Papst Franziskus (links) und Pater Antonio Spadaro (rechts) Papst Franziskus (links) und Pater Antonio Spadaro (rechts)   (Vatican Media)

Jesuit Spadaro: Papst-Enzyklika Antwort auf herzlose Welt

Warum hat Papst Franziskus mit „Dilexit nos" eine Enzyklika über das Heiligste Herz Jesu geschrieben? Das haben wir Pater Antonio Spadaro, Untersekretär des vatikanischen Kultur- und Bildungsdikasteriums, gefragt. Spadaro ist wie Franziskus selbst Jesuit und gilt als enger Vertrauter und Freund des Kirchenoberhaupts.

Alessandro Di Bussolo und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

 „Warum, glauben Sie, hat Franziskus gerade diesen Zeitpunkt gewählt, um dem Heiligsten Herzen Jesu eine Enzyklika zu widmen?", wollten wir von Pater Spadaro wissen. Seine Antwort: 

 „Ich denke, dass ein wichtiger Grund die Wahrnehmung ist, dass die Gesellschaft ihr Herz verliert. An einer Stelle in der Enzyklika sagt der Papst: ,Großmütter weinen zu sehen, ohne dies unerträglich zu finden, ist ein Zeichen für eine herzlose Welt.`Er bezieht sich auf Kriege, auf tote Soldaten, auf die Tatsache, dass die Welt im Moment gespalten ist und mit einer großen, offenen Wunde lebt. Grund dafür ist Gefühllosigkeit, mangelnde Bereitschaft, eine Lösung für die Probleme, die sich stellen, zu finden. Eine Gesellschaft, die ihr Herz verliert, muss also an die Grundwerte erinnert werden."

Papst Franziskus hat seine vierte Enzyklika mit dem Titel „Dilexit nos. Über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi" am 24. Oktober veröffentlicht. Sie zeige einer zunehmend von Konflikten und Gefühllosigkeit geprägten Welt, die riskiert, ihr Herz zu verlieren, die grundlegenden Werte auf, meint Pater Spadaro im Interview mit den vatikanischen Medien. 

„Eine Gesellschaft, die ihr Herz verliert, muss an die Grundwerte erinnert werden“

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Der Jesuit führt weiter aus: „Ich glaube zweitens, dass wir einerseits Sklaven der Marktmechanismen, der Algorithmen, der ,smarten' Dimension des Daseins, also der Effizienz, werden -  und andererseits einer eher instinktiven Dimension werden, die absolut frei und ungehemmt ist. Wir haben das verbindende Zentrum verloren, das unserem Leben einen Sinn gibt, nämlich das Herz. Dieser Appell ist also tiefgründig und entspricht einem Bedürfnis unserer Zeit."

„Wir haben das verbindende Zentrum verloren, das unserem Leben einen Sinn gibt, nämlich das Herz“

Ausdruck der Spiritualität des Papstes, eines Jesuiten

Das Dokument ist für Pater Spadaro zudem Ausdruck der Spiritualität des Papstes, der als Jesuit auch vom Ordensgründer, dem heiligen Ignatius von Loyola, geprägt ist. Da Spadaro selbst dem katholischen Männerorden angehört, kennt auch er diese Spiritualität gut. Er erklärt zur neuen Enzyklika:

„Diese Enzyklika fokussiert die Spiritualität von Papst Franziskus. In gewisser Weise können wir also sagen, dass sie ein Schlüssel zum Verständnis des gesamten Pontifikats ist, denn sie ist ein Schlüssel zum Verständnis der ,spirituellen Persönlichkeit` von Franziskus. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass eine sehr wichtige Etappe seines Pontifikats das heilige Jahr der Barmherzigkeit war. Das Thema der Barmherzigkeit, also eines Herzens, das dem Nächsten nah ist, das zutiefst liebt, die Gefühle, die ,inneren Emotionen', wie der heilige Ignatius zu sagen pflegte, stehen also auch im Mittelpunkt des ,Regierungsstils' von Franziskus, der sich durch Unterscheidungsvermögen kennzeichnet. Die geistliche Unterscheidung, discernimento, ist der Versuch, zu verstehen, wie der Herr durch innere Emotionen spricht, die klar an das Herz gerichtet sind. Ich würde also sagen, dass diese Enzyklika, aber auch ,Gaudete et exsultate', das Apostolische Schreiben über den Ruf zur Heiligkeit in der heutigen Welt aus dem Jahr 2018,  sicherlich ein Ausdruck der Spiritualität von Franziskus sind und das gesamte Pontifikat erhellen."

„Ausdruck der Spiritualität von Franziskus, Enzyklika, die das gesamte Pontifikat erhellen kann“

In Tradition der vorigen Enzykliken

All jenen, die meinten, es handele sich bei „Dilexit nos" nun um eine „rein spirituelle Enzyklika", die nichts mit den vorhergehenden, oftmals als „Umwelt- und Sozialenzyklika" eingeordneten Schreiben gemein habe, widerspricht Spadaro:  

„Es ist klar, dass die soziale Dimension, die soziale Lehre des Papstes, eine direkte Frucht seiner Spiritualität und eben auch der Spiritualität des Herzens Christi ist. Schließlich sagt Franziskus in dieser Enzyklika ganz klar: ,Vor dem Herzen Christi bitte ich den Herrn, noch einmal Erbarmen zu haben mit dieser verwundeten Erde.' Er zeigt in dieser Enzyklika, wie Jesus seine Hand ausstreckt und heilt. Und in gewisser Weise knüpft er damit an sein vorheriges Lehramt an, denn den Geschwistern sind alle brüderlichen Bindungen möglich, weil wir, so der Papst, von der ,Liebe des Herrn' trinken. Durch diese Liebe können wir geschwisterliche Bande knüpfen, aber auch gemeinsam für unser gemeinsames Haus Sorge tragen. Ich würde also nicht zwischen einem sozialen und einem spirituellen Lehramt unterscheiden. Sicherlich steht das Herz immer im Mittelpunkt".

(vatican news - sst) 

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30. Oktober 2024, 10:03