Schwester Elena Balatti mit Südsudanesen Schwester Elena Balatti mit Südsudanesen 

Südsudan: „Zeichen stehen immer mehr auf Frieden“

Es ist das jüngste Land der Welt – und eines der friedlosesten. Im Südsudan ist 2013, zwei Jahre nach seiner Loslösung vom Sudan, ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der seither immer weiterläuft.

Das letzte Friedensabkommen ist drei Jahre alt, doch so richtiger Friede herrscht nicht in dem ostafrikanischen Land, in dem sich etwa 77 Prozent der Bevölkerung zum Christentum bekennen – und 21 Prozent zu lokalen, afrikanischen Religionen.

„Friede auf Erden“, sangen die Engel von Betlehem an Weihnachten. Doch die italienische Comboni-Missionarin Elena Balatti, die für die Caritas im Bistum Malakal arbeitet, sieht das nuanciert.

„Der Ton ist gedämpfter geworden“

„Das Wort Frieden ist ständig in aller Munde: ‚Wir müssen das Friedensabkommen weiter verfolgen... Wir wollen einen echten Frieden‘ und so weiter. Doch dieser Prozess ist in Südsudan äußerst mühsam. Immerhin gibt es im Bistum Malakal in diesem Jahr zum ersten Mal konkrete Hoffnungsschimmer, denn der Ton haben sich geändert, er ist gedämpfter geworden. Die Vergangenheit wird sozusagen in Klammern gesetzt, um den Blick auf die Gegenwart und die Zukunft zu richten, auf eine aktive Zusammenarbeit der verschiedenen Kräfte für die Entwicklung.“

Entwicklung ist ein gutes Stichwort: Millionen Menschen im Südsudan sind Flüchtlinge, zum Teil aus angrenzenden Ländern. Die meisten Erwachsenen sind Analphabeten; die Möglichkeiten, eine Familie zu ernähren, sind dürftig. Dürre und Regenfälle führen zu Ernteausfällen und schwerer Mangelernährung – es droht eine Hungersnot. Trotzdem geht der Krieg, der teilweise ethnischen Konfliktlinien folgt, weiter.

Kommt die Wahrheitskommission?

„Der Präsident hat kürzlich erklärt, dass 2022 das Jahr der Wahrheit sein soll. Einer der Artikel des 2018 unterzeichneten Friedensabkommens sieht die Einrichtung einer Wahrheitskommission vor, um die Wunden zu heilen, die der Krieg der Zivilgesellschaft zufügt. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich in fragilen Situationen ein stabiler Frieden nur einstellen kann, wenn man langen Atem zeigt. Die schwere Wirtschaftskrise, die das Land erlebt, ist an sich destabilisierend, so dass es genug Risikofaktoren für lokale und landesweite Konflikte gibt. Aber meiner Meinung nach überwiegen inzwischen die Indikatoren für den Frieden.“

Die aus Italien stammende Ordensfrau bietet Kurse an: Darin lernen Caritas-Mitarbeiter, in die Gemeinden des Bistums – das fast ein Drittel des ganzen Landes ausmacht – zu gehen und verfeindete Menschen in Gespräch miteinander zu bringen.

Für einen Perspektivwechsel

„Der Dialog ist äußerst schwierig, wenn die Menschen direkt von den Kriegsereignissen betroffen sind: Schmerz, Leid, Verlust von Besitz, sozialem Status und Zuneigung… Wir versuchen, sie von einer Opferperspektive wegzubringen, hin zu einer Perspektive, in der sie den Eindruck bekommen, dass sie zu Akteuren der Veränderung werden können. Dass sie auch andere aus dem Teufelskreis der Gewalt herauszuziehen vermögen.“

Schwester Elena hat vor kurzem ein Erfolgserlebnis gehabt, was eine solche Art von Dialog betrifft. „Es geschah an Weihnachten“, erzählt sie.

Zum Nachhören: Gespräch mit einer Comboni-Missionarin im Südsudan über Aussichten auf Frieden - Radio Vatikan

Das Geschenk des Gouverneurs

„Seit Generationen wechseln sich die ethnischen Gruppen der Murle und der Nuer beim Viehdiebstahl ab, der nicht einmal mehr als Diebstahl gilt. Während in der Vergangenheit die Überfälle mit Speeren durchgeführt wurden und sich der Schaden in Grenzen hielt, hat die massive Präsenz von Handfeuerwaffen die Überfälle in blutige Mini-Konflikte verwandelt. Sie können zu Dutzenden von Todesfällen führen. Sie scheinen ein nicht enden wollendes Phänomen zu sein und verhindern die Schulbildung der Jugend und die Entwicklung der Bevölkerung. Vor Weihnachten beschloss der Gouverneur des Murle-Gebiets, freiwillig einige hundert Rinder an den Gouverneur der anderen ethnischen Gruppe zurückzugeben.“

„Als wir die Nachricht hörten, sagten wir: Das ist Weihnachten!“

Eine unglaubliche, unerwartete Geste. „Als wir die Nachricht hörten, sagten wir: Das ist Weihnachten! Das ist der einzige Weg, wie wir wieder zusammenkommen können: jemand muss etwas geben, aber er wird feststellen, dass er viel mehr dafür empfängt. Seit Weihnachten bis jetzt ist die Situation an der Grenze zwischen den beiden Stämmen so, dass es keine Zusammenstöße gegeben hat. Wir hoffen, dass dieser bedeutenden Geste weitere folgen werden.“

Die Angst überwinden

Um ihre eigene Sicherheit fürchtet die Ordensfrau nicht – obwohl es in jüngster Vergangenheit Überfälle auf Kirchenleute gegeben hat. „Man muss vorsichtig sein und darf sich beim Bewegen und Sprechen nicht zu sehr exponieren. Es gibt angespannte Situationen, die man gut einschätzen muss. Die katholische Kirche untersucht die Vorfälle… Aber sie muss weiterhin prophetisch sein. Sie kann nicht schweigen. Ich persönlich habe keine Angst. Der Südsudan ist mein Land, in dem ich die Hälfte meines Lebens verbracht habe. Angst kann angesichts von Bedrohungen aufkommen, die fast überall auftreten können. Ich habe es erlebt, aber man muss immer die Angst überwinden, die lähmend ist.“

Corona ist natürlich auch im Südsudan auf dem Vormarsch. „Aber es gibt keine genauen Zahlen, da es nur in der Hauptstadt und einigen größeren Städten Zentren gibt, in denen Tests gemacht werden können. Positiv ist, dass die Zahl der Todesfälle im Verhältnis sehr gering ist. Das Problem ist, dass die meisten Menschen nicht geimpft werden wollen.“

Papst in Juba? „Soll er doch dieses Jahr kommen!“

Eine Zivilgesellschaft hat sich nach Schwester Elenas Urteil im Südsudan bisher nur sehr zaghaft entwickelt. „Was wir brauchen, ist eine breit angelegte Schulbildung. Und wir brauchen dazu auch eine bestimmte Bereitschaft in der Bevölkerung – es reicht nicht, wenn das in der Verfassung steht.“

Einen Papstbesuch im Land würde sie sehr begrüßen. „Soll er doch dieses Jahr kommen! Ich habe ihn 2019 kurz getroffen, und sobald ich sagte: Südsudan, sagte er: ‚Ich möchte in dieses Land reisen‘. Darauf sagte ich: ‚Kommen Sie, kommen Sie! Alle im Südsudan lieben Sie.‘ Dasselbe würde ich ihm auch heute noch sagen.“

(vatican news – sk)
 

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05. Januar 2022, 12:33