1. Bischofsversammlung der Kirche Lateinamerikas mit Laien
Papst Franziskus hatte zum Start der Beratungen eine Botschaft geschickt. Wir haben mit Pater Maier gesprochen.
Radio Vatikan: Am Sonntag startete im Marienwallfahrtsort Guadalupe die Kirchenversammlung Lateinamerikas, die sich dezidiert in der Nachfolge anderer Kirchenversammlungen wie Medellin und Aparecida - und damit auch des Zweiten Vatikanischen Konzils - sieht. Warum ist diese Versammlung der Lateinamerikanischen Kirche auch für uns in Europa relevant?
Pater Martin Maier S.J., Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat: „Diese Versammlung ist für uns relevant, weil wir eine Weltkirche sind. Dies war ja auch der große Schritt des Zweiten Vatikanischen Konzils. Karl Rahner sagte, da sind wir von einer eurozentrische Kirche hin zu einer Weltkirche gegangen. Auf dem Konzil waren Bischöfe der Weltkirche vertreten und Lateinamerika war in gewisser Weise dann auch Vorreiter in der Umsetzung des Konzils, nämlich mit der Bischofversammlung 1968 in Medellin, wo sich die lateinamerikanischen Bischöfe fragten, was heißt das jetzt für uns, auf die Zeichen der Zeit in unserer Wirklichkeit zu hören? Sie waren sich damals sehr schnell einig, das wichtigste, schreiendste Zeichen der Zeit ist die Ungerechtigkeit. Sie haben darauf aus dem Evangelium heraus reagiert mit der vorrangigen Option für die Armen. Sie haben entdeckt, das ist auch die Option Jesu, er hat sich den Armen, den Benachteiligten, den an den Rand gedrängten zugewandt.“
Radio Vatikan: Was ist denn das Neue an dieser aktuellen Versammlung in Mexiko?
P. Martin Maier: „Diese Versammlung ist keine Bischofsversammlung mehr, sondern eine kirchliche Versammlung und das ist ein ganz wichtiger neuer Schritt. Papst Franziskus hat 2019, als die Bischöfe des lateinamerikanischen Bischofsrates sich in Tegucigalpa in Honduras versammelt hatten, gesagt, die nächste große Kirchenversammlung in dieser Tradition von Medellin und von Puebla, von Santo Domingo, von Aparecida soll jetzt keine Bischofsversammlung mehr sein, sondern eine Asamblea ecclesial, eine kirchliche Versammlung, wo auch die Laien in einer ganz neuen Weise miteinbezogen sind. Und das hat gestern in Mexiko begonnen.“
Radio Vatikan: Kann man denn kurz und knapp sagen, was sich die Versammlung als Ziele gesetzt hat?
P. Martin Maier: „Die Versammlung möchte herausfinden, was der Wille Gottes für die Kirche in Lateinamerika heute ist. Was sind die wichtigsten Zeichen der Zeit? Wo ist die Kirche heute aufgerufen, sich im Geist des Evangeliums und im Dreischritt von sehen, urteilen und handeln zu positionieren?“
Die Zeichen der Zeit lesen
Radio Vatikan: Nun steht er die Versammlung auch im Vorfeld der Synode in Sachen Synodalität, was kann denn die Kirche in Europa da von der Kirche in Lateinamerika und der Karibik lernen?
P. Martin Maier: „Papst Franziskus möchte eine Synodale Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte den wichtigen Schritt dahin gemacht, Kirche nicht mehr in erster Linie hierarchisch zu verstehen, sondern als Volk Gottes. Papst Franziskus knüpft daran an und sagt, er möchte, dass die Kirche als Volk Gottes sich auf einen gemeinsamen Weg begibt, eine ,Synodale Kirche‘, das ist die wörtliche Bedeutung vom griechischen ,gemeinsam auf dem Weg‘ zu sein. Das heißt, auf einem Weg der Unterscheidung zu hören und zu sehen, wo sind Zeichen der Zeit heute, wo spricht Gott heute die Kirche an, was möchte er, dass die Kirche in der Welt von heute auch lebt und tut. Und das bedeutet auch auf die großen Herausforderungen zu reagieren. Zeichen der Zeit sind heute natürlich die COVID-19 Pandemie, Zeichen der Zeit ist die Fürsorge für unser gemeinsames Haus - das sind auch die großen Themen auch der kirchlichen Versammlung in Mexiko.“
Radio Vatikan: Der aktuellen Versammlung ging ja auch ein mehrmonatiger Zuhörprozess voraus. Sie haben es schon angesprochen, ganz im Sinne des Papstes eben, der den Synodalen Prozess vor allem mit der zuhörenden Kirche, die heraus und an die Peripherie geht, verbindet. Wie ist denn dieser Prozess abgelaufen und gibt es Dinge, die wir auch davon lernen können?
P. Martin Maier: „Das ist ein Prozess, der in Lateinamerika schon einige Jahre in Gang ist. Es gab die Amazonien-Synode, die ganz wichtige Akzente gesetzt hatte, wo Papst Franziskus zu einer sozialen, ökologischen, kulturellen und auch zu einer kirchlich-synodalen Umkehr aufgerufen hat. In diese Linie schreibt sich jetzt auch die Versammlung in Mexiko ein. Da wurde ein Vorbereitungsdokument verfasst, das Grundlage für einen breiten Konsultationsprozess war, der von April bis August dieses Jahres gedauert hat. Es gab 70.000 Rückmeldungen von Einzelpersonen, auch von Gruppen und von Gemeinschaften, und da ist ein Synthese-Dokument von 220 Seiten entstanden, aus dem wiederum sozusagen ein Dokument für die Unterscheidung kondensiert wurde. Das hat immer noch 80 Seiten und ist jetzt Grundlage für die Beratung der kirchlichen Versammlungen in Mexiko. Die Kirche in Europa kann natürlich von diesem Prozess auch lernen. Sie kann sehen, wie das organisiert worden ist. Heute gibt es ja auch die Möglichkeit, hybride Versammlungen abzuhalten, auch diese Versammlung ist so organisiert, das heißt über Zoom und über Internet Menschen zusammenzubringen und die Versammlung so zu organisieren, dass es gar nicht mehr notwendig ist, dass alle vor Ort sind.“
Radio Vatikan: Sie haben es erwähnt, die „Option für die Armen“, die liegt ja auch Adveniat ganz besonders am Herzen. Inwieweit wird denn diese bei den Beratungen der Versammlung jetzt eine Rolle spielen?
P. Martin Maier: „Papst Franziskus lädt die Kirche insgesamt ein, an die Ränder, an die Peripherie zu gehen, sowohl in Lateinamerika als auch in Europa. Und wenn wir an die Ränder gehen, dann begegnen wir den Armen, dann begegnen wir den Flüchtlingen, dann begegnen wir denen, die im Matthäus-Evangelium genannt sind, als Jesus sagt, was ihr dem geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt Ihr mir getan. Das ist das Programm der Kirche in Lateinamerika, das ist das Programm der Kirche auch weltweit, die vorrangige Option für die Armen, und das ist auch Kompass der Arbeit von Adveniat, von dem Lateinamerika Hilfswerk der deutschen Kirche.“
Radio Vatikan: Was für eine Rolle spielt denn überhaupt noch die Theologie der Befreiung? Beziehungsweise, spielt sie jetzt wieder und vielleicht auf eine ganz andere Weise als früher eine Rolle, weniger konfliktträchtig und in ganz neuem Gewand?
P. Martin Maier: „Die Theologie der Befreiung ist in Lateinamerika im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil entstanden und es ist die Theologie, die die Option für die Armen in den Mittelpunkt stellt. Dies nicht aus irgendwelchen primär sozialen oder politischen Gründen, sondern aus dem Evangelium heraus. Die erste Seligpreisungen Jesu lautet, selig ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Und diese Theologie ist natürlich auch heute noch aktuell, weil Armut und Ungerechtigkeit auch heute in Lateinamerika eine schmerzliche Herausforderung darstellen. Man rechnet, dass im Vergleich zu 2019 22 Millionen Menschen mehr in Armut gefallen sind und damit muss sich jetzt auch die kirchliche Versammlung in Mexiko auseinandersetzen, aus dem Geiste des Evangeliums heraus zu antworten und Wege der Gerechtigkeit und Wege, diesen Menschen aus ihrer Not herauszuhelfen, zu finden.“
Die Fragen stellte Christine Seuss
(vatican news)
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