Italien: Anti-Homophobie-Gesetz gestoppt
Nachdem das Abgeordnetenhaus dem Gesetzesvorschlag schon im November 2020 grünes Licht gab, erhielt er in der anderen Parlamentskammer, dem Senat, am Mittwoch keine Mehrheit. Vor allem die rechtsgerichteten Parteien Lega und Fratelli d'Italia stellten sich erfolgreich gegen das Anti-Homophobiegesetz.
Geplant war, diskriminierende Handlungen und Aufrufe zur Gewalt gegen Homosexuelle, Lesben, Trans- und Bisexuelle sowie Menschen mit Behinderung zu ahnden. Homophobie wäre im italienischen Strafgesetzbuch Rassismus gleichgestellt worden, bei Verstößen hätten Freiheitsstrafen gedroht.
Außenminister nennt Abstimmungsergebnis eine „Schande“
Enrico Letta, Vorsitzender des sozialdemokratischen „Partito Democratico“, zeigte sich nach dem Abstimmungsergebnis enttäuscht: „Italien hat sich auf eine Linie mit Polen und Ungarn gestellt“. Außenminister Luigi di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung nannte das Ergebnis eine „Schande" und beklagte bei Facebook, Homosexuelle würden in Italien nach wie vor diskriminiert. Dieses Abstimmungsergebnis sei nur zustande gekommen, weil Parteien und Parlamentarier Absprachen nicht eingehalten und plötzlich anders gestimmt hätten, so di Maio.
Ex-Innenminister Matteo Salvini (Lega) begrüßte hingegen das Ergebnis und warf den anderen Parteien vor, sämtliche Vermittlungsvorschläge zuvor, darunter auch jene des Vatikan, abgelehnt zu haben.
Vatikan unter Kritikern
Denn auch die Katholischen Kirche gehörte zu den Kritikern des geplanten Gesetzes, ebenso übten verschiedene gesellschaftliche Gruppen lautstarke Kritik. Mitte Juli hatten etwa 300 Universitätsprofessoren für einen Stopp des Gesetzverfahrens plädiert. In einem Appell der Vereinigung „Lettera 150" kritisierten die Wissenschaftler unklare Definitionen und riskante Interpretationsspielräume im Gesetzentwurf.
Der Vatikan äußerte mit einer Verbalnote an die italienische Botschaft beim Heiligen Stuhl jüngst ebenfalls ähnliche Bedenken. „Wir sind gegen jede Haltung oder Geste der Intoleranz oder des Hasses gegenüber Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung", erläuterte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Seine Sorge gelte lediglich möglichen „Auslegungsproblemen", wenn ein Text „mit vagem und ungewissem Inhalt" verabschiedet werden sollte. Am Ende müsse die Justiz entscheiden, was eine Straftat sei - und was nicht.
Darum müsse im vorliegenden Regelwerk vor allem der Begriff der Diskriminierung präzisiert werden, forderte der Kardinal. So vermeide man, unterschiedlichste Dinge „in einen Topf" zu werfen. Er sehe die Gefahr, dass im Extremfall jedwede Unterscheidung zwischen Männern und Frauen strafbar sein könnte. Dies wolle die Kirche verhindern.
Gesetz für zumindest sechs Monate gestoppt
Dass der Gesetzestext überhaupt noch abgelehnt werden konnte, nachdem er im November 2020 die Abgeordnetenkammer passiert hatte, lag an der Regierungsumbildung. Zur Zeit der Abstimmung in der Abgeordnetenkammer war Giuseppe Conte noch Regierungschef einer Mitte-Links-Regierung. Unter der inzwischen neuen, fraktionsübergreifenden Regierung Mario Draghis konnte im Senat keine Einigkeit über den Entwurf erzielt werden und das Projekt geriet ins Stocken. Über ein entsprechendes Vorhaben kann nun erst frühestens in einem halben Jahr wieder beraten werden.
(kap – gh)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.