Amazonien: Einsatz für Kleinbauern ist Einsatz für die Umwelt
P. Bernd Hagenkord – Manaus/Vatikanstadt
Der Einsatz für Kleinbauern ist Einsatz für die Umwelt: das ist eine Stimme, die man nicht häufig hört in Amazonien. Eigentlich verbinden wir mit dem Schutz der Schöpfung immer den Schutz der indigenen Kulturen. Nicht nur, sagt Pater José Boeing, es gibt halt seit Jahrzehnten auch diese Kleinbauern, die eine intakte Umwelt brauchen und die sich gegen die großen Ausbeuter wehren. Die Kirche müsse auch an deren Seite sein.
Pater José ist Steyler Missionar und seit 28 Jahren in Amazonien tätig. Um hier vermitteln zu können, habe er nach der Theologie noch ein Jurastudium draufgelegt, er arbeitet jetzt auch im Einsatz der Kirche als Anwalt.
Landkonflikte nehmen zu
Seit 1990 nehmen die Landkonflikte zu, berichtet Pater José. Es geht um das Lösen von Landkonflikten zwischen Landwirten und Konzernen. Und um den Schutz der so genannten „Extraktivisten“, die also nur Früchte aus dem Wald holen und davon leben, ohne in den Wald selber einzugreifen. „Ich kenne die Welt der Kleinbauern, der Fischer, aber auch der Jugendlichen hier, und versuche mit denen auszuloten, wie der tägliche Lebenskampf und die Natur vereinbart werden können.“
Zu Konflikten konnte es kommen, weil schon in den 70er Jahren die damalige Militärdiktatur Straßen durch Amazonien baute und entschied, dass hundert Kilometer auf beiden Seiten der Straße staatseigenes Land sei. Hundert Kilometer, die zu Siedlung und Landwirtschaft genutzt werden sollten und seitdem auch werden, „zehn Kilometer davon waren reserviert für Kleinbauern, der Rest sollte für Großprojekte sein.“ Dazu ist es nicht gekommen, und deswegen gab es auch keine weitere Infrastruktur, keine Absatzmärkte, und die Kleinbauern mussten sehen, wie sie durchkamen.
Die Indigenen gegen die Kleinbauern
Zwei Weisen, mit dem Land umzugehen, die Kleinbauern, die für sich selber sorgen, und die Großbetriebe und Land-Industrien - das Agrobusiness, das zerstört und ausbeutet -, das stehe hier gegeneinander. „Das sind die Hauptursachen, welche die heutigen Konflikte erklärbar machen,“ sagt Pater José. Die Kleinen gegen die Kleinen, die Indigenen gegen die Kleinbauern. Aber weil alles mit wirtschaftlichen Interessen zu tun hat, sind die Konfliktlinien nicht eindeutig: Indigene stehen dann oft gegen Indigene, Kleinbauern gegen Kleinbauern. Das macht den Dialog nicht wirklich einfacher. „Es gibt keine homogene Gruppe, für die wir eintreten, die Interessen werden gegeneinander ausgespielt.“ Und darum kümmert er sich.
Nicht immer zur Freude aller. Immer wieder wird er bedroht, zuletzt war er 2017 Opfer einer Verleumdungskampagne, weil er sich für fünf Kleinbauern eingesetzt hatte, die ihr Land nicht an Großkonzerne verkaufen wollten. Immer wieder gibt es auch Gewalt und Tote, vor zehn Jahren wurde seine Kollegin Schwester Dorothy Strong ermordet. 2006 musste er selber auch in ein Schutzprogramm des Staates, weil es Drohungen gegen ihn gab.
Es nähert sich jetzt auch hier, in Itaituba, der Großkonflikt um Soja. Weiter im Süden, in Mato Grosso, habe das Soja bereits die Herrschaft übernommen. Das sei echtes Agrobusiness, große Felder betrieben von Großbetrieben. Die internationalen kommerziellen Interessen hinterlassen vor Ort ihre Spuren, gerade am Soja könne man das sehen. China wolle eine 1.000 Kilometer lange Zugverbindung durch Amazonien bauen, um das Soja direkt zu den Schiffen bringen zu können. Soja, das ist Tierfutter, das ist billiges Fleisch.
Ein Grund für das Überhandnehmen der Konflikte gerade hier sei es, weil die staatlichen Institutionen nicht griffen oder gar nicht erst da seien. Oder die Polizei und die lokalen Regierungen seien mit den Großinteressen verwandt und verschwägert, da komme man schwer gegen an. Oder auch die Regierung Bolsonaro, die in den Konflikten verschärfend agiere. „Das Agrobusiness fühlt sich jetzt stärker, weil die Regierung ihre Interessen öffentlich propagiert.“
Mit klarem Blick gesprochen
José Boeing spricht immer von Gewalt, bis hin zu Menschenrechtlern, die ums Leben gebracht wurden. Aber er spricht nicht dramatisierend, es spricht mit klarem Blick für die Dinge. Und er wirbt für das Recht. Er wirbt für Vereinigungen und Vertretungen, für rechtsstaatliche Lösungen der Konflikte. Denn dann gebe es einen Weg voran, für die Menschen und für die Natur, er berichtet von einer Fabrik für Bio-Schokolade, die erst kürzlich errichtet worden sei. Das seien gute Zeichen, sowas brauche es mehr.
Gibt es eine Chance, all die verknoteten und sich überlagernden Konflikte aufzulösen? Ja, sagt Pater José, die Kirche wolle genau das. Immer wieder versuche man es mit Gesprächskreisen, von Goldsuchern und Indigenen, von Indigenen und Bergbau.
„Es gibt aber eine klare Option der Kirche“, darauf besteht er sehr deutlich. „Diese Option ist die Verteidigung der Rechte der Indigenen und die Verteidigung der Menschen, die hier schon lange und im Einklang mit der Natur leben.“
(vatican news)
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