Papst mahnt Manager zum Umwelt- und Klimaschutz
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Schon die Anrede, die Franziskus für seine Gäste wählte, hat man im Vatikan selten oder nie gehört: „Meine Herren Manager, Investoren und Experten“. Die Unternehmens-Chefs hatten im Vatikan an einer Konferenz teilgenommen, bei der es um Klimawandel und Energiefragen ging.
Papst Franziskus, Autor der Schöpfungsenzyklika „Laudato si‘“, nutzte die Gelegenheit zu einem beherzten Plädoyer, dass es die Erde als „unser gemeinsames Haus“ zu bewahren gelte. Sein Einstieg ins Thema war eine Betrachtung über die Beschleunigung in unserer heutigen Zeit.
Weite Bereiche unseres Lebens hängen von Energie ab
„Die technischen und wissenschaftlichen Fortschritte machen alle Kommunikation immer schneller. Eine (wahre oder falsche, gute oder schlechte) Nachricht, Idee oder Methode verbreitet sich in wenigen Sekunden. Auch Menschen und Waren reisen in einer Geschwindigkeit und Masse, die früher unvorstellbar waren, über Ozeane und Kontinente.“
Auch die Gesellschaften seien immer stärker untereinander vernetzt – und für all das brauche es Energie. Mehr Energie als je zuvor in der Geschichte. Weite Bereiche unseres Lebens hingen von Energie ab – und das, obwohl mehr als eine Milliarde Menschen noch nicht einmal Zugang zu Strom habe.
Man darf nicht den wirklichen Durst nach Wasser schlimmer machen
„Hierher rührt die Herausforderung, eine enorme Menge an Energie für alle zu garantieren. Dabei darf die Ausbeutung von Ressourcen keine Umweltstörungen hervorrufen, die dann zu Schäden und Verschmutzung führen, weil das ja eine schwere Hypothek für die ganze Menschheit von heute und von morgen wäre.“
„Die Luftqualität, der Meeresspiegel, die Trinkwasser-Reserven, das Klima und das delikate Gleichgewicht der Öko-Systeme – all das wird von der Art und Weise, wie die Menschheit ihren Durst nach Energie stillt, stark beeinflusst. Um diesen Durst zu stillen, darf man nicht den wirklichen Durst nach Wasser schlimmer machen, oder die Armut, oder die soziale Ausschließung.“
Fast konnte man meinen, der Papst ziele auch auf den Streit um den Diesel und die Luftqualität in Deutschland. „Die Notwendigkeit, immer mehr Energie für das Funktionieren von Autos zur Verfügung zu haben, kann nicht um den Preis befriedigt werden, dass die Luft, die wir atmen, verschmutzt wird!“ Und es sei eine falsche Annahme, zu meinen, dass es auf der Erde genug Energie zum grenzenlosen Ausbeuten gebe und dass sich die negativen Folgen der Ressourcen-Ausschlachtung für die Umwelt schon irgendwie heilen ließen.
Es braucht dringend eine globale Strategie
„Die Energiefrage ist darum eine der Hauptherausforderungen für die internationale Gemeinschaft geworden. Von ihrer Handhabung hängt die Lebensqualität ab und auch, ob Konflikte in verschiedenen Teilen der Welt, die mit Umweltproblemen und Energiemangel zu tun haben, neue Nahrung finden. Es braucht dringend eine langfristige, globale Strategie, die Energiesicherheit bietet, wirtschaftliche Stabilität fördert, die Gesundheit und Umwelt schützt und menschliche Entwicklung erlaubt. Das muss einhergehen mit klaren Absprachen, um dem Problem des Klimawandels zu begegnen.“
Damit war’s ausgesprochen: das K-Wort. ‚Laudato si‘‘ war 2015 mit Blick auf die Klimakonferenz von Paris hin getextet worden; über den Ausstieg der USA unter Donald Trumps aus dem Vertragswerk zum Klimaschutz ist der Vatikan anhaltend bestürzt.
Energie für alle ja - aber bitte ohne dadurch das Klima kippt
„In der Enzyklika ‚Laudato si‘ habe ich an alle Menschen guten Willens appelliert, sich um die Pflege des gemeinsamen Hauses zu kümmern und eine Energiewende herbeizuführen, um verheerende Änderungen im Klima abzuwenden, die das Wohlergehen und die Zukunft der Menschheitsfamilie und ihres gemeinsamen Hauses in Gefahr bringen könnten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, mit ernsthaftem Einsatz eine Wende einzuleiten, die wachsenden Energieverbrauch mit geringer Umweltverschmutzung koppelt. Das ist eine epochale Herausforderung – aber auch eine große Gelegenheit…“
Besserer Zugang von Armen zu Energie, Diversifizierung der Energiequellen, mehr auf erneuerbare und saubere Energien setzen, den richtigen Energiemix finden – so spann der Papst seinen Faden weiter. Alles hänge tatsächlich mit allem zusammen: Wer die UNO-Millenniumsziele zur Armutsbekämpfung ernst nehme, der müsse auch dafür sorgen, dass jeder Mensch Zugang zu einer Steckdose habe.
„Energie für alle ist wünschenswert – aber das darf nicht zu einer keineswegs wünschenswerten Spirale immer schwerwiegenderer Klimaveränderungen führen!“
Umgang mit Energie darf nicht die Zivilisation zerstören
Der Papst sprach den Pariser Klimavertrag von 2015 direkt an: 196 Nationen hätten sich darauf verpflichtet, mit einem Bündel von Maßnahmen einen Anstieg der globalen Erwärmung um mehr als zwei Prozent möglichst zu verhindern. „Zweieinhalb Jahre später sind die CO2-Emissionen und die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre immer noch sehr hoch. Das ist eher beunruhigend und besorgniserregend.“
Ebenso beunruhigend sei die ständige Ausbeutung der Reserven an fossilen Brennstoffen, die dem Vertrag von Paris widerspreche. „Das ist der Grund, warum Industrielle, Investoren, Forscher und Energienutzer über die Energiewende reden müssen! Die Zivilisation ruft nach Energie, aber der Umgang mit Energie darf nicht die Zivilisation zerstören.“
Viele Bemühungen - aber reicht das?
Bei allen Entscheidungen im Bereich Energie müssten die mittel- und langfristigen Folgen für die Umwelt und den Menschen immer mitberücksichtigt werden, forderte der Papst. Er sprach in dieser Hinsicht wörtlich von den „menschlichen und Umwelt-Kosten“. Außerdem dürfe nicht einfach über die Köpfe der Menschen und Gemeinschaften vor Ort entschieden werden.
„Die Öl- und Gas-Unternehmen entwickeln neue Ansätze, um das Klima-Risiko einzuschätzen und ihre Unternehmenspläne daraufhin zu ändern. Das ist lobenswert! Investoren überprüfen ihre Investitionsstrategien, um auf Umweltfragen zu berücksichtigen. Eine „grüne Finanzwirtschaft“ entsteht. Sicher werden da viele Fortschritte gemacht. Aber reicht das? Und haben wir da rechtzeitig gehandelt. Niemand kann mit letzter Sicherheit auf diese Frage antworten. Aber jeder weitere Monat macht den Energiewechsel immer dringlicher…“
Absoluter Glaube an die Märkte führt in die Irre
Es war fast eine Enzyklika im Kleinen, die der Papst in seiner langen Rede an die Bosse entfaltete. Beredt erinnerte er sie daran, dass vor allem Menschen in armen Ländern die Folgen ihrer Entscheidungen auszubaden haben. Die Menschheit sei „eine Familie“; Luft und Wasser hielten sich nicht je nach Nation an unterschiedliche Gesetze.
„Die Umwelt- und Energieprobleme haben mittlerweile globale Wirkung und Dimension. Darum erfordern sie globale Antworten – und die gilt es mit Geduld und Dialog zu suchen sowie rationell und konsequent umzusetzen.“
Zum Schluss seiner Ansprache ruderte Franziskus noch ein bisschen um sein berühmtes Diktum „Diese Wirtschaft tötet“ herum.
„Ein absoluter Glaube an die Märkte und die Technologie hat viele dazu gebracht zu glauben, Änderungen im Wirtschafts- und Technologiebereich reichten aus, um die derzeitigen wirtschaftlichen und sozialen Ungleichgewichte zu heilen. Doch wir müssen zugeben, dass die Forderung nach einem ständigen Wirtschaftswachstum schwerwiegende ökologische und soziale Folgen mit sich gebracht hat. Man sieht, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem immer mehr auf Raubbau, Konsum und Verschwendung fußt.“
Für eine neue Leadership
Geradezu beschwörend wurde der Papst dann: Er rief nach einer neuen „Kultur“, einer neuen Art von „Leadership“, sprach vom Sinn des Lebens, vom „Buch der Natur“ (ein Zitat seines Vorgängers Benedikt XVI.‘). „Ich lade Sie ein, der Kern einer neuen Gruppe von Führern zu werden, die die Energiewende auf eine Weise vollziehen, die an die Völker der Erde denkt, an die kommenden Generationen, an alle Arten und Öko-Systeme!“
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.