Wortlaut: Papst beim Konsistorium für die Kreierung neuer Kardinäle
Der Weg. Der Weg ist der Schauplatz für die vom Evangelisten Markus beschriebene Szene. Und er ist das Umfeld, in dem sich das Unterwegssein der Kirche immer abspielt: der Weg des Lebens, der Geschichte, die in dem Maß Heilsgeschichte ist, in dem sie mit Christus erfolgt und sich an seinem Ostergeheimnis ausrichtet. Jerusalem liegt immer vor uns. Kreuz und Auferstehung gehören zu unserer Geschichte, sie sind Teil unseres Heute, aber sie sind immer auch das Ziel unseres Unterwegsseins.
Dieses Wort des Evangeliums hat die Konsistorien zur Kreierung neuer Kardinäle schon oft begleitet. Es ist nicht nur ein „Hintergrund“, sondern ein „Wegweiser“ für uns, die wir heute gemeinsam mit Jesus auf dem Weg sind, der uns auf dem Weg vorausgeht. Er ist die Stärke und der Sinn unseres Lebens und unseres Dienstes.
Deshalb, liebe Brüder, müssen wir heute an diesem Wort Maß nehmen.
Markus hebt hervor, dass die Jünger sich auf dem Weg »wunderten«; sie »hatten Angst« (10,32). Warum? Weil sie wussten, was sie in Jerusalem erwartete; Jesus hatte bereits mehrmals offen zu ihnen darüber gesprochen. Der Herr kennt die Gemütslage derer, die ihm nachfolgen, und das lässt ihn nicht gleichgültig. Jesus lässt seine Freunde niemals im Stich; er vernachlässigt sie nie. Auch wenn er seinen Weg geradeaus zu gehen scheint, so tut er es immer für uns. Alles, was er tut, tut er für uns, um unseres Heiles willen. Und im vorliegenden Fall der Zwölf tut er es, um sie auf die Prüfung vorzubereiten, damit sie jetzt bei ihm sein können und vor allem dann, wenn er nicht mehr unter ihnen sein wird. Damit sie immer mit ihm auf seinem Weg gehen mögen.
Da er weiß, dass die Herzen der Jünger beunruhigt sind, ruft Jesus die Zwölf beiseite und sagt ihnen »wieder«, »was ihm bevorstand« (V. 32). Wir haben es gehört: Es ist die dritte Ankündigung seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung. Dies ist der Weg des Sohnes Gottes. Der Weg des Gottesknechts. Jesus identifiziert sich mit diesem Weg so sehr, dass er selbst dieser Weg ist. »Ich bin der Weg« (Joh 14,6). Dieser Weg, kein anderer.
Und an diesem Punkt geschieht die „Wendung“, die Bewegung in die Situation bringt und es Jesus erlaubt, Jakobus und Johannes – in Wirklichkeit aber allen Aposteln – die Bestimmung zu offenbaren, die sie erwartet. Stellen wir uns die Szene vor: Nachdem Jesus erneut erklärt hat, was mit ihm in Jerusalem geschehen muss, schaut er den Zwölf ins Gesicht, er starrt ihnen in die Augen, als wolle er sagen: „Ist das klar?“ Dann setzt er den Weg an der Spitze der Gruppe wieder fort. Und zwei trennen sich von der Gruppe, Jakobus und Johannes. Sie treten an Jesus heran und sagen ihm ihren Wunsch: »Lass in deiner Herrlichkeit einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen!« (V. 37). Dies ist ein anderer Weg. Das ist nicht der Weg Jesu, es ist ein anderer. Es ist der Weg derer, die, vielleicht ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, den Herrn „benutzten“, um sich selbst zu fördern; derer, die – wie der heilige Paulus sagt – »ihren Vorteil« suchen und »nicht, was Jesu Christi ist« (Phil 2,21). Dazu gibt es vom heiligen Augustinus jene wunderbare Predigt über die Hirten (Sermo 46), und es tut uns immer wieder gut, sie in der Lesehore stets neu zu lesen.
Nachdem Jesus Jakobus und Johannes angehört hat, regt er sich nicht auf, ärgert er sich nicht. Seine Geduld ist wirklich unendlich. Und er antwortet: »Ihr wisst nicht, um was ihr bittet« (V. 38). Er entschuldigt sie in gewisser Weise, aber gleichzeitig beschuldigt er sie: „Ihr merkt gar nicht, dass ihr abseits des Weges geht.“ Tatsächlich sind es unmittelbar danach die anderen zehn Apostel, die mit ihrer empörten Reaktion auf die Söhne des Zebedäus zeigen, wie sehr alle der Versuchung unterliegen, abseits des Weges zu gehen.
Liebe Brüder, wir alle lieben Jesus, wir alle wollen ihm nachfolgen, aber wir müssen immer wachsam sein, um auf seinem Weg zu bleiben. Denn mit unseren Füßen, physisch können wir bei ihm sein, während unsere Herzen weit weg sein und uns abseits des Weges führen können. Denken wir an die vielen Arten von Korruption, die es im priesterlichen Leben gibt. So kann zum Beispiel das Purpurrot des Kardinalsgewandes, das für die Farbe des Blutes steht, für den weltlichen Geist zu einer eminenten Auszeichnung werden - und dann bist du nicht mehr der Priester, der dem Volk nahe ist, und du fühlst dich nur noch als Eminenz. Und wenn du es so empfindest, dann bist du schon abseits des Weges.
In dieser Erzählung des Evangeliums fällt immer wieder der scharfe Kontrast zwischen Jesus und den Jüngern auf. Jesus weiß um ihn, er kennt und erträgt ihn. Aber der Kontrast bleibt: er auf dem Weg, sie abseits des Weges. Zwei unvereinbare Wege. Tatsächlich kann nur der Herr seine Freunde retten, die orientierungslos sind und Gefahr laufen, verloren zu gehen, nur sein Kreuz und seine Auferstehung. Für sie, wie auch für alle, geht er nach Jerusalem hinauf. Für sie und für alle wird er seinen Leib brechen und sein Blut vergießen. Für sie und für alle wird er von den Toten auferstehen, und durch die Gabe des Geistes wird er ihnen vergeben und sie verwandeln. Er wird sie endlich auf seinen Weg führen.
Der heilige Markus – wie auch Matthäus und Lukas – hat diese Erzählung in sein Evangelium aufgenommen, weil sie ein heilbringendes Wort ist, das die Kirche zu allen Zeiten braucht. Auch wenn darin die Zwölf eine schlechte Figur machen, ist dieser Text in den Schriftkanon eingegangen, weil er die Wahrheit über Jesus und über uns erkennen lässt. Es ist auch für uns heute ein heilbringendes Wort. Auch wir – Papst und Kardinäle – müssen uns immer in diesem Wort der Wahrheit widerspiegeln. Es ist ein scharfes Schwert, es schneidet uns, es ist schmerzlich, aber gleichzeitig heilt, befreit, bekehrt es uns. Bekehrung ist genau das: von abseits des Weges zurück auf den Weg Gottes zu gehen.
Möge der Heilige Geist uns heute und immer diese Gnade schenken.
(vatican news)
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