Angelus mit Papst Franziskus: Die Katechese im Wortlaut

Hier können Sie die Katechese des Papstes beim Mittagsgebet an diesem Sonntag in einer Arbeitsübersetzung lesen. Auf www.vatican.va finden Sie in Kürze wie üblich die endgültige und offizielle deutsche Fassung des Textes.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!

Die im Evangelium der heutigen Liturgie beschriebene Szene spielt im Inneren des Tempels in Jerusalem. Jesus schaut sich an, was an diesem heiligsten aller Orte vor sich geht, und sieht, wie die Schriftgelehrten gerne umhergehen, um bemerkt, gegrüßt und verehrt zu werden und Ehrenplätze zu erhalten. Und Jesus fügt hinzu: „Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete“ (Mk 12,40). Gleichzeitig fällt sein Blick auf eine andere Szene: Eine arme Witwe, die zu denen gehört, die von den Mächtigen ausgebeutet werden, wirft „alles, was besaß“ (V. 44), in den Opferstock des Tempels. Das Evangelium stellt uns diesen krassen Gegensatz vor Augen: die Reichen, die ihren Überschuss geben, um gesehen zu werden, und eine arme Frau, die, ohne Aufsehen, das Wenige, das sie hat, anbietet. Zwei Symbole für menschliches Verhalten.

Jesus schaut sich die beiden Szenen an. Und es ist genau dieses Verb – „sehen“ -, das seine Lehre zusammenfasst: Vor denen, die den Glauben mit Doppelzüngigkeit leben, wie die Schriftgelehrten, müssen wir uns „vorsehen“, um nicht wie sie zu werden; während wir die Witwe „ansehen“ müssen, um sie als Vorbild zu nehmen. Hüten wir uns vor den Scheinheiligen und schauen wir auf die arme Witwe.

Hütet euch vor allem vor den Scheinheiligen, das heißt, sich davor hüten, das Leben auf den Kult des Scheins, der Äußerlichkeit, auf die übertriebene Pflege des Ansehens zu gründen. Und vor allem sollten wir darauf achten, dass wir den Glauben nicht unseren eigenen Interessen unterordnen. Diese Schriftgelehrten deckten unter dem Namen Gottes ihre eigene Prahlerei und, was noch schlimmer war, sie benutzten die Religion, um ihre Geschäfte zu machen, missbrauchten ihre Autorität und beuteten die Armen aus. Hier sehen wir dieses häßliche Verhalten, das wir auch heute an so vielen Orten sehen, an vielen Orten, den Klerikalismus, das über den Demütigen stehen, sie ausbeuten, knüppeln, sich perfekt fühlen. Das ist das Übel des Klerikalismus. Es ist eine Warnung für alle Zeiten und für jeden, für die Kirche und für die Gesellschaft: Nutze niemals deine Stellung aus, um andere zu erdrücken, verdiene niemals zu Lasten der Schwächsten! Und lasst uns wachsam sein, damit wir nicht der Eitelkeit verfallen, damit wir nicht auf den Schein fixiert sind, das Wesentliche verlieren und in Oberflächlichkeit leben. Fragen wir uns, das wird uns helfen: Wollen wir mit dem, was wir sagen und tun, geschätzt und befriedigt werden, oder wollen wir Gott und dem Nächsten, vor allem den Schwächsten, einen Dienst erweisen? Hüten wir uns vor den Unwahrheiten des Herzens, vor der Scheinheiligkeit, die eine gefährliche Krankheit der Seele ist! (...)

Und um von dieser Krankheit zu heilen, lädt Jesus uns ein, die arme Witwe zu betrachten. Der Herr prangert die Ausbeutung dieser Frau an, die, um das Opfer zu bringen, nach Hause zurückkehren muss, ohne das Wenige, das sie zum Leben hat. Wie wichtig ist es, das Heilige von seiner Bindung an das Geld zu befreien! Schon Jesus hatte das an anderer Stelle gesagt, man kann nicht zwei herren dienen. Entweder dienst du Gott - und wir denken, dass er sagt, oder den Teufel, aber nein, er sagt entweder Gott oder das Geld. Es ist ein Herr und Jesus sagt, dass wir ihm nicht dienen dürfen. Aber gleichzeitig lobt Jesus die Tatsache, dass diese Witwe alles, was sie hat, in den Opferstock wirft. Sie hat nichts mehr, aber sie findet alles in Gott. Sie hat keine Angst, das Wenige, das sie hat, zu verlieren, denn sie vertraut auf Gottes Überfluss, der die Freude der Geber vervielfacht. (...) Jesus schlägt sie als Lehrmeisterin des Glaubens vor: Sie geht nicht in den Tempel, um ihr Gewissen zu beruhigen, sie betet nicht, um gesehen zu werden, sie stellt ihren Glauben nicht zur Schau, sondern gibt von Herzen, mit Großzügigkeit und Unentgeltlichkeit. Ihre Münzen klingen schöner als die großen Opfergaben der Reichen, denn sie drücken ein Leben aus, das Gott aufrichtig gewidmet ist, einen Glauben, der nicht von Äußerlichkeiten lebt, sondern von bedingungslosem Vertrauen. Lasst uns von ihr lernen: ein Glaube ohne äußeres Drumherum, aber innerlich aufrichtig; ein Glaube, der aus demütiger Liebe zu Gott und zu unseren Brüdern und Schwestern besteht.

Und nun wenden wir uns der Jungfrau Maria zu, die mit einem demütigen und transparenten Herzen ihr ganzes Leben Gott und seinem Volk zum Geschenk gemacht hat.

(vatican news - cs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

07. November 2021, 12:23

Das Angelus ist ein Gebet, dass in Erinnerung an das ewige Geheimnis der Menschwerdung drei Mal am Tag gebetet wird: 6 Uhr morgens, am Mittag und am Abend gegen 18 Uhr, jeweils wenn die Glocken zum Angelusgebet rufen.
Der Name ‚Angelus‘ stammt aus dem ersten Vers der lateinischen Version des Gebets - Angelus Domini nuntiavit Mariae. Es besteht aus der Lesung von drei schlichten Texten, bei denen es um die Menschwerdung Jesu Christi geht, gefolgt jeweils von einem Ave Maria.
Dieses Gebet wird vom Papst auf dem Petersplatz sonntags mittags und an Hochfesten gebetet. Direkt vor dem Gebet legt der Papst kurz die Lesungen des Tages aus. Nach dem Gebet folgen Grüße an die Pilger.
Von Ostern bis Pfingsten wird an Stelle des Angelusgebets das Regina Coeli gebetet, das an die Auferstehung Jesu Christi erinnert. Zum Abschluss dieses Gebets wird das „Ehre sei dem Vater“ drei Mal gesprochen.

Gebet des Angelus / Regina Coeli mit Papst

Alles lesen >