Vatikan: Migrationspolitik entwickeln, die Werten Rechnung trägt
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
„Es ist eine Herausforderung für die Europäer: Wie können sie eine Migrationspolitik für ihren Kontinent schaffen und unterstützen, die die Werte und Hoffnungen, die Größe dieses Kontinents widerspiegeln?", fragte Kardinal Michael Czerny. Mit Blick besonders auf fremdenfeindliche und rechtsextremistische Parteien und Einstellungen sagte der Ordensmann:
„Es ist leicht zu sagen, und es wird oft gesagt: ,Migration ist eine weltweite Krise`. Das ist falsch, es ist dumm, aber es macht Angst. Stattdessen muss erkannt werden - und das ist auch ein zentraler Punkt der Papstbotschaft - dass diese Leute unsere Brüder und Schwestern sind. Man sollte das immer wiederholen: Sie als Brüder und Schwestern erkennen. Brüder und Schwestern sind keine globalen Probleme."
Migranten oder Flüchtlinge verließen ihre Heimat nicht aus „Abenteuerlust", betonte der Kardinal, der auch aus eigener Erfahrung weiß, was es heißt, zu migrieren. Anstatt diejenigen, die auf der Flucht sind, abzulehnen und zu unterdrücken, sollten wir den Push- und Pull-Faktoren, die der erzwungenen Migration zugrunde liegen, Beachtung schenken, mahnte er. Wenn wir einem ähnlichen Druck ausgesetzt wären, würden auch wir fliehen, meinte Czerny. Wie Papst Franziskus erkläre, sei es falsch, „egoistisch Besitz von unserem gottgegebenen Fleckchen Erde zu ergreifen, das wir nur vorübergehend bewohnen." Flüchtlinge, Vertriebene, Opfer des Menschenhandels und viele Migranten würden auf eine harte Probe gestellt.
Der europäische Kontinent solle sich daher seiner Wurzeln und Werte erinnern und entsprechend handeln, lautete Czernys Appell: „Es wäre gut, wenn sich die Europäer ihrer eigenen migratorischen Wurzeln erinnern würden. Viele Leute in Europa sind selbst unterwegs gewesen. Und es ist wirklich schade, dass nach ein oder zwei Generationen Familien ihre eigenen migratorischen Wurzeln vergessen, und die Hilfe, die sie damals von anderen bekommen haben. Und nun haben wir die Chance, zu helfen", betonte der Jesuit Czerny. Er führte dazu konkret weiter aus: „Ich denke, wir leiden alle unter diese Lücke, die zwischen den europäischen Werten, die wir jüngst noch gefeiert haben, und der Migrationspolitik und den Diskursen dazu klafft. Das ist unser Problem."
Hilfe für Migranten und Flüchtlinge geht alle an
Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Papst-Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge, den die katholische Kirche weltweit am 29. September begeht, war auch die Generalsekretärin des Dachverbands der katholischen Ordensoberinnen UISG, Patricia Murray IBVM. Die Ordensfrau betonte, dass bei der Aufnahme, Unterstützung und Integration von Migranten und Flüchtlingen jeder einzelne gefordert sei:
„Es ist eine Frage, die uns als Bürger und als Mitglieder der katholischen Kirche angeht. Ich denke, wir können nicht warten, dass es von außen Lösungen gibt, sondern müssen selbst aktiv werden - sei es in Familien, Pfarreien, oder Vereinigungen. Wir müssen uns fragen: Was tun wir? Was können wir tun? Wie können wir einen Unterschied machen, wenn es um eine Willkommenskultur für unsere Brüder und Schwestern geht?"
Wie Kardinal Czerny erinnerte auch Schwester Murray Europa an seine Werte und eigene Geschichte: „Es ist tiefster Teil unseres Europäischen Erbes, dass wir als Menschen, die selbst Migranten waren, nun Dankbarkeit zeigen dafür, dass wir unter schwierigen Bedingungen Willkommen geheißen wurden, auch wenn es zunächst vielleicht ablehnende Reaktionen gab. Nun ist es an uns, ein neues Statement für Inklusion, Akzeptanz und Integration zu setzen."
Sie rief ebenfalls dazu auf, schon frühzeitig in Familie und Gesellschaft gegen Vorurteile vorzugehen und für Multikulturalität und Interkulturalität zu werben, sowie für die Vision einer Welt, in der jeder seinen Platz habe. Es gelte, wegzukommen vom Gedanken, dass andere einem etwas nehmen wollten, dahin, dass andere eine Bereicherung seien.
Der Vatikan stellte diesen Montag bei einer Pressekonferenz die Botschaft von Papst Franziskus zum 110. katholischen Welttag des Migranten und Flüchtlings am 29. September 2024 vor. Sie trägt den Titel: „Gott ist mit seinem Volk unterwegs“.
(vatican news)
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