Aschermittwoch Aschermittwoch 

Im Wortlaut: Die Predigt des Papstes am Aschermittwoch

Hier finden Sie die Predigt, die Papst Franziskus bei der Aschermittwochs-Messe in der Basilika Santa Sabina auf dem römischen Aventin-Hügel gehalten hat, in vollem Wortlaut und offizieller deutscher Übersetzung.

Die Fastenzeit ist eine willkommene Zeit, um die Dissonanzen unseres christlichen Lebens zu stimmen und die immer neue, frohe und hoffnungsvolle Botschaft von Ostern aufzunehmen. Die Kirche empfiehlt uns in ihrer mütterlichen Weisheit auf all das besonders achtzugeben, was unser gläubiges Herz erkalten oder rosten lassen könnte.

         Die Versuchungen, denen wir ausgesetzt sind, sind vielfältig. Jeder von uns kennt die Schwierigkeiten, die er angehen muss. Und es ist traurig festzustellen, wie sich angesichts der täglichen Schicksalsschläge Stimmen erheben, welche den Schmerz und die Ungewissheit ausnutzen, um nur Misstrauen zu säen. Und wenn die Frucht des Glaubens die Liebe ist – wie es Mutter Teresa von Kalkutta gerne wiederholte –, so ist die Frucht des Misstrauens die Apathie und die Resignation. Misstrauen, Apathie und Resignation: die Dämonen, welche die Seele des gläubigen Volkes Gottes verätzen und lähmen.

       

  Die Fastenzeit ist eine wertvolle Zeit, um diese und andere Versuchungen zu entlarven und unser Herz wieder entsprechend dem Herzschlag des Herzens Jesu schlagen zu lassen. Diese ganze Liturgie ist von dieser Gesinnung durchdrungen, und wir könnten sagen, dass diese in drei Worten nachhallt, die uns „das gläubige Herz erwärmen“ wollen: halte inne, schaue und kehre zurück.

         Halte etwas inne, lasse diese Hektik und dieses sinnlose Rennen, das die Seele mit dem bitteren Gefühl erfüllt, niemals irgendwo anzukommen. Halte inne, lass ab von diesem Zwang, in Eile zu leben, der die Zeit für die Familie zerstreut, aufteilt und schließlich vernichtet, die Zeit für die Freundschaft, die Zeit für die Kinder, die Zeit für die Großeltern, die Zeit für die Selbstlosigkeit … die Zeit für Gott.

         Halte ein wenig inne angesichts des Bedürfnisses, in Erscheinung zu treten und von allen gesehen zu werden, sich ständig zur Schau zu stellen, das den Wert des Vertrauten und der Sammlung in Vergessenheit geraten lässt.

         Halte ein wenig inne angesichts des hochmütigen Blicks, der flüchtigen und abfälligen Bemerkung, die daher rührt, dass man Zärtlichkeit, Mitleid und Respekt im Umgang mit den anderen vergessen hat, vor allem mit den Verwundbaren, Verletzten und auch mit denen, die sich in Sünde und Irrtum befinden.

         Halte ein wenig inne angesichts der Zwangsvorstellung, alles kontrollieren, alles wissen, alles vernichten zu wollen, der daher rührt, dass man die Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens und für all das Gute, was man empfangen hat, vergessen hat.

         Halte ein wenig inne angesichts des betäubenden Lärms, der unsere Ohren verkümmern lässt und taub macht und uns die fruchtbare und schöpferische Kraft der Stille vergessen lässt.

         Halte ein wenig inne angesichts des Verhaltens, sterile und unfruchtbare Gefühle zu fördern, die von der Verschlossenheit und dem Selbstmitleid kommen und dazu führen, dass man vergisst, dem anderen entgegenzugehen, um die Lasten und Schmerzen zu teilen.

         Halte inne angesichts der Leere des Momenthaften, des Vorübergehenden und Flüchtigen, das uns der Wurzeln und Bindungen beraubt sowie des Wertes der Wegstrecken und des Bewusstseins, immer auf dem Weg zu sein.

         Halte inne, um zu schauen und zu betrachten!

         Schaue auf die Zeichen, die ein Auslöschen der Liebe verhindern und die Flamme des Glaubens und der Hoffnung lebendig erhalten. Sie sind lebendige Gesichter der Zärtlichkeit und Güte Gottes, die unter uns am Werk ist.

         Schaue auf das Gesicht unserer Familien, die Tag um Tag mit großer Mühe weiter darauf setzen, im Leben voranzuschreiten und unter Mangel und Knappheit an so vielem nichts unversucht lassen, um aus ihrem Heim eine Schule der Liebe zu machen.

         Schaue auf die uns fragenden Gesichter unserer Kinder und Jugendlichen, die an der Zukunft und der Hoffnung tragen, am Morgen und an den Möglichkeiten, die Hingabe und Schutz erfordern. Sie sind lebendige Triebe der Liebe und des Lebens, die sich inmitten unserer kleinlichen und egoistischen Berechnungen immer ihren Weg bahnen.

         Schaue auf die vom Laufe der Zeit durchfurchten Gesichter unserer Alten: Gesichter, die das lebendige Gedächtnis unseres Volkes tragen. Gesichter der wirkenden Weisheit Gottes.

         Schaue auf die Gesichter unserer Kranken und so vieler, die sich um sie kümmern: Gesichter, die in ihrer Verwundbarkeit und in ihrem Dienst uns daran erinnern, dass der Wert jeder Person niemals auf eine Frage von Kostenrechnung oder Nützlichkeit reduziert werden darf.

         Schaue auf die reuevollen Gesichter so vieler, die ihre Irrtümer und Fehler wiedergutzumachen suchen und ausgehend von ihrem Elend und ihren Schmerzen dafür kämpfen, die Situationen zu verwandeln und weiterzugehen.

         Schaue und betrachte das Angesicht der Gekreuzigten Liebe, die heute vom Kreuz weiter Hoffnungsträger ist; ausgestreckte Hand für diejenigen, die sich gekreuzigt fühlen, die in ihrem Leben die Last des Scheiterns, der Ernüchterungen und Enttäuschungen erfahren.

         Schaue und betrachte das konkrete Angesicht Christi, der gekreuzigt wurde wegen der Liebe zu allen ohne Ausnahme. Zu allen? Ja, zu allen. Auf sein Angesicht zu schauen ist die hoffnungsvolle Aufforderung dieser Fastenzeit, um die Dämonen des Misstrauens, der Apathie und der Resignation zu besiegen. Ein Angesicht, das uns einlädt auszurufen: Das Reich Gottes ist möglich!

Halte inne, schaue und kehre zurück. Kehre zurück in das Haus deines Vaters. Kehre ohne Furcht zurück in die ausgebreiteten Arme deines sehnsüchtig wartenden Vaters, der reich an Erbarmen ist (vgl. Eph 2,4)!

         Kehre zurück! Ohne Furcht: Dies ist die rechte Zeit, um nach Hause zurückzukehren, zum Haus »meines Vaters und eures Vaters« (vgl. Joh 20,17). Dies ist die Zeit, um sich im Herz anrühren zu lassen … Weiterhin den Weg des Bösen zu gehen ist nur Quelle falscher Illusion und Traurigkeit. Das wirkliche Leben ist etwas ganz anderes, und unser Herz weiß das gut. Gott wird nicht müde und wird nicht müde werden, die Hand auszustrecken (vgl. Bulle Misericordiae vultus, 19).

         Kehre ohne Furcht zurück, die heilende und versöhnende Zärtlichkeit Gottes zu erfahren! Lass zu, dass der Herr die Wunden der Sünde heilt und die unseren Vätern gegebene Verheißung erfüllt: »Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in eurer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch« (Ez 36,26).

(vatican news)

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14. Februar 2018, 15:30