Papst beim Angelus: der Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Das heutige Tagesevangelium endet mit einer besorgten Frage Jesu: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ (Lk 18,8). Als wollte er sagen: Wenn ich am Ende der Geschichte komme – aber, so könnte man meinen, auch jetzt, in diesem Moment unseres Lebens – werde ich dann bei euch, in eurer Welt, noch ein bisschen Glauben vorfinden? Es ist eine ernste Frage. Stellen wir uns vor, der Herr käme heute auf die Erde: Er würde leider so viele Kriege, Armut und Ungleichheit sehen, und gleichzeitig große technische Errungenschaften, moderne Fortbewegungsmittel und Menschen, die immer hin- und herhetzen, ohne jemals innezuhalten. Aber würde er auch jemanden finden, der ihm Zeit und Liebe schenkt, ihn an die erste Stelle setzt? Vor allem aber sollten wir uns fragen: Was würde er in mir, in meinem Leben, in meinem Herzen finden? Welche Prioritäten würde er sehen?
Wir konzentrieren uns oft auf so viele dringende, aber unnötige Dinge. Wir kümmern und sorgen uns um so viele zweitrangige Dinge; und vernachlässigen – vielleicht ohne es zu merken – das, was am wichtigsten ist, und lassen unsere Liebe zu Gott erkalten. Heute bietet uns Jesus das Mittel dafür an, einen lauwarm gewordenen Glauben wieder aufzuwärmen. Und was ist das? Das Gebet. Ja, das Gebet ist die Medizin des Glaubens, das Stärkungsmittel für die Seele. Es muss aber ein ständiges Gebet sein. Wenn wir eine Kur machen, um gesund zu werden, ist es wichtig, dass wir sie auch einhalten, dass wir die Medikamente auf die richtige Art und Weise und zur richtigen Zeit, mit Beständigkeit und Regelmäßigkeit einnehmen. Und das gilt für alle Bereiche des Lebens. Denken wir an eine Pflanze, die wir in unserer Wohnung haben: Wir müssen sie ständig gießen, wir können sie nicht „überschwemmen“ und ihr dann wochenlang kein Wasser geben! Und das gilt erst recht für das Gebet: Wir können nicht nur von starken Momenten oder intensiven Begegnungen leben und dann „in den Winterschlaf gehen“. Unser Glaube wird austrocknen. Wir brauchen das tägliche Wasser des Gebets, eine Zeit, die Gott gewidmet ist, damit er in unsere Zeit eintreten kann; immer wiederkehrende Momente, in denen wir ihm unser Herz öffnen, damit er jeden Tag Liebe, Frieden, Freude, Kraft, Hoffnung in uns gießen – also unseren Glauben nähren kann.
Deshalb fordert Jesus heute seine Jünger – alle, nicht nur einige! – auf, „allzeit zu beten, und darin nicht nachzulassen“ (V. 1). Aber da man könnte einwenden: „Wie soll ich das tun? Ich lebe nicht in einem Kloster, ich habe nicht viel Zeit zum Beten!“. Eine weise spirituelle Praxis kann uns helfen, auch wenn sie heute etwas in Vergessenheit geraten ist. Eine Praxis, die die alten Menschen, vor allem die Großmütter, gut kennen: das so genannte Stoßgebet. Der Name ist ein bisschen veraltet, aber die Substanz ist gut. Was sind Stoßgebete? Sehr kurze, leicht auswendig zu lernende Gebete, die wir im Laufe des Tages bei verschiedenen Tätigkeiten wiederholen können, um mit dem Herrn verbunden zu bleiben. Hier ein paar Beispiele. Gleich nach dem Aufwachen können wir sagen: „Herr, ich danke dir und bringe dir diesen Tag dar“; dann, bevor wir etwas tun, könnten wir beten: „Komm, Heiliger Geist“. Und zwischen einer und der anderen Sache, die wir zu erledigen haben, können wir folgendes Gebet sprechen: „Jesus, ich vertraue auf dich und ich liebe dich“. Wie oft schicken wir den Menschen, die wir lieben, kleine Botschaften! Lasst uns das auch mit dem Herrn tun, damit das Herz mit ihm verbunden bleibt. Und wir sollten auch nicht vergessen, seine Antworten zu lesen! Wo finden wir sie? Im Evangelium, das wir immer zur Hand haben und jeden Tag aufschlagen sollten, damit wir ein Wort des Lebens empfangen können, das an uns gerichtet ist.
Möge uns die Jungfrau Maria, die treu ist im Hören, die Kunst lehren, allzeit zu beten, ohne nachzulassen.
(vaticannews - skr)
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