Katholiken bei der Weihnachtsmesse in Jakarta Katholiken bei der Weihnachtsmesse in Jakarta 

Indonesien: Starker Konsens und kleine Meckerer

Demonstrationen aufgebrachter Muslime in Jakarta und ein großer Blasphemie-Prozess, der mit einer Haftstrafe für einen christlichen Politiker endete: Mit solchen Nachrichten hat Indonesien im letzten Jahr die internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Droht dem Land, das lange als islamischer Musterstaat galt, eine fortschreitende Islamisierung? Der deutsche Sozialphilosoph und Jesuit Franz Magnis-Suseno, über ein halbes Jahrhundert in Indonesien zu Hause, gibt im Interview mit Vatican News Entwarnung.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Noch zu Weihnachten hatte in Indonesien wieder einmal eine streng gläubige Gruppe von Muslimen dazu aufgerufen, das christliche Fest nicht zu begehen. Die höchste muslimische Autorität des Landes, der Ulema-Rat (MUI), räumte immerhin ein, man dürfe seinen christlichen Nachbarn frohe Weihnachten wünschen. Magnis-Suseno lässt so etwas unbeeindruckt:

„Das läuft schon seit 30 Jahren so, und das hat hier auch nicht zu irgendwelchen besonderen Emotionen geführt. Es ist eigentlich überall in Indonesien die Weihnachtsmesse gefeiert worden. Auch mit Anteilnahme der Behörden, die ja zum größten Teil muslimisch sind. Da war dieses Jahr eigentlich gar nichts los. Nur eben eine kleine Gruppe, die da sozusagen gemeckert hat.“

Die Lage der Christen in Indonesien sei auch heute „überhaupt nicht schlecht“, erteilt der Jesuit Schreckensszenarien von angeblicher Unterdrückung und Christenverfolgung in Indonesien eine Absage. Zwar gebe es immer noch Probleme mit dem Kirchenbauen und ähnlichen „Intoleranzen“: „Aber in Wirklichkeit ist man als Christ in Indonesien, selbst in den in islamistischen Regionen Nordsumatras, völlig unbehelligt! Man kann dort als Christ, als Katholik, bekannt sein und nicht die geringsten Schwierigkeiten haben, weder bei der Arbeit, noch im Verkehr und anderen Alltagsbereichen.“

Hinzu komme, dass in dem bevölkerungsreichsten muslimischen Staat der Welt jedes Jahr eine „beachtliche Zahl“ Gläubiger zum Christentum übertrete. Der Religionswechsel in Indonesien sei „immer noch frei“, erläutert Magnis-Suseno: „Also insofern muss man sagen: die Situation ist eigentlich recht gut“.

 

Populisten vom ,Mainstream‘-Islam nicht unterstützt

 

Der über 80-jährige Theologe, der 1977 die indonesische Staatsbürgerschaft und den Zunamen Suseno annahm, teilt Ängste vor einer um sich greifenden Islamisierung seiner Wahlheimat nicht. Auch die Verurteilung des christlichen Gouverneurs von Jakarta aufgrund angeblicher Blasphemie zu zwei Jahren Freiheitsentzug vor einigen Monaten möchte er nicht als antichristliche Kampagne werten. Dieser Fall sei zwar „enorm“ gewesen, so Magnis-Suseno. Allerdings hätten sich Ahoks Gegner bei ihrer Stimmungsmache nie allgemein gegen Christen gewandt, sondern allein gegen den Gouverneur selbst – „immer in Bezug auf die Stelle im Koran, die sagt: Nehmt euch keine Ungläubigen zu Führern“. Ansonsten sei „peinlichst vermieden“ worden, den Eindruck einer antichristlichen Kampagne zu erwecken, so Magnis-Suseno:

„Diese Gruppen, die diese populistische Welle hochgebracht haben, werden vom Mainstream-Islam, den großen Organisationen im Land, nicht unterstützt. Und man hat hier auch herausgefunden, dass das eigentliche Ziel dieser Kampagne der indonesische Präsident Joko Widodo war. Und der hat seine Position im letzten halben Jahr gefestigt.“

Stark genug, den Gouverneur ins Gefängnis zu bringen, war diese „populistische Welle“ allerdings offenbar schon. So sagten viele internationale Beobachter nach dem Urteil im Fall Ahok, die Richter hätten sich dem Willen von Fundamentalisten gebeugt und werteten den Fall als Anfang vom Ende der indonesischen Demokratie.

Magnis-Suseno hält solche Szenarien für „übertrieben“. So machten sich bedeutende muslimische Gremien wie der Ulema-Rat Sorgen um Tendenzen der Radikalisierung innerhalb des Islam – „und die arbeiten sowohl mit dem Präsidenten als auch den Christen gut zusammen“. Dass sich Indonesiens Präsident Joko Widodo um solche Entwicklungen sorgt, zeigt seine Entscheidung vom vergangenen Jahr, die strengkonservative islamische Gruppe „Hizbut Tharir“ zu verbieten, die monatelang gegen „Ahok“ auf den Straßen war. Die „Tharir“ bereite auch den Ulema Sorgen, fügt Magnis-Suseno an.

 

„Pancasila ganz starker Konsens“

 

Sieht der Sozialphilosoph solche Stimmungsmacher also nur als kurzes Intermezzo – oder bereiten auch ihm die immer wieder aufkommenden Stimmen fundamentalistischer Muslime in Indonesien Bauchschmerzen? Magnis-Suseno will diesen jedenfalls nicht allzu viel Gewicht beimessen. Der Jesuit ist schon lange im interreligiösen Dialog engagiert und kennt den Islam in Indonesien aus erster Hand. Er sieht die in der indonesischen Verfassung festgeschriebene Doktrin der „Pancasila“, der „Einheit in der Vielfalt“, auch heute durch die Mehrheit im Vielvölkerstaat gestützt: Die meisten Muslime seien überzeugt davon, dass „Indonesien nicht der Besitz der Mehrheitsreligion ist, sondern allen gehört. Und das ist ein ganz starker Konsensus.“

Die populistische Welle, die Ahok zu Fall brachte, habe sich vor allem politisch Gehör verschaffen wollen, führt Magnis-Suseno weiter aus. „Klare Zielsetzungen“ zeigten diese Populisten aktuell nicht, sie wollten einfach, „dass ihr Islam wahrgenommen wird und in die politischen Entscheidungen eingeht.“

Dieser Aktionismus sei vor allem vor Hintergrund der für 2019 angesetzten Präsidentschaftswahlen in Indonesien zu sehen, wo Joko Widodo erneut einem alten Gegner, dem ehemaligen General Prabowo Subianto, die Stirn werde bieten müssen. Dieser ehemalige Militärmachthaber unterlag Widodo im Wahlkampf 2014 und sei „schon damals stark von islamistischen Elementen gestützt“ worden, so Magnis-Suseno.

Um Radikalisierungen vorzubeugen, setzt der Jesuit weiter auf den interreligiösen Dialog. Damit mache man schon heute in Indonesien gute Erfahrungen: „Eine gute Kommunikation mit Muslimen weiterzuentwickeln ist in Indonesien enorm wichtig. Unser Erzbischof besucht zum Beispiel regelmäßig führende Muslime hier in Jakarta, das machen auch viele Pfarrer von Pfarreien, wobei dann auch sogenannte Hardliner besucht werden, die sich im Allgemeinen über den Besuch freuen. Es ist wichtig, dass wir Christen keine abgeschlossenen Zirkel bilden, sondern in offene Kommunikation mit den Muslimen gehen, dann können wir, glaube ich, auch erwarten, dass wir akzeptiert werden.“ Und er resümiert:

„Indonesien wird mit Sicherheit islamischer, aber das muss nicht unbedingt für uns ein Schaden sein.“

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03. Januar 2018, 10:24