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Papst: Migrationsdebatte dreht sich nicht wirklich um Migranten

Wir sollten Migranten nicht als Zahlen und Nummern betrachten, sondern ihnen als Menschen begegnen, ihre Gesichter sehen, ihre Geschichten anhören und versuchen, so gut wie möglich auf ihre persönliche und familiäre Situation einzugehen. Darauf drängt Papst Franziskus in einer Videobotschaft anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Internationalen Organisation für Migration in Genf.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Er wolle der Internationalen Organisation für Migration zu ihrem 70-jährigen Bestehen gratulieren, so der Papst in einer Botschaft, die von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einem Video verlesen wurde. Das Video wurde an diesem Montagnachmittag in Genf bei einer Feierstunde gezeigt. Der Geburtstag der Organisation biete trotz der zahlreichen Herausforderungen, die die COVID-19-Pandemie mit sich bringe, die Gelegenheit, „die Vision und unser Engagement durch eine würdigere Reaktion auf das Migrationsphänomen zu erneuern“, so Franziskus.

In der Migrationsdebatte gehe es nicht wirklich um Migranten, stellte das katholische Kirchenoberhaupt fest.

„In den meisten großen religiösen Traditionen, einschließlich dem Christentum, finden wir die Aufforderung, andere so zu behandeln, wie wir selbst behandelt werden möchten, und unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst. Viele religiöse Lehren bestehen darauf, dass wir über diesen Standard hinausgehen und die Gastfreundschaft gegenüber dem Fremden nicht vernachlässigen, ,denn durch sie sind einige von Engeln besucht worden, ohne es zu wissen' (Hebr 13,12). Diese universell anerkannten Werte sollten unseren Umgang mit Migranten auf der örtlichen und auf nationaler Ebene leiten.“

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Doppelmoral

Leider herrsche vielerorts eine Doppelmoral, die darauf zurückzuführen sei, dass wirtschaftliche Interessen Vorrang vor den Bedürfnissen und der Würde der menschlichen Person hätten. Besonders deutlich sei diese Tendenz während der COVID-19-„Schließungen“ zu sehen gewesen, als viele der „unentbehrlichen“ Arbeitskräfte zwar Migranten waren, aber nicht in den Genuss der finanziellen Hilfsprogramme von COVID kamen und keinen Zugang zur medizinischen Grundversorgung oder zu COVID-Impfungen erhalten hätten, kritisierte der Papst.

„Je mehr legale Wege es gibt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Migranten in die kriminellen Netze von Menschenschmugglern hineingezogen werden.“

„Es ist dringend notwendig, menschenwürdige Auswege aus irregulären Situationen zu finden. Verzweiflung und Hoffnung haben immer Vorrang vor restriktiven Maßnahmen. Je mehr legale Wege es gibt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Migranten in die kriminellen Netze von Menschenschmugglern hineingezogen oder bei der Schleusung ausgebeutet und missbraucht werden.“

Eine zweite Anmerkung des Papstes betraf die Sichtbarkeit von Migranten. Sie seien mit der gesamten Menschheitsfamilie verbunden, hob Franziskus hervor, und sie seien ein Reichtum der Kulturen und eine Ressource für Entwicklungsaustausch und Handelsnetze. „In diesem Sinne ist die Frage der Integration von grundlegender Bedeutung; Integration bedeutet einen zweiseitigen Prozess, der auf gegenseitigem Wissen, gegenseitiger Offenheit, Respekt vor den Gesetzen und der Kultur des Gastlandes in einem echten Geist der Begegnung und gegenseitiger Bereicherung beruht“, so der Papst.

An vorderster Front
An vorderster Front

Eine dritte Anmerkung sei, dass Wanderarbeitnehmer ein wichtiger Bestandteil von Gemeinschaften in unserer globalisierten Welt geworden seien. Doch in zu vielen Ländern würden ihnen die Vorteile und die Stabilität eines Familienlebens aufgrund rechtlicher Hindernisse vorenthalten:

„Die menschliche Leere, die zurückbleibt, wenn ein Elternteil allein auswandert, ist eine deutliche Erinnerung an das lähmende Dilemma, das darin besteht, sich entscheiden zu müssen, ob man auswandert, um seine Familie zu ernähren, oder ob man das Grundrecht genießt, in seinem Herkunftsland in Würde zu bleiben.“

Bessere wirtschaftliche und soziale Bedigungen schaffen

Und schließlich ging der Papst auf einen vierten Punkt ein: Die internationale Gemeinschaft müsse sich dringend mit den Bedingungen befassen, die zu irregulärer Migration führen, damit Migration zu einer bewussten Entscheidung und nicht zu einer verzweifelten Notwendigkeit werde. „Da die meisten Menschen, die in ihren Herkunftsländern ein menschenwürdiges Leben führen können, sich nicht gezwungen sehen würden, irregulär zu migrieren, sind dringend Anstrengungen erforderlich, um bessere wirtschaftliche und soziale Bedingungen zu schaffen, damit Migration nicht die einzige Option für diejenigen ist, die Frieden, Gerechtigkeit, Sicherheit und die volle Achtung der Menschenwürde suchen.“

Letztlich sei Migration nicht nur eine Geschichte von Migranten, sondern auch von Ungleichheit, Verzweiflung, Umweltzerstörung und Klimawandel. Von Träumen, Mut, Auslandsstudium, Familienzusammenführung, neuen Möglichkeiten. Und nicht zuletzt von harter, aber menschenwürdiger Arbeit.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ist eine weltweite und völkerrechtliche Organisation der UNO, die auf nationaler und zwischenstaatlicher Ebene operationale Hilfsprogramme für Migranten durchführt. 173 Staaten sind Mitglieder.

(vatican news)

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29. November 2021, 15:13