Vatikan-Erzbischof in London als Zeuge vor Gericht
Salvatore Cernuzio - London
In der zweieinhalbstündigen Anhörung in englischer Sprache beschrieb Peña Parra mit drastischen Formulierungen die Lage, in die ihn und das ganze Staatssekretariat der Makler Gianluigi Torzi gestürzt hat. Torzi sollte eine Londoner Immobilie verkaufen, in die das Staatssekretariat investiert hatte; er ist vom vatikanischen Gericht in erster Instanz u.a. wegen Erpressung verurteilt worden. „Bis zum Schluss war es nur Lug und Trug. Wir saßen in der Falle“, so der Vatikanmann. „Deshalb waren wir sozusagen gezwungen, Torzis Forderungen zu akzeptieren…“
Peña Parra erklärte damit, wie es dazu kam, dass der 2020 im Vatikan verhaftete und bald wieder freigelassene Finanzmakler zwei Zahlungen über insgesamt 15 Millionen Pfund aus dem Vatikan erhalten hat: Man wollte Torzi dazu bringen, aus dem Geschäft auszusteigen, damit der Heilige Stuhl wieder die volle Kontrolle über die Immobilie in der „Sloane Avenue“ gewinnen konnte. „Ich kam mir total auf den Arm genommen vor“, so Peña Parra.
„Ich kam mir total auf den Arm genommen vor“
Die Anhörung in dem eher kleinen Gerichtssaal 19 der Handelsabteilung des Londoner Gerichts warf ein Licht auf die Finanzaffäre rund um die „Sloane Avenue“ – vor allem auf alle Vorgänge seit 2018. Das war das Jahr, in dem der venezolanische Erzbischof ins Staatssekretariat kam. Der Prozess hat am 24. Juni begonnen; angestoßen wurde er durch eine Zivilklage, die der Finanzier Raffaele Mincione vor vier Jahren eingereicht hat. Der Anwalt Charles Samek ging jedoch in seinen zahlreichen Fragen an den Vatikan-Erzbischof nicht auf die Transaktionen zwischen Mincione und dem Staatssekretariat ein, die eigentlicher Gegenstand des Prozesses in London sind. Stattdessen ging es um die Beziehungen zu Torzi.
Peña Parra berichtete über seinen Anteil an dieser Angelegenheit, die die Anwälte des Heiligen Stuhls eine „traurige Geschichte der Korruption" durch Personen innerhalb und außerhalb des Heiligen Stuhls nennen. Er legte einen Eid auf das Evangelium ab und äußerte sich auf Sameks Fragen, die ihm von einem Dolmetscher übersetzt wurden, zunächst zum „Memo“, also dem etwa 300-seitigen Schriftsatz, den der Vatikan am 2. Juni 2020 zusammen mit den Prozessunterlagen eingereicht hat. Der Erzbischof sprach von einer „Informations-Note“, um die ihn der Papst gebeten habe, um einen Überblick darüber zu gewinnen, wie er - Peña Parra – das Staatssekretariat bei seiner Ankunft vorgefunden habe. Die „Note“ sei von der Verwaltung erstellt worden; auch der Berater Luciano Capaldo habe an einigen Passagen über das „60 Sloane Avenue Building“ mitgewirkt.
Das Memorandum
Samek insinuierte, der Papst habe sich offenbar über die Transaktionen informieren wollen, die im Rahmen des Verkaufs in London stattgefunden hatten, und Peña Parra habe ihm dazu nur Teilinformationen geliefert. Dem widersprach der Substitut; er wiederholte mehrfach, dass das Dokument das Ergebnis einer Anfrage des Papstes sei. Er habe sich viel Zeit genommen, um dieses Memo für den Papst vorzubereiten. „Entschuldigen Sie, Sir, können Sie mir sagen, welche Dinge ich Heiligen Vater vorenthalten haben soll?“, so der Erzbischof wörtlich. „Ich sehe den Heiligen Vater jeden Dienstag... Ich wiederhole: Das Memorandum war eine Informations-Note, um dem Heiligen Vater zu erklären, was im Staatssekretariat passiert ist.“
Rechtsanwalt Samek entgegnete mit der Beobachtung, dass derselbe Text auch an das Büro des vatikanischen Kirchenanwalts geschickt worden war. Dabei seien seiner Meinung nach wichtige Informationen ausgelassen worden. „Warum haben Sie in diesem in voller Transparenz erstellten Dokument die falsche Rechnung an Torzi, die Sie an die Credit Suisse geschickt hatten, nicht erwähnt?“ Das zielte auf die beiden erwähnten Millionen-Überweisungen, die Torzi dazu bringen sollen, dem Heiligen Stuhl die volle Kontrolle über die Immobilie zurückzugeben. Der Vorgang ist von den Richtern des Vatikans als „Erpressung“ eingestuft worden.
Die Überweisungen an Torzi
Es handele sich um „falsche“ Rechnungen, entgegnete Anwalt Samek und verwies darauf, dass die Briefe an die Credit Suisse andere Motive als die wirklichen angeben. So war etwa bei einer Rechnung über fünf Millionen als Überweisungsgrund „professionelle Tätigkeiten“ angegeben worden. Erzbischof Peña Parra erwiderte zunächst, noch auf das Memorandum bezogen, es sei sehr umfassender Natur gewesen, darum habe es nicht nur die Details des Londoner Geschäfts betroffen. Aus dem vatikanischen Verfahren war hervorgegangen, dass Peña Parra den Papst bereits im Mai 2019, zum Abschluss der Affäre, in einem Vermerk informiert hatte.
Dann erklärte der Erzbischof zweimal: „Ich habe nicht gelogen!“ Die Rechnung sei „falsch“ gewesen, aber er habe „darauf bestanden, dass alle unsere vertraglichen Verpflichtungen endgültig und vollständig abgewickelt werden. Darum ging es mir“. Auf die Vorhaltung des Anwalts, dass die Rechnung aber ein falsches Motiv angebe und dass alle Rechungen die Unterschrift Peña Parras trügen, erwiderte der Erzbischof, dass viele „Formalitäten“ von der Verwaltungsstelle des Staatssekretariats erledigt worden seien. Und er kam auf das Gefühl zurück, von Torzi in eine Falle gelockt worden zu sein, der durch diese Machenschaften den Heiligen Stuhl weiterhin um Geld hätte angehen können. „Wie soll man mit dieser Art von Menschen umgehen? Bis zum Schluss war es nur Lug und Trug. Wir saßen in der Falle…“
Die Vernehmung des Substituten im Staatssekretariat wird an diesem Freitag in einer Vormittags- und einer Nachmittagssitzung fortgesetzt.
(vatican news)
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