Geschwisterlichkeit: Hoffentlich mehr als schöne Worte
Michele Raviart und Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
In einer Zeit, in der Geschwisterlichkeit und Zusammenleben durch Ungerechtigkeit und Kriege auf eine harte Probe gestellt werden, bringt Franziskus seine Wertschätzung für all jene zum Ausdruck, die die Prinzipien und Themen des Dokuments zur Geschwisterlichkeit vorantreiben, das der Papst vor fünf Jahren mit dem Großimam von Al-Azhar, Ahmad Al-Tayyeb, in Abu Dhabi unterzeichnet hat. Der 4. Internationale Kongress von „PLURIEL“ vereint rund 180 Gelehrte und Forscher aus 27 Ländern, die sich für den Dialog zwischen Christen und Muslimen engagieren und in diesen Tagen in den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammengekommen sind, um die Auswirkungen und Perspektiven des besagten Dokuments zu analysieren.
Nicht bei schönen Worten stehenbleiben
„Sorgen wir dafür, dass sich unser Traum von Geschwisterlichkeit und Frieden nicht in schönen Worten erschöpft,“, wünscht sich der Papst in seiner Botschaft und unterstreicht den unermesslichen Reichtum des Wortes „Dialog“. Es gebe jedoch drei Übel in der heutigen Gesellschaft, die auf diesem Weg ein Hindernis darstellten. Als erste benennt Franziskus die „fehlende Kenntnis des anderen“. Den anderen zu kennen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, das negative Bild zu ändern, das wir von unseren Brüdern und Schwestern hätten, sei der Weg, um Friedensprozesse in Gang zu setzen, die für alle akzeptabel sind, betont Franziskus. Nur so könne man verhindern, dass eine Zivilisation des „Anti-Bruders“ entsteht, der als Feind wahrgenommen werde. Ohne eine Erziehung, die auf Respekt und der Kenntnis des anderen beruht, habe der Frieden weder Wert noch Zukunft.
Zuhören lernen
Die menschliche Intelligenz, so der Papst weiter, „kann sich nur entwickeln, wenn sie neugierig und offen für alle Bereiche der Wirklichkeit ist und sich darauf versteht, die Früchte ihrer Erkenntnisse weiterzugeben. Doch das setze voraus, dass man dem anderen zuhört. Und dieses „fehlende Zuhören“ bezeichnet Franziskus als die „zweite Falle, die der Brüderlichkeit schadet.“ Um debattieren zu können – schreibt Franziskus – müsse man lernen, zuzuhören, also auch schweigen können: „Das Gegenteil von dem, was unsere schnelllebige postmoderne, von Lärm und Bildern übersättigte heutige Welt ausmacht.“
Intellektuell flexibel sein
Weiter führt Franziskus in seiner Botschaft aus: „Wie viele Übel könnten vermieden werden, wenn in den Familien, in den politischen oder religiösen Gemeinschaften, an den Universitäten und zwischen Völkern und Kulturen mehr zugehört, geschwiegen und zugleich auch wahrhaftig gesprochen würde!“ Das Debattieren setze jedoch eine Erziehung zur intellektuellen Flexibilität voraus, deren Fehlen das dritte Hindernis für die Brüderlichkeit darstelle. „Bildung und Forschung“, so der Papst abschließend, „müssen daher darauf abzielen, die Männer und Frauen unserer Völker nicht starr, sondern flexibel und offen für das Andere zu machen: geschwisterlich.“
(vaticannews - skr)
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