Fake News zu Corona: Papst beklagt „Infodemie“
Anne Preckel - Vatikanstadt
Dieses Stichwort nannte der Papst am Freitag im Vatikan bei einer Audienz für Vertreter des internationalen Konsortiums „Catholic Fact-Checking“: „Wir können nicht verschweigen, dass sich in dieser Zeit neben der Pandemie auch die ,Infodemie‘ ausbreitet, d. h. die auf Angst basierende Verzerrung der Realität, die in der globalen Gesellschaft Widerhall findet und gefälschte, wenn nicht gar erfundene Nachrichten kommentiert.“
Für eine wissensbasierte Kommunikation
Um Fake News im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie entgegenzuwirken, sollten christliche Kommunikatoren ihre Kräfte bündeln und eng mit der Wissenschaft zusammenarbeiten, regte der Papst an. Dem internationalen Konsortium „Catholic Fact-Checking“ dankte er bei der Audienz für eben jenen Ansatz: Das Netzwerk aus katholischen Medien, Nachrichtenagenturen und Wissenschaftlern hat es sich eigenen Angaben nach zum Ziel gesetzt, „falsche oder verwirrende Nachrichten über Covid-19-Impfstoffe in den christlichen Gemeinschaften aufzuklären“.
Papst Franziskus erwähnte in seiner Ansprache insbesondere „bestimmte Desinformationen, die im Internet kursieren“. Die Verzerrung von Wirklichkeit habe auch mit der „Vervielfältigung und Überschneidung von Informationen, Kommentaren und so genannten ,wissenschaftlichen‘ Stellungnahmen“ zu tun, analysierte er. Franziskus rief vor diesem Hintergrund zu einem wachsamen Umgang mit Informationen auf: „Wir sollten nicht müde werden, die Nachrichten zu überprüfen, die Daten richtig darzustellen und immer auf der Hut zu sein“, appellierte er.
Neben einer aufmerksamen und kritischen Bewertung von Quellen sei auch die Einordnung von Informationen wesentlich, wandte er sich weiter an seine Zuhörer. Ursachen und Umstände des Berichteten müssten berücksichtigt werden, auch brauche es ein Bewusstsein um die Unterscheidung von Sachinformation und Kommentar.
Mechanismen wie Algorithmen brauchen ein ethisches Korrektiv
Als Aufgabe christlicher Kommunikatoren sieht der Papst im Übrigen auch, sich einer rein kommerziellen Logik der Kommunikation entgegenzustellen. Explizit warnte Franziskus vor dem Mechanismus der Algorithmen im Internet, der heute die Ökonomie der Aufmerksamkeit wesentlich formt – und deformiert.
„Die Suche nach der Wahrheit darf nicht einer kommerziellen Perspektive, den Interessen der Mächtigen, den großen wirtschaftlichen Interessen unterworfen werden. Nein. Gemeinsam für die Wahrheit einzutreten bedeutet auch, ein Gegenmittel gegen Algorithmen zu finden, die auf die Maximierung des kommerziellen Gewinns ausgerichtet sind, und eine informierte, gerechte, gesunde und nachhaltige Gesellschaft zu fördern. Ohne ein ethisches Korrektiv schaffen diese Instrumente ein extremistisches Umfeld und führen Menschen zu einer gefährlichen Radikalisierung - und das ist ein Konflikt“, analysierte der Papst scharfsinnig.
Exakte Infos und Wissenszugang – ein Menschenrecht
Richtig informiert zu sein und Zusammenhänge verstehen zu können, sei ein „Menschenrecht“, machte der Papst deutlich. Das gelte auch für das Teilen von Fachwissen und den gerechten Zugang zu Impfstoffen gegen das Corona-Virus, der allen Ländern der Welt gleichermaßen ermöglicht werden sollte. Gerade in der Corona-Pandemie hätten Christen den Auftrag, ihr Wissen und Wirken zugunsten des Gemeinwohls und zugunsten „der Schwächsten“ zu bündeln, bekräftigte der Papst einmal mehr.
Dazu gehört laut Papst Franziskus grundsätzlich das Leitwort des „gemeinsam für“, nämlich „dass wir als Christen gegen Ungerechtigkeit und Lüge, aber immer für die Menschen sind.“ Er führte dann differenziert aus, was er damit meint. Aufklärerisches Wirken dürfe weder in Wissenschaftshörigkeit noch in Überlegenheitsgefühle ausarten, so Franziskus – das eine seien Wissen und Nachrichten, das andere die Menschen. Christliche Kommunikatoren sollten in diesem Kontext immer versuchen, „Brücken zu bauen“.
Brücken bauen und das Gespräch suchen
„Fake News müssen bekämpft werden, aber wir müssen immer die Menschen respektieren, die ihnen oft ohne volles Wissen und Verantwortung folgen. Der christliche Kommunikator macht sich den Stil des Evangeliums zu eigen, baut Brücken, ist ein Handwerker des Friedens, auch und vor allem auf der Suche nach der Wahrheit. Er stellt sich nicht gegen die Menschen, er nimmt keine Überlegenheitshaltung ein, er vereinfacht die Wirklichkeit nicht, um nicht in einen wissenschaftlichen Fideismus zu verfallen. (…) Wir müssen die Zweifel, Ängste und Fragen der Menschen respektieren und versuchen, sie zu begleiten, ohne ihnen jemals mit Herablassung zu begegnen. Mit den Zweiflern sprechen, nicht wahr?“
Franziskus empfahl, im Gespräch mit solchen „Zweiflern“ auf „Fragen und Einwände“ einzugehen, „ruhig und vernünftig zu antworten“ und Vereinfachungen zu vermeiden. Statt kommunikativ Gräben zu vertiefen oder Lager zu bilden, gelte es in der Pandemie-Notlage gemeinsam den Blick auf das zu richten, was wirklich zählt – „die Notwendigkeit, uns gemeinsam zu retten“ und die Welt „gemeinsam zu heilen“:
„Lassen Sie niemals zu, dass eine Krise zu einem Konflikt wird“, schärfte der Papst ein: „Nein: Es ist eine Krise. Wir befinden uns in einer Krise. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, aus dieser Situation herauszukommen.“
- aktualisiert um 12:37 Uhr -
(vatican news - pr)
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