Kardinal: Kirche in Nicaragua „offen unterdrückt“
An diesem Montag wollen die Bischöfe des Landes nun entscheiden, ob der nationale Dialog unter ihrer Federführung weitergehen soll – trotz der schwerwiegenden Anschuldigungen, die Präsident Ortega an ihre Adresse gerichtet hat. Doch die Gewalt gegen Kirchenvertreter beschränkt sich nicht nur auf Verbalattacken. „Die Kirche ist heute in verschiedenen Gegenden der Welt verfolgt“, betonte Brenes. „Das ist Teil der Kirche, die seit jeher verfolgt wird. Das betrifft auch uns,“ so der Kardinal, der erst kürzlich im Vatikan war, um Papst Franziskus persönlich über die Situation in dem lateinamerikanischen Land zu berichten. Doch seitdem haben sich die Ereignisse geradezu überschlagen: Mindestens sieben tätliche Angriffe auf Kirchenvertreter oder Akte von Prophanisierung wurden verzeichnet, seit die Bischöfe Ortega darum gebeten haben, die Wahlen von 2021 auf März 2019 vorzuziehen, um die soziale und politische Krise des Landes zu beenden.
Tätliche Angriffe auf Kirchenvertreter
Aufsehen erregten insbesondere zwei Vorfälle: Am 9. Juli wurden Kardinal Solórzano, der Apostolische Nuntius in Nicaragua, Erzbischof Waldemar Stanislaw Sommertag, und der Weihbischof von Managua, José Silvio Báez Ortega, beim Besuch in einem Wallfahrtsort von Paramilitärs angegriffen und verletzt. Am 14. Juli beschossen Militärs hingegen eine Kirche in Managua, in der Protestierende Zuflucht gesucht hatten. Zwei Studenten wurden dabei getötet und Dutzende verletzt.
Auch für die Demonstranten, die seit Monaten auf die Straße gehen, um gegen die zunehmenden Repressalien durch das Regime Ortegas einzutreten, hat sich die Situation spürbar verschärft- Sie müssen mittlerweile fürchten, willkürlich verhaftet und als Terroristen prozessiert zu werden – mit dieser Anklage drohen ihnen 20 Jahre Haft. Doch damit nicht genug, die Opposition und Menschenrechtsgruppierungen klagen das Regime an, die Gefängnisse in Folterzentren umgewandelt zu haben, in denen auch außergerichtliche Tötungen vorgenommen werden sollen. Verzweifelte Mütter campieren seit Tagen vor dem Hauptstadtgefängnis El Chipote, in der Hoffnung, Nachricht von ihren dort inhaftierten Kindern zu erhalten.
Die Demonstrationen gehen weiter
Am Wochenende gab es trotz dieser Repressalien zahlreiche weitere Demonstrationen im gesamten Land, während die Studenten für diesen Montag einen weiteren Marsch angekündigt haben.
Angesicht der jüngsten Eskalationen bei Massenprotesten in Nicaragua hat sich Kardinal Brenes Solórzano auch an das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ gewandt: „Üben Sie Druck auf die Regierung von Präsident Ortega aus, damit sie die Bevölkerung und die Kirchenvertreter wieder respektieren“, so der Kardinal in einem Schreiben, aus dem KIN an diesem Montag zitiert.
Solórzano berichtet dort zudem über die angespannte Situation in Masaya. Die 30 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegene Stadt gilt als Symbol des Widerstands gegen Präsident Daniel Ortega. Seit 17. Juli wird sie von mehr als tausend Soldaten und Polizisten belagert. „Die Stadt steht unter Kugelhagel“, so der Alarm des Kardinals. Über die Zahl der Verletzten lägen noch keine Angaben vor; glücklicherweise seien bislang aus der Stadt noch keine Todesopfer vermeldet worden.
Kirche versuchte zu vermitteln
Der Kardinal rief die Bevölkerung auf, nicht auf die Straße zu gehen, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Im ganzen Land haben auch viele Kirchen ihre Türen für die Demonstranten geöffnet. „Wir haben den Aufruf von Papst Franziskus befolgt, Feldlazarett für die Verwundeten zu sein“, so Solórzano. Ziel sei es ebenso gewesen, die paramilitärischen Truppen einzudämmen und zu vermitteln. „Das hat der Regierung nicht gefallen. Die Unterdrückung richtet sich nun offen gegen die Kirche“, so Kardinal Brenes in seinem Brief.
Seit April gibt es in Nicaragua Massenproteste gegen die Regierung unter Präsident Daniel Ortega. Er gehört der Partei der Sandinisten an, die aus einer Guerillaorganisation hervorgegangen ist. Diese hatte 1979 die Diktatur des Somoza-Clans gestürzt. Ortega hatte von diesem Zeitpunkt das Präsidentenamt inne. Nach einer Wahlniederlage 1990 regiert er seit 2006 erneut mit weitreichenden Vollmachten. Kritiker werfen Ortega Günstlingswirtschaft, Gewaltanwendung und Unterdrückung der Meinungsfreiheit vor.
„Es ist eine sehr schwierige Zeit für die Menschen in Nicaragua“, sagte Solórzano gegenüber „Kirche in Not“. Er rief die Katholiken weltweit deshalb dazu auf, eine „Gebetskette für unser leidendes Land zu bilden“ und die Arbeit der Priester durch Mess-Stipendien zu unterstützen. Viele Geistliche seien dazu gezwungen, die heilige Messe unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu feiern. „Sie haben keinerlei Einkünfte für ihren Lebensunterhalt, mit dem sie auch die arme Bevölkerung unterstützen. Die Hilfe ist geistlich wie materiell wichtig. Denn niemand weiß, wie es in Nicaragua weitergeht.“
(vatican news/kirche in not)
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