aufgrund der kriegerischen Handlungen des iranischen Mullah-Regimes gegen Israel wieder auch in die weltweite Aufmerksamkeit rückt, einen sehr guten und informativen Austausch.

Empfehlungen für Diplomatie und Politik

Auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ist, wie wir erfahren haben, mit den katholischen Abgeordneten zusammengetroffen und hat eine Rede gehalten. Was nehmen Sie davon mit?

Lukas Mandl: Ich war sehr beeindruckt davon, dass er sehr strukturiert konkrete Empfehlungen für Diplomatie und Politik gegeben hat. Darunter besonders berührend war für mich, dass man jeden Menschen respektieren solle, ganz unabhängig von seiner politischen Einstellung. Etwas, das selbstverständlich sein sollte, aber wir sehen ja tagtäglich in der Politik, leider weltweit, dass das vielfach nicht gelebt wird. Deshalb ist die Empfehlung so wichtig. Parolin hat auch gesagt, dass die Natur des Menschen immer mehr Gewicht hat als politische Auseinandersetzungen, also dass jeder Mensch kostbar ist, wie auch Österreichs Caritaspräsident Michael Landau immer sagt. So verstehe ich das: dass diese Natur des Menschen im Vordergrund stehen muss. Und dann hat Kardinal Parolin sehr konkrete Hinweise gegeben, etwa auf die Bedeutung von Arbeit, von guten Arbeitsplätzen und fairen Arbeitsbedingungen natürlich einer, sage ich jetzt in meiner Interpretation, starken Wirtschaft dahinter, um auch Kriminalität und Gewalt hintanzuhalten. Also dass Menschen sinnvolle Arbeit leisten dürfen und dass es faire Arbeitsbedingungen gibt. Auch das war bei diesen Empfehlungen für Diplomatie und Politik durch Parolin dabei, und ich bin sehr dankbar dafür.

Treffen mit Franziskus

Auch Papst Franziskus hat Ihre Gruppe empfangen. Wie sehr nehmen Sie als, sagen wir, Berufspolitiker und Politikerinnen diesen Papst als politische Persönlichkeit wahr, als eine Persönlichkeit, die versucht, auch politisch zu gestalten?

Lukas Mandl: Also für mich ist der Heilige Vater natürlich zunächst der Heilige Vater, der Papst, das Oberhaupt der katholischen Kirche, der Statthalter Christi, wie das für Katholikinnen und Katholiken gilt. Und damit ist er automatisch politisch, weil ja die Kirche in der Welt steht und damit auch das Kirchenoberhaupt in der Welt steht. Ich habe das Gefühl, dass dieser Papst diese politische Rolle geradezu mit Freude ausübt, mit einer positiven Freude, mit positiver Energie, mit einem guten Geist in der Welt unterwegs ist und sich in die Welt bewegt, sondern auch in die politische Welt eben und klare Botschaften aussendet.

„Mit positiver Energie, mit einem guten Geist in der Welt unterwegs“

In den wenigen Momenten, die ich hatte, durfte ich mit dem Heiligen Vater teilen, dass mich sehr berührt, dass er immer wieder empfiehlt, an die Ränder zu gehen. Das ist, glaube ich, für viele Lebensbereiche, nicht nur politisch, sondern insgesamt eine sehr gute, eine wertvolle Empfehlung. Man könnte es auch ganz weltlich ausdrücken mit der Netzwerktheorie, die ja besagt, dass an den Rändern von Systemen Innovation entsteht, beispielsweise. Im Zentrum ist die Organisation, die wichtig ist, auch lebenswichtig - aber an den Rändern entsteht Innovation. Und das ist nur ein Zugang zu diesem Thema. Es geht natürlich auch um geografische Ränder, um soziale Ränder. An die Ränder zu gehen ist eine wertvolle Empfehlung, denke ich.

„An die Ränder zu gehen ist eine wertvolle Empfehlung“

Franziskus hat auch eine Ansprache gehalten. Was war ihm wichtig, Ihnen als Parlamentarier und Parlamentarierinnen mit auf den Weg zu geben für Ihre Arbeit?

Hoffnung als Gegenkonzept

Lukas Mandl: Was ich am stärksten mitnehme aus der Ansprache, ist das deutliche und unmissverständliche Plädoyer für die Hoffnung. Und der Papst hat das in den Gegensatz gesetzt zu Zynismus und Pessimismus. Klar ist die Welt voller Zynismus und Pessimismus. Besonders die politische Welt hat ja den Zynismus manchmal sogar an die Stelle von Programmen gesetzt. Zynismus und Pessimismus werden uns nicht weiterbringen, sondern Hoffnung. Hoffnung ist eine starke Antriebskraft.

„Zynismus und Pessimismus werden uns nicht weiterbringen, sondern Hoffnung“

Hoffnung ist, wie ein südkoreanischer Autor unlängst in einem Buch geschrieben hat, auch ein Gegenkonzept zu Angst. Und der Papst hat auch davon gesprochen, dass ältere Menschen für jüngere Menschen eben in Sachen Hoffnung Vorbilder sein können und sollen. Was sollen auch jüngere Menschen planen für ihr Leben oder eben erwarten für ihr Leben? Welche Perspektiven sollten sie haben, wenn sie eher Zynismus oder Pessimismus von Älteren in einer negativen Vorbildfunktion erleben? Die positive Vorbildfunktion für jüngere Menschen, für deren Hoffnung ist, dass sie auch sehen, dass andere hoffen. Und dass die Hoffnung auf jeden Fall eine starke Antriebskraft ist.

Europa nicht speziell Thema

Franziskus gilt als verhältnismäßig europakritischer Papst. Wie haben Sie als EVP-Politiker ihn diesbezüglich wahrgenommen?

Lukas Mandl:  Es war nicht speziell Europa Thema, nicht in der Ansprache des Heiligen Vaters und auch nicht bei der Konferenz. Was auch hilft, den Blick zu weiten. Ich habe ein großes Vertrauen in seinen guten Willen, für alle da zu sein und eben diesen globalen Blick auch selbst zu leben. Und es mag helfen, dass er der erste Papst der Geschichte ist, der nicht aus Europa kommt und sich damit leichter tut und vielleicht ein noch besseres Vorbild darin ist, immer den Blick möglichst weit zu halten.

Das jährliche Treffen des Netzwerks der katholischen Parlamentsabgeordneten (International Catholic Legislators Network/ICLN) aus aller Welt fand bereits zum 15. Mal statt. Präsident des Netzwerks ist Christiaan Alting von Geusau, emeritierter Rektor der Katholischen Universität ITI in Trumau, Österreich.

(In einer ersten Fassung dieses Beitrags war von etwa 60 Abgeordneten die Rede. Dem Präsidenten des Netzwerks zufolge waren etwa 80 in Frascati anwesend, wir haben die Zahl korrigiert.)

(vatican news - gs)

 

 

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26. August 2024, 15:37