Bunt: Das neue Dokument der vatikanischen Bildungskongregation Bunt: Das neue Dokument der vatikanischen Bildungskongregation 

Vatikan nimmt zur „Gender-Frage“ im schulischen Umfeld Stellung

Der Vatikan kritisiert eine „Gender-Ideologie, die den Unterschied und die natürliche wechselseitige Ergänzung von Mann und Frau leugnet“. Gleichzeitig spricht er sich für einen Dialog mit der wissenschaftlich vorgehenden „Gender-Forschung“ aus. Das steht in einem Dokument der Bildungskongregation, das an diesem Montag veröffentlicht wurde.

Stefan von Kempis und Mario Galgano – Vatikanstadt

In der Schule werde häufig ein Menschenbild vermittelt, das sich als neutral gebe, in Wirklichkeit aber dem Glauben und der richtig geleiteten Vernunft entgegenstehe. „Die anthropologische Desorientierung, die das kulturelle Klima unserer Zeit prägt, hat sicherlich dazu beigetragen, die Familie zu schwächen.“

Dabei wendet sich das etwa dreißigseitige Vatikanpapier vor allem gegen die „Tendenz, die Unterschiede zwischen Mann und Frau auszulöschen, indem man sie als bloße historisch-kulturelle Konditionierung versteht“. Wer für eine „Gesellschaft ohne Geschlechtsunterschiede“ eintrete, „zerstört die anthropologische Basis der Familie“, mahnt das Dokument.

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Ermutigung zur Auseinandersetzung mit Gender-Studien

Die Bildungskongregation - und damit der Vatikan - lehnt Sexualerziehung an den Schulen nicht ab, besteht aber darauf, dass sie „positiv und vorsichtig“ erfolgen sowie auf die Unterschiede der Geschlechter hinweisen müsse. Sexualität sei eine „wesentliche Komponente der menschlichen Persönlichkeit“.

In Sachen Gender müsse man unterscheiden zwischen der „Gender-Ideologie“, die einer politischen Einflussnahme auf Lehrpläne verdächtigt wird, und der „Gender-Forschung“, mit welcher der Vatikan einen Dialog fortzusetzen wünsche. Dementsprechend heißt der Titel des Dokuments „Männlich und weiblich erschuf er sie: Für einen Weg des Dialogs bei der Genderfrage in der Schule“.

Natur vs. Kultur?

Kritisch wertet der Vatikan, dass „sexuelle Orientierung“ in der Mainstream-Kultur weitgehend vom biologischen Geschlecht losgelöst gesehen wird. „Natur und Kultur“ gerieten immer mehr „in einen Gegensatz“, wenn der Begriff Gender „von der subjektiven Haltung der Person abhängig gemacht wird, die auch ein Geschlecht wählen kann, das nicht ihrer biologischen Sexualität entspricht“.

Wer den Körper als „bloße Materie“ behandle und den menschlichen Willen hingegen „absolut“ setze, manipuliere den Körper und bereite „einer kulturellen und ideologischen Revolution“ den Boden, von der man im Schatten von Sankt Peter nicht viel hält. „Die menschliche Identität wird einem individualistischen Blickwinkel ausgeliefert“, Freiheit werde verwechselt mit der „Vorstellung, dass jeder machen kann, was er will“.

Die männlich-weibliche Zweideutigkeit

In Wirklichkeit stehe „die fiktive Konstruktion eines neutralen oder dritten Geschlechts“ dem Prozess der Bildung einer reifen Persönlichkeit im Weg. Intersexualität und Transgender „führen zu einer männlich-weiblichen Zweideutigkeit, die auf widersprüchliche Weise diesen sexuellen Unterschied voraussetzt, den sie zu leugnen oder zu überwinden trachtet“. „Dieses Oszillieren zwischen männlich und weiblich endet als bloße Provokation gegen die sogenannten traditionellen Vorstellungen“, urteilt das Dokument wörtlich. Entsprechend empfiehlt die Bildungskongregation Betroffenen „therapeutische Interventionen“.

Allerdings lasse sich von den Gender-Forschungen auch einiges lernen, vor allem die „Notwendigkeit, gegen jede ungerechte Diskriminierung zu kämpfen“. Man könne nicht leugnen, dass auch die Kirche in dieser Hinsicht im Lauf der Jahrhunderte zu große „Strenge“ an den Tag gelegt hat. Gerade in der Schule müsse zur „Fähigkeit, alle legitimen Ausdrucksweisen menschlicher Personalität mit Respekt willkommen zu heißen“, erzogen werden. Positiv wertet der Vatikan auch, dass Gender-Studien die „Werte des Weiblichen“ herausgearbeitet hätten. Die Autoren unterstreichen die Bedeutung von Frauen in Erziehung, Bildung, Pflege und Kirche.

Kein Judith-Butler-Zitat

Das Vatikanpapier, das das Datum 2. Februar (Fest der Darstellung Jesu im Tempel) trägt, zitiert päpstliche und konziliare Aussagen; Namen wie Simone de Beauvoir oder Judith Butler finden sich in dem Text allerdings nicht. Gestützt auf neuro- und biowissenschaftliche Erkenntnisse, die sie allerdings nicht zitieren, betonen die Autoren die biologische Zweigeschlechtlichkeit. Auf Basis von Franziskus‘ Schreiben Amoris laetitia oder den Weltkatechismus, skizzieren sie die christliche Sicht auf Sexualität und vermeiden die Gender-Begrifflichkeit weithin.

Das Dokument unterstreicht außerdem, dass die Ehe ein Bund zwischen Mann und Frau sei, und nennt die Familie „eine anthropologische Tatsache“, die man vor ideologisch motivierten Zersetzungsversuchen schützen sollte. Kinder hätten ein Recht darauf, „in einer Familie aufzuwachsen, mit einem Papa und einer Mama“. Katholische Lehrer sollten „eine Sensibilität für verschiedene Ausdrucksweisen der Liebe“ wecken und Schüler, die „schwierige und schmerzvolle Situationen erfahren“, vertraulich begleiten.

(vatican news)
 

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10. Juni 2019, 15:30