Pastoralbesuch in Triest: Die Predigt im Wortlaut
Um traurigen Herzen wieder Hoffnung zu geben und die Mühsal des Weges erträglicher zu machen, hat Gott schon immer Propheten zu seinem Volk gesandt. Doch wie es heute in der ersten Lesung heißt, die uns die Geschichte des Hesekiel erzählt, fanden sie oft ein rebellisches Volk vor, „Söhne mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen“ (Ez 2,4), und wurden abgelehnt.
Auch Jesus hat diese Erfahrung der Propheten gemacht. Er kehrt nach Nazareth – in seine Heimat – zurück, in die Mitte des Volkes, mit dem er aufgewachsen ist, aber er wird nicht erkannt, ja sogar abgelehnt: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Das Evangelium sagt uns, dass sie an Jesus „Anstoß nahmen“ (Mk 6,3). Aber das Wort „Anstoß“ bezieht sich hier nicht auf etwas Obszönes oder Unanständiges, wie wir es heute gebrauchen. Es bedeutet „Stolperstein“: steht also für ein Hindernis, ein Hemmnis; etwas, das dich blockiert, dich daran hindert, weiterzugehen. Fragen wir uns also: Was ist das Hindernis, das uns davon abhält, an Jesus zu glauben?
Ein Glaube, der sich auf einen menschlichen Gott gründet
Wenn man hört, was seine Landsleute sagen, stellt man fest, dass sie sich nur auf seine irdische Geschichte, seinen familiären Hintergrund beschränken, sich also nicht erklären können, wie von dem Sohn des Zimmermanns Josef – einem einfachen Mann – so viel Weisheit, ja sogar die Fähigkeit, Wunder zu vollbringen, kommen kann! Der Anstoß, der Skandal, ist also die Menschheit Jesu. Das Hindernis, das diese Menschen davon abhält, die Gegenwart Gottes in Jesus zu erkennen, ist die Tatsache, dass er Mensch ist. Er ist einfach nur der Sohn des Zimmermanns Josef: Wie kann sich Gott, der Allmächtige, in der Schwachheit eines Menschen offenbaren? Wie kann sich ein allmächtiger und starker Gott, der die Erde erschaffen, sein Volk aus der Sklaverei befreit hat, so schwach machen, dass er in Menschengestalt kommt und sich herabbeugt, um den Jüngern die Füße zu waschen? Das ist der Skandal!
Brüder und Schwestern: ein Glaube, der sich auf einen menschlichen Gott gründet. Einen Gott, der sich zur Menschheit herabbeugt, sich ihrer annimmt; der sich von unseren Wunden rühren lässt, unsere Müdigkeit auf sich nimmt, der sich uns im gebrochenen Brot schenkt. Ein starker und mächtiger Gott, der auf meiner Seite ist, mir all meine Wünsche erfüllt, ist attraktiv. Ein schwacher Gott dagegen, der aus Liebe am Kreuz stirbt und auch mich auffordert, jeden Egoismus zu überwinden und mein Leben für das Heil der Welt anzubieten, ist ein Skandal.
Wir brauchen den Skandal des Glaubens
Und doch, wenn wir uns vor unseren Herrn Jesus stellen und unseren Blick auf die vor uns liegenden Herausforderungen richten, auf die vielen sozialen und politischen Fragen, die auch in dieser Sozialwoche diskutiert werden – auf das konkrete Leben der Menschen und ihre Kämpfe –, dann können wir sagen, dass wir heute genau das brauchen: Wir brauchen den Skandal des Glaubens. Nicht eine in sich selbst verschlossene Religiosität, die den Blick zum Himmel hebt, ohne sich darum zu kümmern, was auf der Erde geschieht; die Liturgien im Tempel feiert und dabei den Staub vergisst, der auf unseren Straßen liegt. Was wir stattdessen brauchen, ist der Skandal des Glaubens: ein Glaube, der in dem Gott wurzelt, der Mensch geworden ist, und der daher ein menschlicher Glaube, ein Glaube des Fleisches ist. Ein Glaube, der in die Geschichte eintritt, das Leben der Menschen berührt; der die gebrochenen Herzen heilt, zum Sauerteig der Hoffnung und Samen einer neuen Welt wird. (...)
Es ist ein Glaube, der die Gewissen aus ihrer Erstarrung aufrüttelt, den Finger in die Wunden der Gesellschaft legt - und davon gibt es sehr viele! -, der Fragen nach der Zukunft des Menschen und der Geschichte stellt. Es ist ein unruhiger Glaube, und wir sollten ein unruhiges Leben führen (...); ein unruhiger Glaube, der uns hilft, die Mittelmäßigkeit und Trägheit der Herzen zu überwinden, der zum Stachel im Fleisch einer Gesellschaft wird, die oft vom Konsumismus betäubt, orientierungslos gemacht wird. Und diesen Punkt will ich etwas genauer behandeln: Unsere Gesellschaft ist ein bisschen benebelt vom Konsumismus - habt ihr überlegt, ob der Konsumismus bei euch im Herzen Einzug gehalten hat? Diese Qual, alles haben zu wollen, immer mehr zu haben, dieser Zwang, sein Geld auszugeben. Der Konsumismus ist eine Plage, ein Krebs; er macht dein Herz krank, er macht dich zum Egoisten, der nur an sich selbst denkt.
Gegen das Kalkül menschlicher Egoismen
Brüder und Schwestern, vor allem brauchen wir einen Glauben, der das Kalkül menschlicher Egoismen durchkreuzt, das Böse anprangert, mit dem Finger auf die Ungerechtigkeiten zeigt. Ein Glaube, der die Ränkespiele jener durchkreuzt, die im Schatten der Macht auf dem Rücken der Schwachen ausgetragen werden. Aber wie viele instrumentalisieren den Glauben, um Leute auszubeuten... Das ist kein Glaube.
Ein Dichter dieser Stadt, der in einem seiner Werke seine abendliche Heimkehr beschreibt, erzählt, wie er durch eine dunkle Straße geht: einen Ort des Verfalls, wo die Menschen und Waren des Hafens „Abfall“ sind, „Ausschussware“ der Menschheit. Und doch – so schreibt er – „finde ich hier, im Vorbeigehen, das Unendliche in der Demut“. Denn sie alle – die Prostituierte und der Matrose, die zänkische Frau und der Soldat – „sind Geschöpfe des Lebens und des Schmerzes; der Herr wirkt in ihnen, so wie er es auch in mir tut“ (U. SABA, „Città vecchia“, in Il canzoniere (1900-1954), Turin, Einaudi-Verlag, 1961).
Gott verbirgt sich in den dunklen Ecken des Lebens
Vergessen wir eines nicht: Gott verbirgt sich in den dunklen Ecken des Lebens (...) Seine Gegenwart offenbart sich gerade in den vom Leid gezeichneten Gesichtern, in denen der Verfall zu triumphieren scheint. Die Unendlichkeit Gottes ist im menschlichen Elend verborgen, der Herr wirkt und macht sich gerade im verwundeten Fleisch der Letzten, der Vergessenen und Ausgestoßenen zu einer freundlichen Präsenz. Und wir, die wir uns manchmal unnötigerweise über viele kleine Dinge empören, täten gut daran, uns zu fragen: Warum empören wir uns nicht über das Böse, das immer mehr um sich greift; über das Leben, das erniedrigt wird; über die Probleme der Arbeit, das Leid der Migranten? Warum bleiben wir apathisch und gleichgültig gegenüber den Ungerechtigkeiten auf dieser Welt? Warum nehmen wir uns nicht die Situation der Häftlinge zu Herzen, die selbst aus dieser Stadt Triest wie ein gequälter Schrei emporsteigt? Warum blicken wir nicht auf das Elend, den Schmerz, den Ausschluss so vieler Menschen in der Stadt? Wir haben Angst - Angst, Christus genau dort zu finden.
Liebe Freunde, Jesus hat die Prophezeiung des Alltags am eigenen Leib erfahren, indem er in das tägliche Leben, die Geschichten der Menschen eingetreten ist und Mitleid gezeigt hat. (...) Er wurde zum Skandal; er wurde abgelehnt und verurteilt, aber er blieb seiner Sendung treu, versteckte sich nicht hinter der Zweideutigkeit, ist mit der Logik der politischen und religiösen Macht keinen Kompromiss eingegangen. Er hat aus seinem Leben ein Liebesopfer für den Vater gemacht. Und das gilt auch für uns Christen: Wir sind gerufen, Propheten und Zeugen des Reiches Gottes zu sein, in jeder Situation, in der wir leben; an jedem Ort, an dem wir wohnen.
Der Traum von einer neuen Zivilisation
Brüder und Schwestern, von dieser Stadt Triest aus, die auf Europa blickt - von diesem Kreuzungspunkt von Völkern und Kulturen, diesem Grenzgebiet aus - wollen wir den Traum von einer neuen Zivilisation nähren, die sich auf Frieden und Geschwisterlichkeit gründet. Bitte, nehmen wir nicht an Jesus Anstoß, sondern empören wir uns über all die Situationen, in denen das Leben verroht, verwundet und getötet wird. Lassen wir die Prophezeiung des Evangeliums in uns Fleisch annehmen, und zwar mehr mit Entscheidungen als mit Worten. Und dieser Kirche von Triest möchte ich sagen: Geht weiter! Engagiert euch weiter an vorderster Front, um das Evangelium der Hoffnung zu verbreiten, vor allem für die Menschen, die von der Balkanroute kommen, und für all jene, die an Leib und Seele Ermutigung und Trost brauchen. Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass wir uns als vom Vater geliebte Kinder erkennen und als Brüder und Schwestern leben können. (...)
(vaticannews - übersetzung: silvia kritzenberger)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.