Afghanistan: Frost ist eine weitere Bedrohung für das Krisenland
Mario Galgano und Andrea De Angelis - Vatikanstadt
In Afghanistan seien nicht nur die Bankkonten „eingefroren“, auch die täglichen Nachrichten und wortwörtlich auch die Menschen. In der Tat präge die Kälte nicht nur den Winter in Afghanistan als Jahreszeit, es sei auch eine Krisenzeit, „die nicht enden will“. Das hob Emanuele Nannini, Koordinatorin des „Emergency“-Programms in Afghanistan, in einem Interview mit Radio Vatikan/Vatican News hervor.
Die Gesundheitskrise
In Afghanistan „droht das seit Jahren schwache Gesundheitssystem zu kollabieren, während die Bedürfnisse der Bevölkerung enorm sind“, so Nannini. Die Situation der Unterernährung habe sich „im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verschlechtert“, insbesondere in der nordwestlichen Region Herat. Darüber hinaus stünden die meisten Gesundheitseinrichtungen des Landes aufgrund von Personal- und Ausrüstungsmangel unter starkem Druck. Dieses dramatische Bild der humanitären Lage in Afghanistan zeichnet auch das Hilfswerk „Ärzte ohne Grenzen“ in einem Bericht, der diesen Monat veröffentlicht wurde. „Die Patienten haben nicht immer Zugang zu der Behandlung, die sie benötigen, und die private Gesundheitsversorgung ist für Millionen von Menschen keine realistische Option“, heißt es in ihrem Report.
Hungern und frieren
In der vergangenen Woche hat die Geschichte einer Frau, einer afghanischen Mutter, die Welt bewegt. Sie war an der türkisch-iranischen Grenze im iranischen Dorf Belasur, einem der Transitpunkte für afghanische Migranten. Die Migrantin wollte offenbar die Türkei und dann Europa erreichen, doch auf der Durchreise erfror sie. Die Frau war mit ihren beiden Kindern unterwegs und wurde mit in Plastiktüten eingewickelten Füßen aufgefunden: Sie hatte den Kindern ihre Socken zum Schutz über die Hände gestreift. Dies berichtete die türkische Zeitung „Daily Sabbah“. Glücklicherweise seien die Kinder in Sicherheit.
Das ist eine von vielen dramatischen Geschichten. So berichtet die italienische Zeitung „La Repubblica“ an diesem Montag aus einem Bauerndorf am Rande von Kabul, wo „die Kinder nicht mehr die Kraft haben zu weinen“ und „die Beerdigungen sich von Tag zu Tag häufen“. Hunger und Kälte hätten ein Land heimgesucht, in dem nach den Worten des Direktors des Welternährungsprogramms, David Beasley, die „schlimmste humanitäre Krise der Welt“ im Gange sei.
Bankkonten und Gehälter
Im vergangenen Monat gingen Dutzende von Frauen in Kabul auf die Straße, um die Freigabe der Vermögenswerte Afghanistans zu fordern. Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 sind alle Bankkonten eingefroren worden. Ein Großteil der internationalen Finanzmittel für das Land wurde ausgesetzt, und Milliarden von US-Dollar an afghanischen Vermögenswerten aus dem Ausland, vor allem aus den Vereinigten Staaten, seien praktisch eingefroren. Staatsbedienstete, von Ärzten über Lehrer bis hin zu Verwaltungsbeamten, hätten seit Monaten keine Gehälter mehr erhalten oder seien mit erheblichen Verzögerungen konfrontiert, berichten Hilfswerke. In der Zwischenzeit hätten die Banken die Beträge, die Kontoinhaber abheben können, begrenzt, was die Situation noch verschlimmert habe.
Engagement für den Notfall
Drei Krankenhäuser, vierzig Kliniken: Das Hilfswerk „Emergency“ stehe weiterhin an vorderster Front für die afghanische Bevölkerung, berichtet uns Nannini. „Wir haben nie aufgehört, und auch jetzt nicht. Da gerade die Kämpfe abgenommen haben, können wir sogar in Gebieten wirken, in denen wir das vorher nicht konnten“, erklärt die Koordinatorin des Emergency-Programms in Afghanistan. „Unsere Präsenz in diesem Land war in den letzten zweiundzwanzig Jahren wichtig, aber heute ist sie mehr denn je von grundlegender Bedeutung für die Millionen von Menschen, die unsere Dienste in Anspruch nehmen.“
(vatican news)
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