Treffen mit Flüchtlingen: Papst lobt humanitäre Korridore
Mario Galgano und Salvatore Cernuzio - Vatikanstadt
Kopfschüttelnd und mit geschlossenen Augen erinnerte Franziskus an die Zeugnisse von Flüchtlingen, die in Libyen Internierungslager durchlaufen hatten. „Die libyschen Lager sind schrecklich... Der Menschenhandel ist schrecklich... Wir müssen weitergehen“, sagte er mit leiser Stimme zu den Flüchtlingen, die über die humanitären Korridore nach Europa gekommen sind und an diesem Samstag in der Audienzhalle im Vatikan empfangen wurden. Es waren rund fünftausend Menschen aus Afrika, dem Nahen Osten und sogar aus der Ukraine, die mit Bannern und Flaggen ihrer Heimatländer auf den Sitzen dem Papst zuhörten. Neben ihnen saßen Vertreter der Gemeinschaften, die sie in Italien, Frankreich, Belgien und Andorra aufgenommen haben und die sie nicht nur in der Aufnahme-, sondern auch in der Integrationsphase begleitet haben.
Ein Werk von Geschwistern
Die Gemeinschaft Sant'Egidio, die die humanitären Korridore an vorderster Front organisiert, wurde durch Franziskus eigens gewürdigt: „Sie sind gut, diese Leute von Sant'Egidio, sie sind gut“, so der Papst. Er erwähnte auch die Föderation der evangelischen Kirchen und die Waldenser-Hilfseinrichtungen, die an der Initiative mitgewirkt haben: „Es gefällt mir sehr, dass die Christen sich zusammenschließen, um gemeinsam daran zu arbeiten, als Geschwister, die wir alle sind, und nicht die Unterschiede zu betonen“, unterstrich Franziskus und dankte in diesem Zusammenhang dem „gastfreundlichen Netzwerk der italienischen Kirche, das sich großzügig gezeigt hat“, insbesondere der Caritas. Der Papst dankte auch für „das Engagement der italienischen Regierung und der anderen Regierungen, die euch aufgenommen haben. So viele also!“
Sie alle hätten eine „großzügige Kreativität“ an den Tag gelegt, so der Papst in seiner Rede, die er deutlich abkürzte, um mehr Zeit mit den Flüchtlingen zu verbringen, mit denen er nach der Audienz für persönliche Gespräche stehen blieb.
Geschichten und Erzählungen
Franziskus wollte jedoch eines klar stellen: „Jeder von Ihnen verdient Aufmerksamkeit für die schwere Geschichte, die Sie erlebt haben. Insbesondere möchte ich an diejenigen denken, die die Internierungslager in Libyen durchlaufen haben...“ Unter ihnen war Maskaran mit ihrer Familie: „Ich komme aus der Hölle von Libyen“, sagte sie dem Papst, dem sie ihr schriftliches Zeugnis überreichte. Nach ihr kam Anna aus Aleppo, eine Christin, die ihre Flucht mit ihrer Familie schilderte, nachdem die Sirenen, die Bomben, die Toten und die Verwundeten zu unerträglichen Szenen geworden waren. „Pamela war gerade geboren worden, sie war einen Monat alt, um sie zu retten, ließen wir alles stehen und liegen und flohen in den Libanon“, erzählte sie. Dann raubte die Explosion im Hafen von Beirut ihr Zuhause und ihre Hoffnungen; die humanitären Korridore waren damals „ein Traum“, der Traum vom „Leben in Frieden“.
„Ich erinnere mich an die Geschichte von einem von euch, der drei Jahre gebraucht hat, um nach Spanien zu kommen“, sagte Franziskus. Es sei die Geschichte, die in „einem kleinen Büchlein mit dem Titel Bruder“ enthalten sei. Der Papst hatte sie schon bei anderen Gelegenheiten erwähnt: „Eine schreckliche, schreckliche Geschichte.“
Genau um dieses Drama anzugehen, wurden 2016 die humanitären Korridore ins Leben gerufen. „Die humanitären Korridore sind aus dem Weinen und dem Gebet entstanden... Wir sind in die Hölle der Flüchtlingslager gegangen, um Menschen zu suchen, die wir nicht kannten, aber als Brüder und Schwestern empfanden“, sagt Daniela Pompei von Sant'Egidio in einem bewegenden Zeugnis. Ein Weg, „nicht taub zu sein für den Schrei, der aus so vielen Orten des Schmerzes aufsteigt“.
Das Mittelmeer als Friedhof
Papst Franziskus würdigte diese Initiative, die eine „Antwort auf die immer dramatischere Situation auf der Mittelmeerroute“ war und ist:
„Das Mittelmeer hat sich in einen Friedhof verwandelt, ist das nicht erschreckend? Die humanitären Korridore dienen der Sicherung des Lebens, der Rettung, dann der Würde, der Integration...“
Integration ist Teil der Rettung
Der Papst dankte denjenigen, die sich seit Jahren dafür einsetzen: „Die Arbeit, die Sie leisten, indem Sie gefährdete Menschen identifizieren und aufnehmen, versucht, auf die angemessenste Weise auf ein Zeichen der Zeit zu reagieren“, sagt er
Die humanitären Korridore zielten nicht nur darauf ab, die Flüchtlinge nach Italien und in andere europäische Länder zu bringen und sie aus Situationen der Ungewissheit, der Gefahr und des endlosen Wartens herauszuholen, sondern sie arbeiten auch daran, sie wirklich aufzunehmen, und das sei wichtig, um am Ende zu integrieren und nicht nur zu retten. „Und Integration ist Teil der Rettung“, so der Papst.
Dank an diejenigen, die aufnehmen
Es handele sich um einen „tugendhaften Prozess“, der dank der Menschen, der Familien, der Gemeinschaften erreicht wurde, die sich „großzügig“ zur Verfügung gestellt hätten: „Ihr habt eure Herzen und eure Häuser geöffnet. Vielen Dank...“, so der Papst. „Ich danke Ihnen“, fügte er hinzu, „dass Sie diese Geschichte der Aufnahme, die ein konkretes Engagement für den Frieden ist, weiterführen. Die Aufnahme ist der erste Schritt zum Frieden. Ich danke Ihnen dafür.“
Von hier aus ging ein Gruß an diejenigen unter den Anwesenden, die „die humanitären Korridore durchschritten haben und nun ein neues Leben führen“. Sie hätten den festen Willen gezeigt, frei von Angst und Unsicherheit zu leben.
Ein gemeinsames Gebet
Die Audienz endete mit dem Gebet des Vaterunsers: „Ich möchte abschließend mit Ihnen ein Gebet sprechen, wir sind alle Kinder desselben Vaters. Möge der Herr uns alle segnen, er ist unser Vater. Lasst uns zum Schluss gemeinsam zu unserem Vater beten, jeder in seiner eigenen Sprache“, sagte Franziskus.
Nie wieder ein Schiffsunglück wie in Cutro
In seinem vorbereiteten, aber nicht vorgetragenen Redeteil erwähnte der Papst auch den jüngsten Schiffbruch in Cutro: „Dieser Schiffbruch hätte nicht passieren dürfen, und es muss alles getan werden, damit er sich nicht wiederholt.“ Dann betonte er die Unterstützung für die humanitären Korridore, die Brücken bauen, über die so viele Kinder, Frauen, Männer und ältere Menschen, die aus sehr prekären Situationen und ernsten Gefahren kämen, schließlich in Sicherheit, Rechtmäßigkeit und Würde in die Aufnahmeländer gelangen könnten. „Sie überwinden die Grenzen und noch mehr die Mauern der Gleichgültigkeit, an denen die Hoffnung so vieler Menschen oft zerschellt, die jahrelang in schmerzhaften und unerträglichen Situationen ausharren“, hob der Papst hervor.
Suche nach Frieden
„Humanitäre Korridore sind ein gangbarer Weg, um die mit dem Menschenhandel verbundenen Tragödien und Gefahren zu vermeiden“, so Franziskus weiter. Und die ganze „Geschichte der Aufnahme“ sei „ein konkretes Engagement für den Frieden“. So versicherte Franziskus den vielen ukrainischen Flüchtlingen, „dass der Papst nicht aufhört, den Frieden zu suchen, auf ihn zu hoffen und für ihn zu beten: „Ich tue dies für Ihr gequältes Land und für andere, die vom Krieg betroffen sind; es gibt hier so viele Menschen, die vor anderen Kriegen geflohen sind. Und dieser Dienst an den Armen, Flüchtlingen und Vertriebenen ist auch eine starke Erfahrung der Einheit unter den Christen.“ Weiter sagte er:
„Diese Initiative der humanitären Korridore ist in der Tat ökumenisch. Sie ist ein schönes Zeichen, das Brüder und Schwestern vereint, die den Glauben an Christus teilen.“ Der Appell des Bischofs von Rom richtete sich an Europa, damit es „nicht blockiert, verängstigt und ohne Zukunftsvision bleibt“, sondern sich an seine Geschichte erinnere, „die sich im Laufe der Jahrhunderte durch die Integration der verschiedenen Völker und Kulturen entwickelt hat“.
(vatican news)
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