Syrien: Immer weniger Christen präsent
Mario Galgano und Elvira Ragosta - Vatikanstadt
Seit 2011 musste etwa die Hälfte der syrischen Bevölkerung ihre Heimat verlassen, um vor Krieg, Gewalt und Zerstörung zu entkommen. Es gebe vier Millionen Binnenvertriebene und sechs Millionen Flüchtlinge im Ausland. Die meisten Flüchtlinge hätten in den Nachbarstaaten Zuflucht gefunden: Türkei, Jordanien, Libanon, Irak; die anderen hätten sich in Europa, Nordamerika, Afrika oder Asien angesiedelt.
Nun fand diese Woche eine internationale Konferenz zum Thema der Flüchtlingsrückkehr statt. Sie war der Heimkehr der Syrer gewidmet, die sich jetzt im Ausland aufhalten. Die Internationale Konferenz wurde auf Initiative Moskaus in Damaskus durchgeführt. Die Vereinten Nationen nahm an der Veranstaltung als „Beobachter“ teil, während die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und die Türkei nicht teilgenommen hatten. Am Tisch saßen neben Russland auch der Iran, China und Delegationen aus Ländern, die nach Jahren der Spannungen vor kurzem formell oder de facto wieder Beziehungen zu Damaskus aufgenommen hätten, wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman und Libanon.
Die EU: Die Bedingungen für eine Rückkehr sind noch nicht erfüllt
In einer Presseerklärung legt die EU ihren Standpunkt dar: Die Europäische Union - so heißt es im Text - sei der Auffassung, dass die Priorität derzeit „echte Maßnahmen zur Schaffung der Voraussetzungen für eine sichere, freiwillige, würdige und dauerhafte Rückkehr von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in ihre Herkunftsgebiete“ geschaffen werden müssten. Nach Ansicht der Europäischen Union sei aber die Konferenz von Damaskus „verfrüht“ durchgeführt worden. Die EU stellte fest, dass „obwohl die Entscheidung zur Rückkehr immer individuell getroffen werden muss, die Bedingungen innerhalb Syriens derzeit nicht geeignet sind, eine groß angelegte freiwillige Rückkehr unter Bedingungen der Sicherheit und Würde im Einklang mit dem Völkerrecht zu fördern“.
Aus Aleppo das Zeugnis der treuen Maroniten
Zwar gibt es noch wenige Christen, die nach Syrien zurückgekehrt sind, aber es gibt immer noch viele Bedürfnisse der Bevölkerung, die im Land zurückgeblieben ist. Daran erinnert im Gespräch mit Radio Vatikan Joseph Tobji, Erzbischof der Maroniten von Aleppo. Er richtet bei uns einen „herzlichen Appell“ an die in der ganzen Welt verstreuten Christen:
„Wir brauchen alles, angefangen bei medizinischen Mitteln, Medikamenten, Lebensmitteln, Strom und Wasser, das in verschiedenen Teilen des Landes noch immer fehlt. Es ist ein sehr schwieriges Leben. Deshalb fühlen sich Flüchtlinge, wenn sie diese Situation sehen, nicht zur Rückkehr ermutigt.
Hier sind die Menschen fast hungrig. Gründe dafür sind die Sanktionen, aber auch die ins Ausland gebrachten Gelder und der Mangel an Arbeit. So ist hier die Situation - ich kann es nicht anders sagen - schlimmer, als wir es unter den Bomben erlebt haben. Jetzt sind wir viel schlechter dran als damals, als wir unter den Bomben waren. Dies ist der Krieg, der jetzt stärker weitergeht und die gesamte Bevölkerung tötet. Deshalb fordern wir seit Beginn des Krieges, dass die Sanktionen nicht weiter angewendet werden, weil es die Menschen sind, die hier leiden.“
Niemand kehre aus dem Ausland zurück, im Moment nicht einmal die „muslimischen Mitbrüder“, fügt der Erzbischof an.
„Die Regierung hat sowohl in der Praxis als auch auf gesetzgeberischer Ebene Erleichterungen für ihre Rückkehr eingeführt, und wir hoffen, dass es bald positive Resultate geben wird, aber da die materielle Hilfe noch nicht angelaufen ist, wissen wir nicht, ob es eine einfache Sache sein wird.“
Was die Bedürfnisse und Anforderungen dieser Menschen betreffe, so sprechen Schätzungen von rund 11 Millionen syrischen Flüchtlingen, von denen die Hälfte ins Ausland geflohen und die andere Hälfte intern vertrieben seien. Für viele von ihnen werde es schwierig sein, in ihre Städte zurückzukehren, weil sie kein Zuhause mehr vorfinden werden.
„Tatsächlich ist dies insbesondere bei Binnenvertriebenen der Fall. Die meisten von ihnen sind in ihre Städte, in ihre Dörfer zurückgekehrt, aber ohne Häuser, Straßen und Gebäuden, und das ist das Schwierigste, auch wenn die Stärke der Familie die Mängel ausgleicht, viele kommen zurecht und heißen sich gegenseitig willkommen und warten auf den Wiederaufbau, der auch sehr von den geltenden Sanktionen abhängt.“
Und dann ist da noch das Problem von Covid-19, die gesundheitliche Situation in Syrien…
„Von Ende Juli bis Mitte August forderte die Pandemie viele Todesopfer, dann hörte die Todeswelle auf, und jetzt gibt es nicht mehr so sehr ein Gefühl der Ohnmacht vor dem Virus. Gott sei Dank gibt es nur wenige Tote, aber wenn es so weitergegangen wäre wie bisher, wäre die Hälfte der Bevölkerung daran gestorben.“
(vatican news – mg)
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