Papst: „Wo Ungehorsam ist, ist Schisma“
Anne Preckel – Vatikanstadt
Franziskus ging vor seinen Gästen auf die jüngste Eskalation im Liturgiestreit in Südindien ein, der die Syro-Malabarische Kirche schon länger umtreibt. Eine Gruppe Priester und Laien in der südindischen Erzdiözese Ernakulam-Angamaly zeigt sich wenig kompromissbereit, was die von der Synode beschlossene Liturgieform betrifft, und droht mit Abspaltung. Vordergründig geht es bei dem Streit um die Zelebrationsrichtung des Priesters.
Gemeinschaft geht vor
Es sei eine „gefährliche Versuchung“, sich auf ein solches „Detail“ zu konzentrieren, kritisierte der Papst, der sich bereits in den vergangenen Monaten in „Briefen und Videobotschaften an die Gläubigen“ um Schlichtung bemüht hat, am Montag. Dass die abtrünnige Gruppe, der auch Leitungsmitglieder des Erzbistums angehören, bei dem Streit nicht einlenke, sei „zum Nachteil des Gemeinwohls der Kirche“ und „selbstbezogen“, so Franziskus. „Genau hier schleicht sich der Teufel, der Spalter ein“, warnte er.
Es zeuge außerdem von mangelndem Respekt gegenüber der Eucharistie - jenes Sakramentes, das doch gerade für die Einheit mit Gott und innerhalb der christlichen Gemeinschaft stehe:
„Es ist mit dem christlichen Glauben unvereinbar, das Allerheiligste Sakrament, das Sakrament der Liebe und der Einheit, ernsthaft zu entehren, indem man über die feierlichen Einzelheiten dieser Eucharistie, die den Höhepunkt seiner angebeteten Gegenwart unter uns darstellt, diskutiert“, gab der Papst zu bedenken. „Das leitende Kriterium, das wahrhaft geistliche, das vom Heiligen Geist herrührende, ist die Kommunion: Sie bedeutet, sich der Einhaltung der Einheit zu vergewissern, der treuen und demütigen, respektvollen und gehorsamen Obhut der empfangenen Gaben.“
Eucharistie sollte einen
Angeführt wurde die Delegation vom neuen Großerzbischof der Syro-Malabarischen Kirche Raphael Thattil. Seine Wahl im Januar war von der Hoffnung begleitet, er könne den Konflikt befrieden. Auf einen Appell der Synode zur Einheit reagierten die Gegner der einheitlichen Liturgie jedoch ablehnend. Sie lehnen den Kompromiss, wonach der Priester bis zum Hochgebet mit dem Gesicht zur Gemeinde am Altar stehen, sich dann umdrehen und dann erst zum Ende hin wieder der Gemeinde zuwenden soll, ab. Tiefere Gründe für den bereits Jahrzehnte dauernden Streit liegen in der ethnisch-kulturellen Vielfalt Indiens, die sich in eigenen Riten auch innerhalb des katholischen Glaubenslebens niederschlägt.
„Die Bewahrung der Einheit ist keine fromme Ermahnung, sondern eine Pflicht“, erinnerte Franziskus am Montag, „vor allem, wenn es sich um Priester handelt, die Gehorsam versprochen haben und von denen das gläubige Volk das Beispiel der Nächstenliebe und Sanftmut erwartet“. Ungehorsam sei der Kirche nicht zuträglich: „Wo Gehorsam ist, da ist Ecclesia; wo Ungehorsam ist, da ist Schisma“, schärfte der Papst ein.
Tür steht noch offen
Das Oberhaupt der Syro-malabarischen Kirche, Großerzbischof Raphael Thattil, forderte der Papst auf, sich „mit Entschlossenheit“ und „unermüdlich“ für Einheit stark zu machen und zugleich dialogbereit zu bleiben. Franziskus nutzte hier das Gleichnis vom verlorenen Sohn, der nach Reue mit offenen Armen empfangen wird. „Wie der Vater dem verlorenen Sohn gegenüber, lassen wir die Türen offen und unsere Herzen offen, damit es ihnen nicht schwerfällt, einzutreten, wenn sie einmal Buße getan haben.“
Die Syro-Malabarische Kirche solle sich angesichts von Schwierigkeiten und Krisen nicht entmutigen lassen, sie solle geduldig sein und sich nicht in Vorurteilen oder Feindseligkeiten verschließen, wandte sich der Papst dann an alle Gläubigen. Die in Rom lebenden Vertreter der Teilkirche rief er dazu auf, „in besonderer Weise für die Einheit innerhalb Ihrer Kirche zu beten und mitzuarbeiten, nicht nur in Kerala, sondern in ganz Indien und der ganzen Welt“.
Franziskus erinnerte an die „großen Horizonte“ der christlichen Sendung, es gehe um das Wohl aller Menschen, vor allem der Menschen am Rande, und um Zeichen der liebenden Gegenwart Gottes in der Welt – nicht darum, einen „Skandal für die Ungläubigen“ abzugeben. Kerala, wo die Krisen-Erzdiözese liegt, sei „ein Bergwerk der Berufungen!“, gab er weiter zu bedenken. „Lasst uns beten, dass dies auch in Zukunft so bleibt“.
Die Thomaschristen
Die Syro-malabarische Kirche im Südwesten Indiens ist die größte der heutigen Kirchen und Gemeinschaften der Thomaschristen, die im 1. Jahrhundert durch den Apostel Thomas auf seinen Missionsreisen gegründet worden sein soll. Durch Verbindungen zur Assyrischen Kirche des Ostens feiert sie ihre Liturgie im ostsyrischen Ritus. Im Zuge der portugiesischen Kolonialisierung wurden die Thomaschristen zur Übernahme westlicher Formen und Hierarchien gezwungen und zerbrachen in mehrere Kirchen. Bereits jetzt gibt es zwei katholische Kirchen der Thomaschristen: Neben den Syro-Malabaren besteht die kleinere Syro-malankarische Kirche, die ihre Liturgie im westsyrischen Ritus feiert.
Insgesamt stellen Katholiken mit etwa 18 Millionen von rund 1,38 Milliarden Indern nur eine kleine Minderheit dar. In Relation ist Indiens Kirche jedoch im Bereich Bildung und Krankenpflege überaus aktiv.
(vatican news – pr)
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