Afghanistan: Zwischen Hoffnung und Angst
Das Geschehen in Kabul lässt die schlimmsten Befürchtungen wahr werden - Befürchtungen, die etwa Pater Giovanni Scalese hegt. Der Barnabitenpriester ist für die 2002 von Johannes Paul II. ins Leben gerufene Missio sui iuris in Afghanistan verantwortlich; er hat in den letzten Tagen von Kabul aus eindringlich um Gebet für Afghanistan gebeten.
Wir erreichten Pater Scalese an diesem Sonntag kurz nach dem Appell des Papstes. Dabei dankte er Franziskus für seine Bemerkungen: „Wir brauchen seine Worte. Die Auswirkungen des Gebets scheinen in diesen Tagen und überall auf der Welt bereits sichtbar zu sein, denn die Taliban sind in Kabul eingedrungen, ohne Gewalt anzuwenden. Derzeit wird eine Übergangsregierung gebildet. Wir müssen weiterhin dafür beten, dass die Dinge friedlich gelöst werden!“
Tote und Chaos
Mittlerweile berichten Medien von Toten und vor allem von Chaos in der afghanischen Hauptstadt. Vieles liegt aber noch im Dunkeln, den die Taliban setzen bereits ihre Politik für Pressefreiheit und Medienvielfalt im Land um: Schon jetzt können die Menschen in Kabul deutlich weniger Fernsehsender empfangen als bisher. Programme, in denen Frauen vorkommen, wurden eingeschränkt, reine Musiksender komplett eingestellt.
Nach Angaben des deutschen Vereins Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte herrscht bei vielen Afghanen derzeit Todesangst. In einer Mitteilung auf der Website des Vereins heißt es:
„Schockiert sehen wir, dass wohl jede Rettung zu spät kommen wird, bevor unsere letzten Ortskräfte und ihre Familien in die Hände der Taliban gelangen.“
Die Hoffnung auf eine Evakuierung schwinde jede Minute weiter. Gecharterte Flugzeuge in Afghanistan einfliegen zu lassen, sei vergeblich, hieß es. Derzeit seien 7.000 Ortskräfte samt Familien in Afghanistan gefangen, da ihnen das Ortskräfteverfahren nur von dort ermöglicht worden wäre. „Nun müssen wir feststellen, dass wir geholfen haben, sie alle in eine Todesfalle zu locken.“
Wie kam es dazu?
In Afghanistan eskalierte am Wochenende nach dem Abzug der internationalen Truppen die Lage. Die radikalislamischen Taliban rückten mit raschem Tempo vor und nahmen immer mehr Städte und Regionen ein. Derweil arbeiten zahlreiche Länder, darunter Deutschland, unter Hochdruck daran, ihre Staatsbürger aus Afghanistan auszufliegen.
Der in Afghanistan lebende Ordensmann Giovanni Scalese hofft auf eine friedliche Lösung in Kabul. Die Bevölkerung des Landes leide sehr unter der Situation, wiederholt Scalese. Er hoffe, dass alles gut werde, so der Barnabiter-Pater, der einem Bischof gleichgestellt ist.
Nicht alle sind so hoffnungsvoll wie Scalese. Wie das Hilfswerk Care an diesem Montag mitteilt, galt Syrien schon bisher als das gefährlichste Land für Nothelferinnen und Nothelfer. Eine Analyse der Hilfsorganisation zeigt, dass im laufenden Jahr nun Afghanistan und der Südsudan die Liste der Länder anführen, in denen die meisten Todesopfer von Hilfsorganisationen zu verzeichnen sind. Die Analyse beruht auf Daten der Aid Worker Security Database. Das wird wohl mit den Taliban an der Macht kaum besser für Afghanistan...
(vatican news/afp/pm/die zeit – mg)
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