Benedikt XVI. r.i.p. Benedikt XVI. r.i.p. 

Nachruf: Papst zwischen den Zeiten

„Ich gehöre nicht mehr zur alten Welt, aber die neue ist auch noch nicht wirklich da“: So beschrieb der emeritierte Papst Benedikt XVI. sich selber. Der Satz stammt aus dem Buch „Letzte Gespräche“. Er sei ein Papst „zwischen den Zeiten“ gewesen, sagte er damals. Um dann anzufügen, dass man immer erst nachträglich Zeiten und Zeitenwenden erkennen und einschätzen könne.

Es ist der zweite Teil des Satzes, der beachtlich ist. „Die neue Welt ist noch nicht da“. Es ist der Verdienst des Theologen, Kardinals und Papstes Joseph Ratzinger, sich nie mit Festlegungen auf das, was „das Neue“ ist, zufrieden zu geben. Er hat sein Leben lang gesucht, geforscht, gefragt, auch als Papst waren seine Ansprachen und Predigten von dieser Suche geprägt. Oft genug ist er damit angeeckt, auch und vielleicht besonders in der Kirche selbst.

Ein Mensch, der Gott suchte

Eine der letzten Predigten von Papst Benedikt XVI. drückt das wunderbar und bleibend aus, er spricht über die Weisen auf der Suche nach dem neugeborenen König. „Die Männer, die da ins Unbekannte ausgezogen sind, waren auf jeden Fall Menschen des unruhigen Herzens. Menschen, die die Unruhe nach Gott und nach dem Heil der Welt umtrieb. Wartende Menschen, die sich nicht begnügten mit ihrem gesicherten Einkommen und ihrer wohl ansehnlichen sozialen Stellung. Sie hielten Ausschau nach dem Größeren. Es waren wohl gelehrte Männer, die vieles von den Gestirnen wussten und wohl auch über philosophische Bildung verfügten. Aber sie wollten nicht einfach nur vieles wissen. Sie wollten vor allem das Wesentliche wissen. Sie wollten wissen, wie man es macht, ein Mensch zu sein. Und deshalb wollten sie wissen, ob es Gott gibt, wo und wie er ist. Ob er sich um uns kümmert und wie wir ihm begegnen können. Sie wollten nicht nur wissen. Sie wollten die Wahrheit über uns und über Gott und die Welt erkennen. Ihre äußere Pilgerschaft ist Ausdruck ihres inneren Unterwegsseins, der inneren Pilgerschaft ihres Herzens. Es waren Menschen, die Gott suchten und letztlich auf dem Weg zu ihm hin waren. Es waren Gottsucher.” Das hätte Joseph Ratzinger auch über sich selber gesagt.

Nehmen wir die Frage nach dem Konzil: dessen Umsetzung sei noch lange nicht fertig, es wäre schädlich, nicht weiter zu fragen und zu entdecken. „Hermeneutik der Reform“ hatte Papst Benedikt das genannt und gegen die „Hermeneutik des Bruchs“ gesetzt.

„Trotz all der Bücher, der Reden und Beiträge blieb er ein unruhiger Mensch, bis zuletzt“

Viel von dem wird uns weiter beschäftigen, seine Inspiration dazu wird uns bleiben. Er hatte als Theologe, Kardinal und Papst seinen Anteil daran, dass das Neue zu entdecken blieb. Trotz all der Bücher, der Reden und Beiträge blieb er ein unruhiger Mensch, bis zuletzt. In der bereits zitierten Predigt zum Ende seines Pontifikats spricht der damalige Papst von der inneren Pilgerschaft des Glaubens, die sich vor allem im Gebet vollziehe. Ein Gebet, das aus falscher Bequemlichkeit herausreiße und das eine Unruhe zu Gott und eine Unruhe um den Nächsten vermitteln wolle. Bis zuletzt hat er diese Unruhe im Gebet gelebt, zurückgezogen aber nicht weniger stark.

Ein prophetischer Satz

Der Satz von der alten und der neuen Welt aus dem Gesprächsbuch ist prophetisch. Er kommt unschuldig daher, wie vieles vom emeritierten Papst, vor allem in seinen geistlichen Texten und Predigten. Es hat aber eine theologische und spirituelle Dynamik. Die Zeiten wandeln sich, sie lassen sich nicht festhalten, weder in einem Neuerfinden des „Alten“, wie die Traditionalisten es gerne hätten, noch in einem Erfinden des „Neuen“, das auf Tradition und Entwicklung keine Rücksicht nimmt.

Papst emeritus Benedikt XVI. hatte eine gesunde Selbsteinschätzung, wenn er sich dazwischen platziert und doch sich selbst nicht festlegen lässt. Veränderung: das hat er erlebt und dafür steht er. War er deswegen ein Übergangspapst?

Er wird uns bleiben

Genau nicht. Weil er der Übergang war, wird er über seinen Tod hinaus Spuren hinterlassen. Übergänge sind wichtig, Joseph Ratzinger steht für die Kirche, die mit dem Konzil beginnend sich neu aufgemacht hat. Joseph Ratzinger hat dem kirchlichen, besonders dem päpstlichen Übergang seinen Stempel aufgedrückt. Die Kirche wird davon noch lange zehren können, von seinem Beispiel, von seinen Worten, von seinen Schriften.

Er war zwischen den Zeiten, aber er wird uns bleiben.

(vatican news)
 

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31. Dezember 2022, 11:44