Der Papst in der Apostolischen Bibliothek Der Papst in der Apostolischen Bibliothek 

Papst: Kulturen werden krank, wenn sie andere ausschließen

Ein Plädoyer für Offenheit und Weltzugewandtheit hielt Papst Franziskus an diesem Freitagabend vor den Besuchern der Ausstellung eines zeitgenössischen Künstlers, die in einem neu eröffneten Saal der Vatikanbibliothek zu besichtigen ist.

Christine Seuss - Vatikanstadt

In Zukunft werden in diesem Raum immer wieder öffentlich zugängliche Ausstellungen zu sehen sein. Papst Franziskus persönlich hielt bei der Eröffnung der ersten Ausstellung mit Werken des zeitgenössischen römischen Künstlers Pietro Ruffo eine Ansprache, in der er den Lobpreis der Schönheit mit einem konkreten Arbeitsauftrag für die Apostolische Bibliothek verband.

Schönheit, das werde schon in der Bibel deutlich, sei keineswegs „die flüchtige Illusion einer Erscheinung oder eines Ornaments“, betonte Franziskus bei dieser Gelegenheit. Vielmehr entspringe sie der „Wurzel von Güte, Wahrheit und Gerechtigkeit“, die ihre „Synonyme“ seien.

„Aber wir dürfen es nicht versäumen, an die Schönheit zu denken und von ihr zu sprechen, denn das menschliche Herz braucht nicht nur Brot, es braucht nicht nur das, was sein unmittelbares Überleben sichert: Es braucht auch Kultur, das, was die Seele berührt, was den Menschen seiner tiefen Würde näher bringt. Deshalb muss die Kirche Zeugnis ablegen von der Bedeutung der Schönheit und der Kultur, im Dialog mit dem besonderen Durst nach dem Unendlichen, der den Menschen ausmacht.“

„Es braucht auch Kultur, das, was die Seele berührt, was den Menschen seiner tiefen Würde näher bringt“

Die Einrichtung des Raumes, der in Zukunft den öffentlich zugänglichen Ausstellungen gewidmet sein soll, war insbesondere durch die Spende von Erben des amerikanischen Multimilliardärs Kirk Kerkorian möglich gemacht worden. Ohne sie namentlich zu nennen, dankte Franziskus den Spendern, ebenso wie denjenigen, die mit „architektonischer“ und „wissenschaftlicher“ Sorgfalt an der Gestaltung des Raumes mitgearbeitet hatten. Die Eröffnungsausstellung wiederum stand unter einem Überbegriff, der dem Papst am Herzen liegt: Eine Reflexion über die Enzyklika Fratelli tutti, verdeutlicht durch den Dialog von Werken der Bibliothek und den Werken des Künstlers.

„Ich schätze diese Herausforderung, einen Dialog zu schaffen“, würdigte Franziskus den Ansatz. „Das Leben ist die Kunst der Begegnung. Kulturen erkranken, wenn sie selbstreferenziell werden, wenn sie ihre Neugier und ihre Offenheit für den anderen verlieren. Wenn sie ausgrenzen, anstatt zu integrieren. Welchen Vorteil haben wir, wenn wir uns zu Hütern der Grenzen machen, anstatt zu Hütern unserer Brüder und Schwestern?“ Die Frage, die Gott immer wieder an uns richte, laute: „Wo ist dein Bruder?“, so der Papst mit Blick auf das Buch Genesis (vgl. Gen 4,9).

„Die Welt braucht neue Karten“

„Liebe Freunde, die Welt braucht neue Karten“, betonte Franziskus weiter in einer Anspielung auf den roten Faden der Ausstellung, in der wertvolle antike Weltkarten sowie deren Neuinterpretationen durch den Künstler, aber auch „nicht-geografische Kartografie“, oder mit Worten der Veranstalter, „allegorische, theologische, satirische und sentimentale Karten“, versammelt sind: „In diesem epochalen Wandel, den die Pandemie beschleunigt hat, braucht die Menschheit neue Karten, um die Bedeutung von Geschwisterlichkeit, sozialer Freundschaft und Gemeinwohl zu entdecken“, schlug Franziskus anschließend den Bogen zu den Oberthemen, unter denen seine Enzyklika Fratelli tutti steht.

„Die Logik der geschlossenen Blöcke ist steril und voller Missverständnisse. Wir brauchen eine neue Schönheit, die nicht mehr das übliche Spiegelbild der Macht einiger weniger ist, sondern das mutige Mosaik der Vielfalt aller. Sie darf nicht der Spiegel eines despotischen Anthropozentrismus sein, sondern ein neuer Gesang der Kreaturen, in dem eine integrale Ökologie echte Konkretheit findet.“

„Wir brauchen eine neue Schönheit, die nicht mehr das übliche Spiegelbild der Macht einiger weniger ist, sondern das mutige Mosaik der Vielfalt aller“

Von Beginn seines Pontifikates an habe er die Kirche aufgerufen, zu einer „Kirche im Aufbruch“ (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium, 20-24) und zu einer „Protagonistin der Kultur der Begegnung“ zu werden. Gleiches gelte auch für die Bibliothek, so der Papst: „Sie dient der Kirche umso mehr, wenn sie nicht nur die Vergangenheit bewahrt, sondern es auch wagt, eine Grenzgängerin der Gegenwart und der Zukunft zu sein.“

Es gelte nun, gemeinsam von „neuen Karten" träumen, schwor der Papst „seine“ Bibliothek darauf ein, den Herausforderungen der Zukunft entgegenzutreten. Dabei denke er vor allem an Digitalisierung, aber auch daran, das historische Erbe für moderne Generationen zugänglich zu machen: „Dies ist eine historische Herausforderung, der wir uns mit Weisheit und Mut stellen müssen. Ich verlasse mich darauf, dass die Apostolische Bibliothek das Erbe des Christentums und den Reichtum des Humanismus in die Sprachen von heute und morgen übersetzt.“

Ausstellung nach Anmeldung öffentlich zugänglich

Die Ausstellung „Tutti. Umanità in Cammino” (zu Deutsch etwa: Alle. Die Menschheit auf dem Weg) des römischen Künstlers Pietro Ruffo ist bis zum 25. Februar 2022 jeweils dienstags und mittwochs von 16 bis 18 Uhr nach vorheriger Anmeldung auf der Website der Bibliothek (https://www.vaticanlibrary.va) zu besuchen.

(vatican news)

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05. November 2021, 17:46