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Papst: Geistige Sensibilität des Alters hilft uns allen

In seiner fünften Katechese über das Thema Ältersein ist Papst Franziskus an diesem Mittwoch bei der Generalaudienz auf die Weisheit der älteren Menschen eingegangen. Ausgehend von der biblischen Geschichte über Simeon und Hanna sagte das Kirchenoberhaupt in der Audienzhalle, dass es sich mehr lohne, „Zeugen des Glaubens“ zu sein statt auf alle Kosten die Protagonisten spielen zu wollen.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Es sei ein feinfühliges Bild, das der Evangelist Lukas uns anbiete. Das sind zwei alte Menschen, Simeon und Hanna, und bevor sie sterben, haben sie noch das „Glück“ Jesus, den Messias, kennen zu lernen. „Beide erkennen in dem Kind Jesus die Gegenwart des Herrn, der ihr langes Warten mit Trost erfüllt und ihnen den Abschied vom Leben erleichtert. Es ist eine Szene der Begegnung mit Jesus und des Abschieds“, erläuterte der Papst.

Zum Nachhören - was der Papst bei der Audienz sagte

Daraus lerne man, dass die Treue des Wartens die Sinne schärfe. Und das tue der Heilige Geist mit uns, nämlich die Sinne zu erleuchten. Der Heilige Geist sei dazu in der Lage, so Franziskus:

„Er schärft die Sinne der Seele, trotz der Begrenzungen und Wunden der körperlichen Sinne. Das Alter schwächt auf die eine oder andere Weise die Sensibilität des Körpers: der eine wird blinder, der andere tauber.... Aber ein Alter, das sich in der Erwartung des Besuchs Gottes geübt hat, wird sein Vorbeikommen nicht verpassen, sondern es wird auch sensibler dafür sein, den Herrn zu empfangen, wenn er vorbeikommt. Erinnern wir uns daran, dass die Haltung eines Christen darin besteht, achtsam zu sein für die Besuche des Herrn, denn der Herr kommt mit Inspirationen, mit der Aufforderung, bessere Menschen zu werden, in unser Leben.“

Der Papst bei der Generalaudienz
Der Papst bei der Generalaudienz

Dann zitierte der Papst einen Kirchenvater, den sein Vorgänger Benedikt XVI. immer wieder gerne einbrachte, den heiligen Augustinus. Dieser pflegte zu sagen: „Ich fürchte mich davor, dass Gott vorbeikommt“ – „Aber warum diese Furcht?“ – „Ich fürchte, es nicht zu bemerken und ihn vorbeigehen zu lassen.“ Es sei der Heilige Geist, der unsere Sinne darauf vorbereite, zu verstehen, wann der Herr uns besucht, wie er es bei Simeon und Hanna getan habe, fügte Franziskus an.

Die Zeichen Gottes erkennen

Es sei wichtig und löblich, dass man im Alter in der Lage sei, die Zeichen Gottes zu erkennen. Denn in jungen Jahren und gerade in der heutigen Gesellschaft sei das ein Problem, die Sinne seien betäubt und viele verstünden nicht, was um sie herum geschehe. Der Papst erläuterte das genauer: „Die inneren Sinne, die Sinne des Geistes, die uns die Gegenwart Gottes oder die Gegenwart des Bösen erkennen lassen, sind betäubt, können nicht unterscheiden.“

„In einer Gesellschaft, die Sensibilität vor allem um des Vergnügens willen ausübt, kann es nur zu einem Verlust der Aufmerksamkeit für das Schwache kommen, und es herrscht der Wettbewerb der Gewinner.“

Er ging dann genauer auf die „Sensibilität der Seele“ ein. Dabei handele es sich um das Mitgefühl und das Mitleid, die Scham und die Reue, die Loyalität und die Hingabe, die Zärtlichkeit und die Ehre, die Selbstverantwortung und die Sorge um andere. „Die betäubten geistigen Sinne vermischen alles, und man spürt diese Dinge geistig nicht. Und das Alter wird sozusagen das erste Opfer dieses Sensibilitätsverlustes. In einer Gesellschaft, die Sensibilität vor allem um des Vergnügens willen ausübt, kann es nur zu einem Verlust der Aufmerksamkeit für das Schwache kommen, und es herrscht der Wettbewerb der Gewinner“, so der Papst in seiner Katechese. Die Rhetorik der Inklusion gehöre zur rituellen Formel eines jeden politisch korrekten Diskurses. Doch eine wirkliche Korrektur der Praktiken des normalen Zusammenlebens sei damit noch nicht verbunden: „Eine Kultur der sozialen Zärtlichkeit ist nur schwer zu entwickeln. Der Geist der menschlichen Geschwisterlichkeit - der, wie ich meine, mit Nachdruck neu gefördert werden muss - ist wie ein aussortiertes Kleid, das man bewundern kann, aber in einem Museum. Man verliert die menschliche Sensibilität, diese Bewegungen des Geistes, die uns menschlich machen.“

Der Papst bei der Generalaudienz
Der Papst bei der Generalaudienz

Aus der Geschichte von Simeon und Hanna könne man also die Lehre ziehen, auf die älteren Menschen zu hören, mit ihnen zu sprechen und so ihre Sensibilität zu übernehmen. Sei seien vor allem Zeugen des Glaubens und nicht die Protagonisten der Erzählung gewesen, so der Papst weiter.

Nie die Reife erlangen

„Wenn man aber immer nur Protagonist sein will, dann wird man nie die Reife erlangen, die uns auf den Weg zur Fülle des Alters führt. Dann wird Gott nicht in ihrem Leben Gestalt annehmen, dann werden sie auf der Bühne nicht die Rolle der Retter spielen, dann wird Gott nicht in ihrer Generation, sondern in der kommenden Generation Fleisch. Sie verlieren den Geist, sie verlieren den Willen, mit Reife zu leben, und sie leben, wie man so schön sagt, oberflächlich. Es ist die große Generation der Oberflächlichen; derer, die sich nicht erlauben, die Dinge mit der Sensibilität des Geistes zu spüren. Aber warum erlauben sie es sich nicht? Zum Teil aus Faulheit, zum Teil, weil sie es ohnehin nicht können: Sie haben diese Fähigkeit verloren. Es ist hässlich, wenn eine Zivilisation die Sensibilität des Geistes verliert. Stattdessen ist es schön, wenn wir ältere Menschen wie Simeon und Hanna sehen, die sich diese Sensibilität des Geistes bewahrt haben und in der Lage sind, verschiedene Situationen zu verstehen, so wie diese beiden die Situation verstanden haben, die sich ihnen gestellt hat, nämlich die Manifestation des Messias.“

Die geistige Sensibilität des Alters sei somit in der Lage, „den Wettbewerb und den Konflikt“ zwischen den Generationen „glaubwürdig und endgültig“ aufzulösen, schloss der Papst seine Überlegungen ab. Das sei eigentlich für Menschen unmöglich, aber für Gott möglich. „Und wir brauchen sie heute so sehr, diese Sensibilität des Geistes, diese Reife des Geistes. Wir brauchen weise ältere Menschen, die reif sind im Geist und uns Hoffnung schenken für das Leben“, sagte der Papst am Ende seiner Katechese.

(vatican news)

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30. März 2022, 11:30

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