Gänswein: Benedikt sah Wirken von Franziskus wohlwollend
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Papst Franziskus agiere so, „wie er es in seiner Verantwortung als Nachfolger Petri für die Kirche heute für am besten hält. Man kann damit völlig einverstanden sein oder nicht, aber dies muss allen Päpsten zugestanden werden, so wie es mir und den vorherigen Päpsten zugestanden wurde", zitiert Gänswein den emeritierten Papst. Gänswein (66) wirkte als Sekretär an der Seite von Papst Benedikt und begleitete ihn in selber Funktion nach dem Amtsverzicht.
Das Problem der zwei „Fanclubs"
Der emeritierte Papst sei „betrübt“ gewesen über Versuche, ihn gegen seinen Nachfolger auszuspielen, so der Erzbischof. Er bestätigte in dem Buch auch, dass Benedikt Besucher, die von ihm ein kritisches Wort zu seinem Nachfolger hören wollten, ins Leere laufen ließ. Franziskus hatte bei seinem Rückflug von Armenien auf Journalisten-Anfrage gesagt, er habe gehört, „dass einige dorthin (zum emeritierten Papst, Anm.) gegangen sind, um sich zu beklagen, denn ,dieser neue Papst…‘, und er hat sie fortgejagt“, zitiert Gänswein in seinem Buch und fügt hinzu: „Ich kann persönlich bestätigen, dass es so gewesen ist.“ Das Problem sei aus seiner Sicht nicht „das Nebeineinander von zwei Päpsten“, sondern dass sich „zwei Fanclubs“ entwickelt hätten, von denen zunehmend Spannungen ausgegangen seien.
Gänswein verschweigt in seinem Buch nicht, dass Benedikt mit einigen Maßnahmen und Formulierungen seines Nachfolgers Schwierigkeiten hatte. Insbesondere habe Benedikt die Einschränkung der Feier der Alten Messe durch Franziskus geschmerzt, die er in seinem eigenen Pontifikat den traditionsorientierten Gruppen wie der Piusbruderschaft erleichtert hatte. Benedikt habe das „für einen Fehler gehalten, da es den vierzehn Jahre zuvor unternommenen Versuch der Aussöhnung gefährdete“, schreibt Gänswein. Allerdings habe der Emeritus bei der Gelegenheit wiederholt, dass Franziskus „danach handeln muss, was er für das Wohl der Kirche hält.“
„Santo subito" für Benedikt? Gänswein zurückhaltend
Mit Blick auf eine baldige Selig- oder Heiligsprechung für Benedikt zeigte sich Gänswein zurückhaltend. Er wisse von Benedikts diesbezüglicher Zurückhaltung und werde daher den kirchlichen Lauf der Dinge nicht beschleunigen. Gänswein schlug stattdessen vor, alle Fragen, die während Ratzingers Leben, in seinem Pontifikat und danach aufgetaucht seien, „ruhen zu lassen, damit das Urteil über die heldenhaften Tugenden Joseph Ratzingers - die ich für unbestreitbar halte - völlig kristallklar ist und ausführlich dargelegt und geteilt werden kann.“ Nach der Totenmesse für den emeritierten Papst waren auf dem Petersplatz vereinzelt „Santo-Subito-Rufe“ laut geworden.
Italienische Medien hatten bereits vor der Beerdigung Papst Benedikts offenbar mit Erlaubnis des Verlags Piemme einige streitbare Stellen aus Gänsweins Buch mit dem Titel „Nichts als die Wahrheit" („Nient'altro che la verità ") verbreitet. Dies sorgte aufgrund des Inhalts und des Zeitpunkts der Veröffentlichung für Erstaunen. Franziskus empfing Erzbischof Gänswein am Montag in Audienz.
(vatican news – gs)
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