Wortlaut: Generalaudienz von Papst Franziskus
Auf www.vatican.va, der offiziellen Internetseite des Vatikans, erscheint wie üblich in Kürze die amtliche Übersetzung.
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag, und willkommen!
Vergangenen Mittwoch haben wir eine neue Katechesereihe über die Evangelisierung, also den Eifer für die Evangelisierung, das Feuer des apostolischen Eifers, der die Kirche und jeden Christen antreiben muss, begonnen. Heute schauen wir auf das unüberwindliche Vorbild der Verkündigung: Jesus. Im Evangelium des Weihnachtstags gibt es die Definition vom „Wort bei Gott“ (vgl. Joh 1, 1). Die Tatsache, dass Gott beim Wort ist, oder das Wort ist, weist uns auf einen essentiellen Aspekt Jesu hin: Er ist immer in Beziehung, auf dem Weg, nie isoliert; das Wort existiert, um weitergegeben zu werden, kommuniziert zu werden. So ist Jesus das ewige Wort des Vaters, das sich an uns richtet. Christus hat nicht nur die Worte des Lebens, sondern er macht aus seinem Leben ein Wort: Er lebt, das heißt er ist immer auf den Vater und auf uns ausgerichtet. Immer auf den Vater schauend, der ihn gesandt hat, und auf uns, zu denen er gesandt ist.
Wenn wir uns seine Tage anschauen, die in den Evangelien beschrieben werden, sehen wir, dass an erster Stelle die innige Vertrautheit mit dem Vater steht, das Gebet, für das Jesus früh aufsteht, wenn es noch dunkel ist und an einsamen Orten betet (vgl. Mk 1, 35; LK 4, 42)... Alle Entscheidungen, auch die wichtigsten, fällt Jesus, nachdem er gebetet hat (vgl. Lk 6,12; 9,18). Gerade in dieser Beziehung, im Gebet, das ihn an den Vater im Geist bindet, entdeckt Jesus den Sinn seines menschlichen Daseins, seiner Existenz auf der Welt: Er ist zu uns gesandt, vom Vater zu uns gesandt.
Diesbezüglich ist es interessant, auf die erste Geste zu schauen, die er öffentlich tut, nach den Jahren des verborgenen Lebens in Nazareth. Jesus begeht kein großes Wunder, er verkündet keine um Effekt heischende Botschaft, sondern er mischt sich unter das Volk, das sich von Johannes taufen ließ.
So bietet er uns den Schlüssel für sein Handeln auf der Welt: Sich für die Sünder hingeben, sich mit uns solidarisieren, ohne Distanz, völlig das Leben teilend. In der Tat wird er, wenn er über seine Mission spricht, sagen, dass er nicht gekommen sei, „um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben“ (Vgl. Mk 10,45). Jeden Tag, nach dem Gebet, widmet Jesus seinen ganzen Tag der Verkündigung des Reichs Gottes an die Menschen..., besonders gegenüber den ärmsten und schwächsten, den Sündern und Kranken (vgl. Mk 1, 32-39). Jesus ist in Kontakt mit dem Vater, im Gebet, und dann mit den Leuten...
Wenn wir nun mit einem Bild seinen Lebensstil beschreiben wollen, fällt es nicht schwer eines zu finden: Jesus selbst bietet es uns an, wie wir gehört haben, wenn er von sich selbst als guter Hirte spricht, der der – so sagt er – „sein Leben für die Schafe hingibt“ (Joh 10,11). Das ist Jesus! Und tatsächlich war Hirte sein nicht nur ein Beruf, der viel Zeit brauchte und anspruchsvoll war, sondern es war wahrhaftig eine Lebensart: 24 Stunden am Tag mit der Herde leben, sie zur Weide begleiten, bei den Schafen schlafen, sich um die schwächsten kümmern... Er hat das Herz eines Hirten (vgl. Hes 34,15)...
Tatsächlich wird, um in einem Wort das Handeln der Kirche zu beschreiben, oft das Wort „pastoral“ verwendet. Und um unsere Pastoral, unsere Seelsorge, zu bewerten, müssen wir uns mit dem Modell, mit Jesus auseinandersetzen, dem Vorbild des guten Hirten. Zuerst können wir uns fragen: Nähren wir uns wie er aus der Quelle des Gebets, damit unser Herz mit seinem im Gleichklang ist? Die Vertraulichkeit mit Ihm ist, wie es in dem schönen Buch von Abt (Jean-Baptiste) Chautard heißt, „die Seele allen Apostolats“. Das hat Jesus selbst gegenüber seinen Jüngern deutlich gemacht: „Wer nicht in mir bleibt, verdorrt“ (Joh 15,5).
Wer bei Jesus ist, der entdeckt, dass sein Hirtenherz immer schlägt für alle, die sich verirrt haben, verloren und entfernt sind. Und unser Herz? ...
Wir haben das Gleichnis vom verlorenen Schaf gehört, enthalten im 15. Kapitel des Lukasevangeliums (Verse 4-7). Jesus spricht auch von der verlorenen Drachme und dem verlorenen Sohn. Wenn wir unseren apostolischen Eifer fördern wollen, sollten wir das 15. Kapitel des Lukasevangelium wirklich immer vor Augen haben. Lest es häufig! Dort entdecken wir, was apostolischer Eifer ist. Dort entdecken wir, dass Gott nicht einfach nur da steht und seine eingezäunte Herde betrachtet und sie auch nicht bedroht, damit sie nicht wegläuft. Vielmehr ist es so, wenn ein Schaf ausbricht und sich verläuft, gibt er es nicht auf, sondern sucht es. Er sagt nicht: „Es ist abgehauen, seine Schuld, seine Angelegenheit!“. Das Herz des Hirten reagiert anders: Es leidet und es riskiert.
Es leidet, ja. Gott leidet bei allen, die gehen; während er um sie weint, liebt er sie noch mehr. Der Herr leidet, wenn wir uns von seinem Herzen entfernen. Er leidet angesichts all der vielen, die die Schönheit seiner Liebe nicht kennen und auch nicht die Wärme seiner Umarmung. Aber als Antwort auf diesen Schmerz verschließt er sich nicht, sondern er riskiert: Er verlässt die 99 Schafe, die in Sicherheit sind, und begibt sich in Gefahr für das eine verlorene Schaf. Er wagt damit etwas und tut etwas Irrationales, das aber seinem Hirtenherz entspricht, das das weggelaufene (Schaf) vermisst. Die Sehnsucht nach denen, die weggegangen sind - das ist ein Kontinuum bei Jesus.
Und wir? Wenn wir hören, dass jemand die Kirche verlassen hat, was sagen wir? Der soll sehen, wie er zurechtkommt... Nein! Jesus lehrt uns die Sehnsucht nach denen, die gegangen sind. Jesus fühlt nicht Wut oder Groll , er hat eine unverringerbare Sehnsucht nach uns. Jesus hat Sehnsucht nach uns, und das ist der Eifer Gottes.
Und wir, haben wir ähnliche Gefühle? Vielleicht sehen wir die als Gegner, oder Feinde, die die Herde verlassen haben? Der ist woandershin gegangen, der hat den Glauben verloren, auf den wartet einmal die Hölle - und wir bleiben da ruhig?
Wenn wir sie in der Schule, auf der Arbeit, den Straßen der Stadt sehen - warum denken wir nicht im Gegenteil, dass wir so eine gute Gelegenheit haben, ihnen die Freude eines Vaters zu bezeugen, der sie liebt und nicht vergessen hat? Nicht um Proselytismus zu betreiben, nein! ... Evangelisieren bedeutet nicht Proselytismus. Proselytismus entspricht weder der Religion noch dem Evangelium. Es gibt ein gutes Wort für die, die gegangen sind, und es ihnen zu bringen, haben wir die Ehre und die Pflicht. Denn das Wort, Jesus, bittet uns darum: den anderen nahezukommen, immer, allen gegenüber mit offenem Herzen. Denn Er ist so. Vielleicht folgen und lieben wir Jesus schon lange, aber wir haben uns nie gefragt, ob wir seine Gefühle teilen, ob wir leiden und riskieren im Einklang mit seinem Herzen, mit seinem Hirtenherzen...
Es geht - wie gesagt - nicht um Proselytismus, damit die anderen „einer von uns“ werden, nein, das ist nicht christlich. Sondern es geht darum, zu lieben, damit sie glückliche Kinder Gottes sein mögen. Bitten wir im Gebet um die Gnade eines pastoralen, offenen Herzens. Und dass wir allen nahe sein mögen - um ihnen die Botschaft des Herrn zu bringen und auch von ihnen zu hören, dass sie Sehnsucht nach Christus haben. Denn ohne diese Liebe, die leidet und riskiert, geht unser Leben nicht. Wenn wir Christen nicht diese Liebe haben, die leidet und riskiert, riskieren wir, nur uns selbst zu weiden. Hirten nur für uns selbst, und nicht Hirten der Herde... Hirten für alle (sollten wir sein)! Danke.
(vatican news - sst)
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