Papst an Uni Löwen: Weitet die Grenzen! Seid unruhig auf der Suche nach der Wahrheit!
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
„Seid Protagonisten bei der Schaffung einer Kultur der Integration, des Mitgefühls und der Aufmerksamkeit gegenüber den Schwächsten und gegenüber den großen Herausforderungen der Welt, in der wir leben", fuhr Franziskus fort. Die Katholieke Universiteit Leuven ist mit ihrem Bestehen seit 1425 eine der ältesten ihrer Art in der Region und zählt zu den renommiertesten Universitäten der Welt.
Die Uni selbst ist übrigens aus historischen Gründen seit Jahrzehnten zweigeteilt: Es gibt eine katholische Universität Löwen im flämisch- und eine im französischsprachigen Teil des Landes. Grund ist der belgische Sprachenstreit, der nach dem Zweiten Weltkrieg viele Blüten trieb. Diesen Freitagnachmittag besuchte der Papst die Uni Löwen im flämischsprachigen Teil; diesen Samstagnachmittag wird er Studierende der katholischen Universität in Louvain-La-Neuve im französischsprachigen Landesteil Wallonie treffen.
Hilfe für Flüchtlinge im Fokus
Im ehrwürdigen Tafelholzsaal der Uni dankte Papst Franziskus der katholischen Hochschule auch besonders für ihre Hilfe für Flüchtlinge: „Während einige nach einer Befestigung der Grenzen rufen, habt ihr als Universitätsgemeinschaft die Grenzen weiter gemacht, ihr habt eure Arme ausgebreitet, um diese von Leid gezeichneten Menschen aufzunehmen, um ihnen zu helfen, zu studieren und zu wachsen. Danke."
Genau das sei nämlich nötig, „eine Kultur, die die Grenzen weit macht, die weder ,sektiererisch' ist - und so seid ihr nicht, danke - noch sich über andere erhebt, sondern im Gegenteil, in den Teig der Welt einen guten Sauerteig einbringt, der zum Wohl der Menschheit beiträgt. Diese Aufgabe, diese ,größere Hoffnung`, ist euch anvertraut!"
Papst Franziskus rief die Professorinnen und Professoren zudem auf, im Kampf gegen „Müdigkeit des Geistes" und „seelenlosen Rationalismus" auch auf das Gebet zu setzen:
„ ,Herr weite unsere Grenzen'. Bitten wir Gott, dass er unsere Arbeit segne, die beitragen möge zu einer Kultur, die in der Lage ist, auf die Herausforderungen der heutigen Zeit zu antworten. Der Heilige Geist, den wir als Gabe empfangen haben, drängt uns dazu, die Räume unseres Denkens und Handelns zu öffnen, bis er uns zur ganzen Wahrheit führt (vgl. Joh 16,13)."
Das katholische Kirchenoberhaupt warnte das kirchliche wie wissenschaftliche Publikum - im Saal waren auch einige Bischöfe zu sehen - davor, „konditioniert durch die technokratische Kultur" in „seelenlosen Rationalismus" zu verfallen. Ebenso betonte er, dass kulturelle Bildung nie Selbstzweck seien dürfe und mahnte Universitäten, nicht zu „Kathedralen in der Wüste“ zu werden. Sie müssten sich vielmehr in den Dienst des menschlichen Fortschritts stellen und nach der Wahrheit suchen:
„Insbesondere die katholischen Hochschulen, wie diese, sind dazu aufgerufen, ,als entscheidenden Beitrag den Sauerteig, das Salz und das Licht des Evangeliums Jesu Christi und der lebendigen Tradition der Kirche – immer offen für neue Situationen und Vorschläge – einzubringen´", betonte der Papst. Generell für Unis gelte, so Franziskus:
„Die Grenzen zu erweitern und ein offener Raum für Mensch und Gesellschaft zu werden, das ist der bedeutende Auftrag der Universität".
Auch wenn die Suche nach der Wahrheit nicht einfach sei, ermutigte das katholische Kirchenoberhaupt, darin nicht nachzulassen:
„Die Suche nach der Wahrheit ist anstrengend - das stimmt - weil sie uns zwingt, aus uns selbst herauszugehen, Risiken einzugehen, uns Fragen zu stellen. Und so werden wir in der Müdigkeit des Geistes mehr von einem oberflächlichen Leben angezogen, das nicht zu viele Fragen stellt; genauso wie wir mehr von einem einfachen, leichten, bequemen ,Glauben` angezogen werden, der nie etwas in Frage stellt."
Applaus für den Papst
Papst Franziskus bekam für seine Rede langen Applaus. Das schwere Schicksal von Flüchtlingen hatten dem Gast aus dem Vatikan und den Anwesenden in einem eingespielten Video zuvor zwei inzwischen an der Uni studierende Flüchtlinge anhand ihrer persönlichen Erfahrungsberichte nahe gebracht. Zu Wort kamen Alaa Abrushammala, Palästinenser und Muslim, sowie die Christin Helen Abreha aus Tigray, Äthiopien. Franziskus ging darauf in seiner Rede kurz ein, und sprach von „sehr bewegenden" Zeugnissen.
Rektor spricht deutliche Worte
Vor Papst Franziskus hatte der Rektor der flämischen Katholischen Universität Löwen, Luc Sels, gesprochen. Er wurde dabei sehr konkret und sprach auch innerkirchlich nicht unumstrittene Themen an, wie etwa Frauenpriestertum oder den Umgang mit der LGBTQ+ Community. Die Autorität der Kirche hänge auch davon ab, inwieweit sie die Vielfalt der Gesellschaft toleriere, Frauen einen prominenten Platz einräume und das Thema Geschlechtervielfalt nicht so rigide behandeln würde, so der Rektor. Auf diese Äußerungen ging Franziskus in seiner folgenden Ansprache nicht ein; er verfolgte die gesamte Rede aber mit nachdenklichem und aufmerksamem Blick.
Zum Thema Missbrauch stellte Luc Sels fest: „Die Kirche steht vor einer immensen Aufgabe. Der Schock über den sexuellen Missbrauch und die Art und Weise, wie in der Vergangenheit damit umgegangen wurde - ob richtig oder weniger richtig -, schwächt die moralische Autorität, mit der sich die Kirche in unserer westlichen Welt äußern kann." Zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche hatte sich Franziskus am Morgen in seiner Rede geäußert. Anschließend traf Papst Franziskus in einem benachbarten Raum noch einige Flüchtlinge und tauschte sich kurz persönlich mit ihnen aus.
Vor Beginn des Treffens hatte Franziskus sich ins Goldene Buch der Uni eingetragen: „Möge diese alte und große Universität immer Geiste und Herzen ausbilden, die für die Wahrheit offen sind, die fähig sind, die Zeichen der Zeit zu lesen und die sich den edlen Zielen des gesellschaftlichen Lebens widmen. Vergesst nicht: Die Realität ist der Idee überlegen, das Ganze ist dem Teil überlegen, die Einheit ist dem Konflikt überlegen, die Zeit ist dem Raum überlegen."
(vatican news/kap/kna - sst)
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