Hans-Gert Pöttering Hans-Gert Pöttering 

Pöttering: „Den Gedanken der Freiheit stärker hervorheben“

Der frühere Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, war in diesen Tagen zu Gesprächen in Rom. Dabei traf er auch den vatikanischen „Außenminister“, Erzbischof Richard Paul Gallagher, zu einem Gespräch.

Gegenüber Radio Vatikan erklärte Pöttering, er erhoffe sich von der katholischen Kirche „einen klareren Standpunkt in der Frage des verbrecherischen Krieges Russlands und Putins gegen die Freiheit der Menschen in der Ukraine“. Er würdigte außerdem das Engagement des Heiligen Stuhls für die Einigung Europas.

Interview

Herr Pöttering, Sie sind in diesen Tagen in Rom und waren auch zu einem Gespräch bei Erzbischof Gallagher, dem sogenannten Außenminister des Vatikans, im Staatssekretariat. Worum ging es denn da, und was war Ihr Anliegen, das Sie ihm überbringen wollten?

„Ich kann natürlich nicht über den Inhalt des Gespräches, schon gar nicht über das, was der Herr Erzbischof Gallagher gesagt hat, berichten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich mich immer bemüht habe, auch in meinen früheren Ämtern als Fraktionsvorsitzender und dann als Präsident des Europäischen Parlaments, Kontakte hier zum Vatikan zu halten, insbesondere zum Staatssekretariat. Und ich habe immer versucht, so auch in meinem Gespräch mit Erzbischof Gallagher, meine Position klar zu machen und die katholische Kirche zu ermutigen, einen klareren Standpunkt zu haben in der Frage des verbrecherischen Krieges Russlands und Putins gegen die Freiheit der Menschen in der Ukraine. Hier würde ich mir ein klares Wort der katholischen Kirche als Katholik selber wünschen!“

„Israel in sicheren Grenzen und Palästina in sicheren Grenzen. Das ist eine Frage des politischen Willens“

 

Ich kann mir vorstellen, dass auch die Lage im Nahen Osten nicht nur bei Ihrem Gespräch mit Gallagher, sondern auch mit dem italienischen Außenminister Tajani ein Thema gewesen sein mag. Wie ist Ihr Blick auf die Situation in Syrien, und auf den Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und Palästina? Sie haben ja auch einmal vor der Knesset gesprochen…

„Die Situation im Nahen Osten ist über die Jahre eskaliert. Natürlich muss man sagen, dass Israel das selbstverständliche Recht hat, sich gegen jede Form des Terrorismus zu verteidigen. Deswegen ist es auch im Prinzip richtig, dass Israel nach diesem furchtbaren Terroranschlag der Hamas gegen israelische und andere Bürgerinnen und Bürger das selbstverständliche Recht wahrnimmt, sich dagegen zu wehren und die Hamas zu bekämpfen, ebenso die Hisbollah. Allerdings muss man auch sagen: Wenn wir als Christen, insbesondere auch als Katholiken, die Würde des Menschen als den Kern unserer Werte ansehen, dann gilt dies nicht nur mit Blick auf Juden und Israelis, sondern auch auf Moslems und Palästinenser.

Hier das ganze Interview zum Nachhören

Die internationale Gemeinschaft sollte Israel auch ermutigen, auch den Ministerpräsidenten, dass wir jetzt zu einer Zweistaatenlösung kommen müssen, das heißt: Israel in sicheren Grenzen und Palästina in sicheren Grenzen. Es ist nicht akzeptabel, wenn gesagt wird, das sei alles nicht realistisch. Das ist eine Frage des politischen Willens, und hier sollten wir als internationale Gemeinschaft unsere Position auch deutlicher machen, also ein friedliches Nebeneinander der Juden, der Israelis, mit den Palästinensern. Dafür müssen wir arbeiten, und die Vereinten Nationen haben ja auch in dieser Richtung noch vor wenigen Tagen in der Vollversammlung einen Beschluss gefasst.“

Im Europäischen Parlament in Brüssel
Im Europäischen Parlament in Brüssel

„Wir sollten alles tun, damit die Freiheit in der Ukraine sich durchsetzt und Putin nicht gewinnt!“

Wie ist denn als langjähriger Europapolitiker Ihr Blick auf die Diplomatie und die Außenpolitik des Heiligen Stuhls, vor allen Dingen in Sachen Europa?

„Papst Franziskus hat ja im Jahre 2016 den Karlspreis bekommen und dabei eine für Europa, für die Einigung Europas sehr ermutigende Rede gehalten; und die katholische Kirche hat eigentlich immer die Einigung Europas unterstützt. Ein sehr bedeutsamer Vertreter der katholischen Kirche, obwohl er nicht Priester war (aber er hätte es sein können), war Robert Schuman (1886-1963), für den ja hier im Vatikan ein Seligsprechungsprozess im Gange ist. Ich hoffe, dass dieser Prozess irgendwann zum Abschluss kommt, obwohl ich im Prinzip nicht für Seligsprechung von Politikern bin, aber bei Robert Schumann ist es wirklich angebracht, weil er 1950 als französischer Außenminister ein Friedensangebot an Deutschland gemacht hat, als er die ‚Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl‘ vorschlug. Instrumente, mit denen man damals Krieg machen konnte – aber das Zauberwort war Frieden. Und diese Politik hat ja der Vatikan mit allen Päpsten immer unterstützt, und ich glaube, dass das auch heute der Fall ist.

Ukraine, Europa, Nahost: Radio-Vatikan-Interview mit dem EU-Politiker H.-G. Pöttering

Was ich mir wünsche vom Vatikan, ist eine stärkere Hervorhebung des Gedankens der Freiheit. Darum geht es ja heute in der Ukraine. Putin bekämpft den Freiheitswillen der Menschen in der Ukraine, weil er befürchtet: Wenn sich eine wirkliche Demokratie in der Ukraine entwickelt, dann kann das Rückwirkungen haben auf seine Herrschaft in Russland. Und deswegen sollten wir alles tun, damit die Freiheit in der Ukraine sich durchsetzt und Putin nicht gewinnt!

Wenn wir jetzt auf die Ereignisse im Nahen Osten mit der Flucht des Diktators Assad aus Damaskus schauen: Dieser Verbrecher Assad sucht jetzt Asyl bei dem Verbrecher Putin! Das sollte uns als demokratische Staaten und als Menschen, die an die Würde des Menschen und an die Freiheit glauben, ermutigen, dass die Demokratien am Ende doch stärker sind als totalitäre und autoritäre, diktatorische Systeme und Regierungen.“

Der Niedersachse Hans-Gert Pöttering (*1945) ist einer der profiliertesten deutschen Europapolitiker und Träger zahlreicher internationaler Auszeichnungen. Der CDU-Politiker war von 1999 bis 2007 Fraktionschef der „Europäischen Volkspartei“ sowie von 2007 bis 2009 Präsident des Europäischen Parlaments. Mit ihm sprach unser Redaktionsleiter Stefan v. Kempis.

(vatican news)
 

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13. Dezember 2024, 12:54