Liste aufgetaucht: Kirche versteckte tausende Verfolgte in Rom
Im Archiv des Päpstlichen Bibelinstituts in Rom wurde eine bislang unpublizierte Dokumentation entdeckt. In ihr sind die Personen aufgeführt, die in kirchlichen Einrichtungen in der Ewigen Stadt vor der nationalsozialistischen Verfolgung Zuflucht suchten. Eine kleine Sensation für die Historiker.
Zwar ist eine Liste der Schutz gewährenden Ordensgemeinschaften – 100 Frauen- und 55 Männerorden – zusammen mit der Anzahl der jeweils beherbergten Personen schon 1961 vom Historiker Renzo de Felice publiziert worden. Doch die komplette Dokumentation fehlte bislang. Daran hat auch die Öffnung der Vatikan-Archive, die sich auf das Pontifikat von Pius XII. beziehen, durch Papst Franziskus nichts geändert.
Nun wurden Forscher also im Archiv des „Biblicum“ fündig, das damals wie heute von Jesuiten geleitet wird. Die nun wieder entdeckten Listen beziehen sich auf über 4.300 Personen, von denen 3.600 namentlich genannt sind. Aus dem Vergleich mit den im Archiv der Jüdischen Gemeinde von Rom aufbewahrten Dokumente geht hervor, dass ca. 3.200 dieser Menschen mit Sicherheit Juden waren. Von letzteren ist bekannt, wo sie versteckt waren, teils auch, wo sie vor der Verfolgung wohnten.
Mehr als 3.000 Versteckte waren Juden
Damit vergrößert die Dokumentation die Informationsdichte über die Rettung von Juden durch katholische Einrichtungen in Rom erheblich. Allerdings kann jetzt nicht jeder durch die Listen blättern: Zum Schutz der Privatsphäre der Nachfahren der aufgeführten Personen ist der Zugriff auf die Dokumentation derzeit eingeschränkt.
Das Dokument wurde an diesem Donnerstag im Shoah-Museum der jüdischen Gemeinde Roms vorgestellt. Erstellt wurde die jetzt wiederentdeckte Dokumentation durch den italienischen Jesuiten Gozzolino Birolo, zwischen Juni 1944 und Frühjahr 1945 – also unmittelbar nach der Befreiung Roms durch die Alliierten. Birolo war von 1930 bis 1945 Ökonom des Bibelinstituts; Rektor des „Biblicum“ in der Zeit der deutschen Besatzung war übrigens der deutsche Jesuit Augustin Bea, der spätere Kardinal und Vorreiter im jüdisch-katholischen Dialog.
Neun dunkle Monate der Besatzung
Zu den Historikern, die mit der Untersuchung der aufgefundenen Dokumente betraut sind, gehört der Schweizer Jesuit Paul Oberholzer von der Päpstlichen Universität Gregoriana. Die Forschungsarbeiten wurden unter anderem vom österreichischen Jesuiten Dominik Markl koordiniert, der am „Biblicum“ und an der Uni Innsbruck lehrt.
Rom war neun Monate lang durch Nazi-Deutschland besetzt – vom 10. September 1943 bis zur Befreiung der Stadt durch die Alliierten am 4. Juni 1944. Während dieser Zeit führte die Verfolgung der Juden unter anderem zur Deportation und Ermordung von ca. 2.000 Menschen, darunter Hunderte von Kindern und Jugendlichen, von insgesamt ca. 10.000 - 15.000 Juden in Rom.
(vatican news – sk)
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