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Riga: Papst lädt zu Ökumene im missionarischem Geist ein

Die „gelebte Ökumene“ der Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen stellt eines der besonderen Merkmale Lettlands dar. Das betonte Papst Franziskus bei der Ökumenischen Begegnung in der Evangelisch-Lutherischen Kathedrale von Riga an diesem Montag.
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Christine Seuss - Vatikanstadt

Franziskus würdigte die lebendigen ökumenischen Beziehungen in dem Land, in dem ein Großteil der Bürger sich zum Protestantismus bekennt. Der historische Dom, in dem das Treffen stattfand, sei „ein treuer Zeuge“ der Menschen, die hier über Jahrhunderte ihre Anliegen vor Gott getragen hätten, „um Ermutigung zu finden“ und „Momenten großer Ungerechtigkeit und schweren Leids zu begegnen,“ erinnerte Franziskus an die nicht einfache Vergangenheit des zweiten ehemaligen Ostblock-Landes, das er in diesen Tagen besucht. Heutzutage gehe es hingegen darum, „zu Handwerkern der Einheit“ zu werden, „damit unsere Unterschiede nicht zu Spaltungen führen.“: „Möge der Heilige Geist uns mit den Waffen des Dialogs, des Verständnisses, der Suche nach gegenseitigem Respekt und der Geschwisterlichkeit bekleiden!”

Die ökumenische Begegnung war untermalt von zahlreichen Musikeinlagen, und auch Franziskus griff in seiner Ansprache das musikalische Thema wieder auf. Er erinnerte an die historische Orgel des Doms, die bei seiner Einweihung die größte der Welt war. Für die Einheimischen, so betonte er, sei sie ein Stück ihrer Identität, doch für den Touristen vor allem aus künstlerischen Motiven interessant und zu fotografieren.

„Und das ist eine Gefahr, der man immer ausgesetzt ist: dass man vom Einheimischen zum Touristen wird. Dass wir aus dem, was uns Identität verleiht, ein Objekt der Vergangenheit machen, eine Touristenattraktion, ein Museum, das uns an die Geschehnisse einer früheren Zeit erinnert, von hohem historischen Wert, das aber aufgehört hat, das Herz derer zu bewegen, die es hören.“

Mit dem Glauben, so die Mahnung des Papstes, könne uns genau das gleiche passieren: unsere gesamte christliche Tradition laufe Gefahr, „dass sie auf ein Stück Vergangenheit reduziert wird und – eingeschlossen in den Mauern unserer Gotteshäuser – keine Melodie mehr zu hören ist, die in der Lage wäre, das Leben und das Herz derjenigen, die sie hören, zu bewegen und zu inspirieren.“

Die Musik des Evangeliums

Doch, so fuhr Franziskus in seinen Überlegungen fort, wenn die Musik des Evangeliums nicht mehr „unser Inneres in Schwingung“ versetze, dann litten darunter Mitgefühl, Vertrauen und die Fähigkeit zur Versöhnung, die aus dem Bewusstsein der Vergebung Gottes resultiere:

„Wenn die Musik des Evangeliums in unseren Häusern, in der Öffentlichkeit, an unseren Arbeitsplätzen, in der Politik und der Wirtschaft nicht mehr zu hören ist, dann haben wir wohl die Melodie abgeschaltet, die uns herausfordert, für die Würde jedes Mannes und jeder Frau ungeachtet ihrer Herkunft zu kämpfen. Dann verschließen wir uns im ,Eigenen´ und vergessen darüber ,das Unsere´: das gemeinsame Haus, das uns alle angeht.“

Dies berge die Gefahr von Einsamkeit und Isolation in sich, gab der Papst zu bedenken. Insbesondere Ältere, aber auch junge Menschen ohne Bezugspunkte und Möglichkeiten für die Zukunft könnten betroffen sein, griff Franziskus eine Überlegung auf, die er auch in Litauen in Worte gefasst hatte.

Die Sorge um den anderen, so erinnerte Franziskus, stehe im Zentrum der Ökumene, die sich nicht in Selbstbetrachtung oder Verharren in der Vergangenheit erschöpfen dürfe. Die Entschuldigung, es seien „schwierige und komplexe Zeiten“, in denen Säkularismus und Individualismus den Spielraum von Christen eingrenzten, ließ der Papst hingegen nicht gelten.

„Freilich kommen wir nicht umhin anzuerkennen, dass dies bestimmt keine einfachen Zeiten sind, besonders für viele unserer Brüder und Schwestern, die heute am eigenen Leib das Schicksal der Verbannung und sogar das Martyrium aufgrund ihres Glaubens erleiden. Aber ihr Zeugnis führt uns zu der Erkenntnis, dass der Herr uns weiterhin ruft und uns einlädt, das Evangelium mit Freude, Dankbarkeit und Entschlossenheit zu leben.“ Es gelte, mit der Unterstützung des Herrn insbesondere auf die Geschwister zuzugehen, die als „geringer“ oder als „Abfallmaterial“ angesehen werden.

Die Einheit, zu der der uns Herr berufe, stehe immer unter missionarischem Vorzeichen, erinnerte der Papst, der dazu einlud, hinauszugehen und sich „vom Geist Christi durchdringen“ zu lassen, um die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederzugewinnen, mithilfe derer wir „missionarische Jünger“ sein könnten „inmitten in der Welt, in der wir leben.“

An der ökumenischen Feier in Rigas gotischem Dom, der größten Kirche im Baltikum, nahmen neben dem lutherischen Erzbischof Janis Vanags als Gastgeber auch der russisch-orthodoxe Metropolit Alexander Kudryashov und der katholische Erzbischof Zbignevs Stankevics teil.

Aus religionsdemografischer Sicht ist Lettland die bunteste der drei baltischen Republiken, die Papst Franziskus in diesen Tagen besucht. Von den rund 1,98 Millionen Letten bekannten sich Ende 2016 nach der neuesten Statistik des Justizministeriums in Riga 423.000 zur katholischen Kirche; das sind rund 21,4 Prozent. Die evangelisch-lutherische Kirche des Landes, - sie sorgte vor zwei Jahren für Schlagzeilen, weil ihre Synode die in sowjetischer Zeit begonnene Frauenordination wieder abschaffte - meldete rund 700.000 Mitglieder, was einem Anteil von etwa 35 Prozent entspricht. Der orthodoxen Kirche gehörten 370.000 Letten an (18,7 Prozent). Der Anteil der Juden, Muslime und Angehörigen anderer Religionen lag unter 2 Prozent; knapp jeder vierte gehörte keiner Religion an.

(vatican news/kap)

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24. September 2018, 10:41