Presseschau: Barbarins Rücktritt und der Papst
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Barbarin ist am Donnerstag wegen der Vertuschung von sexuellem Missbrauch in seinem Erzbistum zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Daraufhin hat er angekündigt, nach Rom zu reisen und Franziskus seinen Rücktritt anzubieten.
„Keiner weiß, ob der Papst diesen Rücktritt annehmen wird“, schreibt dazu der rechtsgerichtete „Figaro“: „Er kann auch ablehnen. So wie er es 2016 getan hat, als der Skandal explodierte. Auch damals hatte Kardinal Barbarin ihm den Rücktritt angeboten.“
„Die Hypothese, dass der Papst an ihm festhalten wird, ist nicht unwahrscheinlich“, urteilt der „Figaro“. Zum einen hätten die Anwälte des Kardinals angekündigt, in die Berufung zu gehen. Zum anderen warte auch die französische Bischofskonferenz mit einer Stellungnahme ab, „wie die neue Prozedur ausgehen wird“. Die Zeitung erinnert daran, dass Franziskus auch in einem Interview 2016 erklärt habe, es gelte mit einer Entscheidung zu warten, bis ein definitives Urteil ergangen sei.
„Allerdings haben sich die Zeiten seitdem geändert – und die Stimmung in der Kirche auch“, räumt der „Figaro“ ein. „Wie nie zuvor ist jetzt das Hören auf die Opfer absolute Priorität“. Allerdings würden Barbarin, anders als dem australischen Kardinal George Pell, keine sexuellen Missbrauchstaten vorgeworfen. „Die Entscheidung von Papst Franziskus in den nächsten Tagen wird darum ein wichtiges Signal bedeuten.“
Der Ball liegt jetzt auf dem Petersplatz
Nehme er Barbarins Rücktritt an, wäre es „das erste Mal, dass ein Kardinal nicht wegen Skandalen, die ihn direkt betreffen, zurücktritt, sondern weil er mit dem Fall eines pädophilen Priesters in seinem Bistum nicht gut umgegangen ist. Das sei „eine heikle Frage“, weil es in der Kirche „zahlreiche Kardinäle und Bischöfe“ gebe, die in ähnlichen Fällen wie Barbarin gehandelt hätten.
Jedenfalls liege der Ball jetzt „nicht mehr in Lyon, sondern auf dem römischen Petersplatz“, befindet der „Figaro“. Franziskus stehe vor einem „Dilemma“. Er wolle eine „Reinigung“ der Institution Kirche, müsse dafür aber „den Verlust dieser Institution an moralischer Glaubwürdigkeit“ in Kauf nehmen.
Auch die katholische Tageszeitung „La Croix“ spricht im Leitartikel auf Seite eins ihrer Freitagsausgabe von einer „schwierigen Entscheidung“ für den Papst. „Barbarin muss, abgesehen von eigenen Fehlern, auch für die Fehler seiner Vorgänger bezahlen“, so die Zeitung. Allerdings sei es „heute nötig, zum Wohl der Kirche das Zeichen zu geben, dass eine neue Ära anbricht“.
Im Innenteil macht „La Croix“ darauf aufmerksam, dass (2001 und 2018) auch zwei andere französische Bischöfe schon wegen des Vertuschens von Missbrauchsfällen zu Bewährungsstrafen verurteilt worden sind. „Der Unterschied ist, dass Kardinal Barbarin für das Nicht-Anzeigen von Taten verurteilt wurde, die sich mehrere Jahre vor seinem Amtsantritt als Erzbischof von Lyon zugetragen haben.“ Im Erzbistum Lyon sei allgemein mit einem Freispruch für Barbarin gerechnet worden.
„Le Monde“ enthält sich eines Kommentars
„Wir Priester im Bistum sind geteilt in der Frage, ob der Kardinal diese Angelegenheit richtig behandelt hat oder nicht“, sagt ein Priester anonym dem Blatt. „Einige von uns haben ihm klar gesagt, dass sie nicht mit ihm einverstanden waren, und er schien sich das jedes Mal bereitwillig anzuhören.“
Nach Darstellung von „La Croix“ stößt Barbarins Ankündigung des Rücktritts aber im Erzbistum „auf breites Verständnis“. Mehr als 110.000 Menschen haben auf Initiative eines Priesters hin seit August letzten Jahres eine Petition unterschrieben, die den Kardinal dazu aufforderte, seinen Erzbischofssitz zu räumen. Die Zeitung erwähnt, dass der Vatikanische Pressesaal am Donnerstag zunächst angekündigt hat, auf Barbarins Erklärung zu warten. Als diese gegen 13 Uhr dann erfolgt sei, habe es aus dem Pressesaal dann keine Reaktion mehr gegeben.
Frankreichs wichtigste Tageszeitung „Le Monde“ hat sich übrigens in der Causa Barbarin am Freitag eines Kommentars enthalten. In einem kurzen Artikel auf Seite acht referiert sie lediglich die Einzelheiten des Urteils und weist darauf hin, dass die Richter der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt sind. Letztere hatte im Januar für Freispruch plädiert.
(vatican news)
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