Kurienreform von Papst Franziskus: Die wichtigsten Punkte
Gudrun Sailer – Vatikanstadt
„Praedicate Evangelium” erweitert den Horizont der Arbeit an der Römischen Kurie grundsätzlich. Die Kurie steht in Zukunft nicht mehr nur im Dienst des Papstes, sondern auch der Bischöfe und der Bischofskonferenzen der Weltkirche. Leitmotivisch zieht sich das Gebot der Zusammenarbeit der einzelnen Kurieneinrichtungen mit den Bischöfen durch die 250 Paragrafen des gut 50 Seiten langen Dokuments. Die Reform ziele auf eine „gesunde Dezentralisierung" der Kirche, die Kurie solle mithin den Bischöfen „die Kompetenz überlassen", als Hirten, Lehrer und Seelsorger „jene Fragen zu lösen, die sie gut kennen", soweit sie „die Einheit der Lehre, der Disziplin und der Gemeinschaft der Kirche nicht beeinträchtigen".
Ihren Zweck hat die Kurienreform nicht in sich selbst, unterstreicht das Gesetz. Vielmehr ist ihr Anliegen nichts anderes als eine wirksamere Verkündigung der Frohen Botschaft, wie der Name des Dokuments unterstreicht. Dezentralisierung und Evangelisierung waren zentrale Punkte bereits in der programmatischen Schrift „Evangelii Gaudium", mit der Papst Franziskus 2013 seine Vorstellungen einer zeitgenössischen Kirche skizzierte. Tatsächlich findet vieles, was Franziskus in neun Jahren - das neue Kuriengesetz erschien am neunten Jahrestag seines Amtsantritts - in lehramtlichen Dokumenten, Predigten, Reden und Interviews angeregt sowie in Dekreten verfügt hat, einen klaren Niederschlag in „Praedicate Evangelium”. Einige Teile der Kurienreform hat Franziskus auch bereits umgesetzt, diese Reformen erhalten mit dem nun veröffentlichten Gesetz einen größeren Rahmen.
Laien, darunter Frauen, auch in höchste Kurienämter
Dass alle Getauften gleichermaßen, und nicht etwa nur Priester und Bischöfe, missionarische Jünger sind, soll sich in Zukunft nach dem Willen von Papst Franziskus auch in der Leitung von Kurienbehörden niederschlagen. Die Kurienreform „muss die Miteinbeziehung von männlichen und weiblichen Laien, auch in Rollen der Regierung und der Verantwortung, vorsehen”. Begründet wird dies damit, dass Getaufte im Laienstand wegen ihres Familienlebens, ihrer Kenntnis der Wirklichkeit und ihres Glaubens „die Wege Gottes in der Welt entdecken”.
Dass der Präfekt, also Leiter einer Kurieneinrichtung, ein „Kardinal oder Erzbischof” sein müsse, wie es die nun abgelöste Kurienordnung „Pastor Bonus” von 1988 festlegte, steht in „Praedicate Evangelium” nicht. Ebensowenig ist von der Priesterweihe als Anforderung die Rede. Laien können demnach auch das Amt des Präfekten ausüben. Selbst im Fall der Leitung des Staatssekretariats vermeidet das neue Kuriengesetz die Bezeichnung „Kardinalstaatssekretär” zugunsten des Begriffs „Staatssekretär”, womit die Möglichkeit angedeutet ist, ein Mann ohne Priesterweihe oder eine Frau könnten eines Tages diese Rolle einnehmen, die als die wichtigste an der Seite des Papstes gilt.
Dass die Reform in diese Richtung gehen würde, zeichnete sich in einigen päpstlichen Weichenstellungen der vergangenen Jahre bereits ab. So ist mit Paolo Ruffini, dem Leiter der Dikasteriums für Kommunikation, seit 2018 ein Präfekt im Laienstand im Amt, wenngleich für eine Behörde, die keine weltkirchlichen Angelegenheiten regelt, sondern die Medienarbeit des Heiligen Stuhles bündelt.
16 Dikasterien, alle gleichrangig
Drei verschiedene Kategorien päpstlicher Behörden – Kongregationen, Räte, Dikasterien – figurieren nun alle als „Dikasterien”. Es sind 16, je eines für: Evangelisierung, Glaubenslehre, Nächstenliebe, Orientalische Kirchen, Gottesdienst und Sakramentenordnung, Selig- und Heiligsprechungsprozesse, Bischöfe, Klerus, Institute des geweihten Lebens, Laien, Familie und Leben, Einheit der Christen, interreligiöser Dialog, Kultur und Bildung, ganzheitliche Entwicklung des Menschen, Gesetzestexte und Kommunikation. Diese 16 Dikasterien sind gleichrangig, wie die Konstitution ausführt, doch ergibt sich aus ihrer Reihung im Dokument eine Gewichtung.
An erster Stelle: Evangelisierung
Nach dem Willen von Papst Franziskus tritt die Evangelisierung an die erste und grundlegende Stelle der Zielsetzungen der Römischen Kurie. Die Leitung dieser Super-Behörde übernimmt der Papst selbst. Das Dikasterium für Evangelisierung entsteht aus der Zusammenlegung des Missionskongregation und des Rates für die Neuevangelisierung. Bildungskongregation und Kulturrat verschmelzen zum Dikasterium für Kultur und Bildung. Im Gegenzug wird das päpstliche Fürsorgewesen, „Almosenamt” genannt, nun zum Dikasterium aufgewertet. Das Staatssekretariat behält seinen Namen, seine Funktion und seine drei Abteilungen, wird aber als „päpstliches Sekretariat” definiert.
Fünfjahres-Befristung für alle Priester
Schon bisher erfolgten die Berufungen für Präfekten, Sekretäre und Untersekretäre – das sind die drei Leitungsebenen der Dikasterien – auf päpstliche Ernennung, ebenso wie die der Mitglieder der Dikasterien und der Konsultoren. Alle diese Ernennungen gelten für fünf Jahre. Neu ist, dass nun auch Priester und Ordensleute, die in der Kurie arbeiten, ein auf fünf Jahre begrenztes Mandat haben. Ihr Beschäftigungsverhältnis kann aber um jeweils weitere fünf Jahre verlängert werden.
Gemischte Teams
Großen Wert will Papst Franziskus auf die gemischte Zusammensetzung des Kurienpersonals gelegt wissen. Kardinäle, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien sollen so ausgewählt werden, dass sie die „Katholizität der Kirche” sichtbar machen, das heißt, aus verschiedenen Kulturkreisen und eben auch Lebensständen stammen. Darüber hinaus sollen alle, die an der Kurie arbeiten, das Gebet und „einen nüchternen Lebensstil" pflegen, Erfahrung in der Seelsorge und Liebe zu den Armen mitbringen, team- und serviceorientiert arbeiten und dazu in der Lage sein, „die Zeichen der Zeit" zu erkennen.
Schon bei ihrem Einstieg sollen neue Mitarbeitende hohe Kompetenz für ihren Arbeitsbereich mitbringen und danach beständig Schulungen erhalten, die auch Persönlichkeitsbildung umfasst. Alle Bediensteten der Kurie müssen ihren Dienst mit einem Höchstmaß an Zusammenarbeit, Mitverantwortung und Respekt vor der Kompetenz der anderen gestalten und ausführen, hält die Konstitution fest.
Bischofsernennungen: Volk Gottes miteinbeziehen
Was die Aufgaben der einzelnen Dikasterien anlangt, ergeben sich einige Akzentverschiebungen. Das Bischofsdikasterium soll künftig bei der Auswahl von Bischöfen nicht nur die Vorschläge der Ortskirchen und der Nuntiaturen hören, sondern darüber hinaus „auch in geeigneter Form Angehörige des Volkes Gottes in den jeweiligen Diözesen miteinbeziehen”. Davon war in „Pastor Bonus” nicht die Rede gewesen.
Laien-Dikasterium genehmigt neue Laiendienste
Im Dikasterium für Laien, Familie und Leben gehört es fortan zu den Aufgaben, das Nachdenken über die Beziehung „Mann-Frau in der jeweiligen Eigenart, Reziprozität, Wechselseitigkeit und gleichen Würde” zu vertiefen. Auch „Modelle von Führungsrollen für die Frau in der Kirche” soll die Kurieneinrichtung erarbeiten. „Pastor Bonus” hatte für den damals aktiven Laienrat allgemein von Laien (beiderlei Geschlechts), aber nicht ausdrücklich von Frauen gesprochen. Die Zusammenarbeit zwischen Laien und Priestern ist künftig ebenfalls Thema im Dikasterium, sodass beide ihr Bewusstein für die geteilte „Mitverantwortung für das Leben und die Sendung der Kirche” schärfen. Zusätzlich hat das Dikasterium nun die Aufgabe, „im Einvernehmen mit den anderen betroffenen Dikasterien die Vorschläge der Bischofskonferenzen zur Einrichtung neuer Ämter und kirchlicher Dienste, die Laien anvertraut werden sollen, entsprechend den Bedürfnissen der Teilkirchen zu bewerten und zu genehmigen.” Papst Franziskus hatte die Einrichtung neuer kirchlicher Ämter und Dienste für Laien in „Querida Amazonia” ausdrücklich ermutigt.
In die neuen Kompetenzen des Dikasteriums sind offensichtlich Erkenntnnisse der beiden Familiensynoden von 2014 und 2015 eingeflossen. Die Behörde soll künftig mit Hilfe von Fachleuten „Hauptursachen von Ehe- und Familienkrisen” bis hin zu gescheiterten Ehen ergründen, um so den Wert der Familie und die Rolle von Eltern in der Gesellschaft und in der Kirche besser herauszustreichen. Auch die Sorge um wiederverheiratete Geschiedene ist im Grundlagendokument der Kurienreform als Aufgabe des Dikasteriums vermerkt. Für sie sollen – immer in Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen - „Modelle der pastoralen Begleitung, der Gewissensbildung und der Integration” gesammelt und vorgeschlagen werden.
Gerichtshöfe, Büros und verbundene Einrichtungen
Neben dem Staatssekretariat und den 16 Dikasterien gehören unverändert die drei Gerichtshöfe der Weltkirche zur Römischen Kurie: die Apostolische Pönitentiarie, die Apostolische Signatur und die Rota Romana, darüber hinaus verschiedene Wirtschaftsorganismen wie der Wirtschaftsrat, das Wirtschaftssekretariat und die vatikanische Güterverwaltung APSA. Ebenfalls Teil der Kurie sind drei Büros wie jenes für die liturgischen Feiern des Papstes und die Präfektur des Päpstlichen Hauses. Daneben gibt es sieben mit dem Heiligen Stuhl verbundene Einrichtungen, darunter namentlich das Apostolische Vatikanische Archiv, die Vatikanbibliothek und die Bauhütte von Sankt Peter.
An der Römischen Kurie sind rund 2.600 Angestellte beschäftigt, wovon heute etwa 24 Prozent Frauen sind. Von der Kurienreform nicht betroffen ist der Staat der Vatikanstadt. Beide Einheiten - Kurie und Vatikanstaat - haben den Papst als Oberen, aber separate Verwaltungen und Strukturen.
- aktualisiert am 5. Juni 2022 -
(vatican news)
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