Papst Franziskus bei der Generalaudienz: Beten kommt aus dem Herzen
Christine Seuss - Vatikanstadt
Das Gebet komme aus den „geheimen Tiefen unseres Innersten“, aus jenem „inneren Ort, den geistliche Autoren oft als Herz bezeichnen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2562-2563)“, führte Franziskus bei der Audienz, die aus der Bibliothek des Apostolischen Palastes übertragen wurde, die Gläubigen in seine Überlegungen ein.
„Das Beten ist also nichts Nebensächliches, es ist nicht irgendeine zweitrangige, marginale Fähigkeit, sondern unser innerstes Geheimnis. Unser Innerstes betet! Unsere Emotionen drücken sich im Gebet aus, aber man kann nicht sagen, dass Gebet nur Emotion ist. Der Verstand drückt sich im Gebet aus, aber Beten ist nicht nur ein intellektueller Akt. Der Körper betet, aber auch Menschen mit schwerer Behinderung können mit Gott sprechen. Es ist also der ganze Mensch, der betet, wenn sein Herz betet.“
„Stimme eines Ichs, die sich vorsichtig vorwärts tastet“
Das Gebet sei in diesem Sinn ein „Hinausdrängen“, etwas, das den Tiefen unserer Person entspringe und sich ausweite, „weil es die Sehnsucht nach einer Begegnung spürt“, unterstrich der Papst: „Sehnsucht ist mehr als ein Bedürfnis... Das Gebet ist die Stimme eines Ichs, die sich vorsichtig vorwärts tastet, auf der Suche nach einem Du. Die Begegnung zwischen Ich und Du kann man nicht mit dem Taschenrechner machen. Das ist eine menschliche Begegnung... Das Du, das mein Ich sucht.“
Das Gebet des Christen aber zehre von der Tatsache, dass Gott sich tatsächlich gezeigt habe, nicht verborgen geblieben sei, fuhr Franziskus fort: „Die ersten Feste im Kirchenjahr sind die Feier dieses Gottes, der nicht verborgen bleibt, sondern den Menschen seine Freundschaft anbietet. Gott offenbart seine Herrlichkeit in der Armut von Bethlehem, in der Anbetung der Heiligen Drei Könige, in der Taufe am Jordan, im Wunder der Hochzeit zu Kana. Das Johannes-Evangelium bringt den großen Hymnus des Prologs mit folgenden Worten auf den Punkt: Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ Es war Jesus, der uns Gott offenbart hat.“
Beten sei in diesem Sinn das Eingehen einer Beziehung mit diesem Gott, „der ein sanftmütiges Antlitz hat“ und „den Menschen keine Angst einflößen will“, unterstreicht der Papst. Statt sich ihm nun eingeschüchtert oder vielleicht unterwürfig anzunähern, wagten es die Christen, sich vertrauensvoll an Gott zu wenden, ihn „Vater“ zu nennen. „Jesus sagt sogar: Papa!“, hob Franziskus – wie bereits bei anderen Gelegenheiten - dieses grundlegende Merkmal des christlichen Gebetes hervor.
Das Christentum habe jedes „feudalistische“ Element aus der Beziehung zu Gott verbannt, was sich auch in der Begrifflichkeit zeige, erläuterte der Papst weiter. „Das Erbe unseres Glaubens kennt keine Begriffe wie „Unterwerfung“, „Knechtschaft“ oder „Vasallentum“, sondern Worte wie „Bund“, „Freundschaft“ und „Gemeinschaft“, „Nähe“.“ In seiner langen Abschiedsrede an die Jünger bezeichne Jesus sie als „Freunde“, denen er in vertrauensvoller Beziehung, die so gar nichts von der zwischen einem Herrn und einem Knecht habe, alles mitgeteilt habe, was er von seinem Vater gehört habe: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet“ (Joh 15,15-16), sagt Jesus an dieser Stelle des Johannes-Evangeliums.
Ein Blankoscheck zum Ausprobieren
Und mit Blick darauf fordert Franziskus die Gläubigen heraus: „Das ist ein Blankoscheck: Alles, um was ihr den Vater in meinem Namen bittet, werde ich euch erfüllen... Probieren wir es doch mal aus!“
Gott sei ein Freund, Verbündeter, ja sogar ein Bräutigam, zu dem man eine Vertrauensbeziehung aufbauen, dem man alles anvertrauen und den man um alles bitten könne, fuhr Franziskus fort. Dabei spiele es keine Rolle, ob man sich in seiner Beziehung zu Gott schuldig fühle: „Auch wenn wir keine guten Freunde, keine dankbaren Kinder, keine treuen Ehepartner sind – er wird trotzdem nicht aufhören, uns zu lieben.“ Und genau das kommt in den Worten Jesu zum Ausdruck, wenn er beim Letzten Abendmahl sagt: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (Lk 22,20). Mit dieser Geste nimmt Jesus im Abendmahlssaal das Geheimnis des Kreuzes vorweg. Gott ist ein treuer Verbündeter: Wenn die Menschen aufhören zu lieben, liebt er weiter, auch wenn ihn diese Liebe an seine Leidensstätte – nach Golgatha – führt.“
Gott wird gehasst, aber er selbst kennt keinen Hass
Die Geduld Gottes mit uns gleiche der eines Vaters und einer Mutter, er klopfe stets behutsam und zärtlich an unsere Tür, erinnert der Papst weiter. „Lasst uns Gott im Staunen des Gebets sagen: Ist es möglich, dass Du nur die Liebe kennst? Er kennt nicht den Hass. Er wird gehasst, kennt aber selbst nicht den Hass. Er kennt nur Liebe! Das ist der Gott, den wir anbeten. Das ist der wahre Kern eines jeden christlichen Gebets. Der Gott der Liebe ist unser Vater, der uns erwartet und uns begleitet“, schloss der Papst seine Katechese.
In seinen anschließenden Grüßen an die Gläubigen arabischer Sprache erinnerte Franziskus daran, dass das Gebet „die Art ist, mit Gott zu sprechen und ihn zu hören“. Aus diesem Grund habe er die Einladung des Hohen Komitees für menschliche Geschwisterlichkeit angenommen, den Donnerstag dem Gebet, dem Fasten und den Werken der Nächstenliebe zu widmen: „Ich lade alle ein, sich dieser Initiative anzuschließen: vereinen wir uns wie Geschwister, während wir den Herrn bitten, die Menschheit vor der Pandemie zu retten, die Wissenschaftler zu erleuchten und die Kranken zu heilen.“
Erinnerung an Johannes Paul II.
In seinen Grüßen an die polnischsprachigen Gläubigen wiederum verlieh Franziskus seiner Zuneigung zu Johannes Paul II. Ausdruck, der ihn selbst zum Kardinal erhoben hatte: „Nächsten Montag ist der hundertste Jahrestag der Geburt Johannes Paul II.; ich werde um 7 Uhr die Messe am Altar vor seinem Grab feiern, die über die Medien weltweit übertragen wird. Danken wir Gott dafür, dass er uns diesen Bischof von Rom gegeben hat, diesen heiligen Bischof, und bitten wir ihn um Hilfe: dass er dieser Kirche von Rom dabei helfen möge, umzukehren und vorwärts zu gehen.“
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