Schockierte Reaktionen auf Putins Krieg
„Sorge und Schmerz“ äußern katholische Bischöfe aus dem ganzen Mittelmeerraum, die derzeit eine Konferenz in der italienischen Stadt Florenz durchführen, mit Blick auf das „dramatische Szenario in der Ukraine“. In ihrer Erklärung von diesem Donnerstag versichern sie, „den christlichen Gemeinschaften im Land nahe zu sein“, und appellieren „an das Gewissen der politisch Verantwortlichen“.
„Jeder Konflikt bringt Tod und Zerstörung mit sich, er legt den Völkern schwere Leiden auf und bedroht das Zusammenleben der Völker. Möge der Wahnsinn des Kriegs doch aufhören!“ Sie kennten „die Geißel des Krieges“ aus eigener Erfahrung gut, so die Bischöfe; darum riefen sie „einstimmig nach Frieden“.
ÖRK will den Geist des Minsker Abkommens retten
Der Weltrat der Kirchen (ÖRK) äußerte sich bereits am Mittwoch, wenige Stunden vor Putins Kriegserklärung. „Wir rufen dringend auf, den gefährlichen geopolitischen Wettstreit zu beenden, der diese Krise beschleunigt hat, wir appellieren zur Deeskalation und zum Abbau der Spannungen sowie zur Achtung des Völkerrechts und der etablierten nationalen Grenzen.“
Offenbar hat das in Genf ansässige Gremium den Minsker Prozess zu einer Befriedung der Ostukraine noch nicht ganz aufgegeben, auch wenn Russland sich nicht mehr an ihn hält. „Wir rufen zur Rückkehr zum Dialog und den Grundsätzen des Minsker Abkommens auf, als ein Weg zu einer friedlichen Lösung der langanhaltenden Spannungen und Trennungen in der Region, im Rahmen des Völkerrechts und der Verpflichtungen.“
Die anglikanische Kirche von England führt an diesem Sonntag einen „Tag des Gebets für die Ukraine, Russland und den Frieden“ durch. Zugleich unterstützt sie auch den Gebets- und Fastentag im gleichen Anliegen, den der Papst für Mittwoch anberaumt hat, sagte der Primas von Canterbury, Justin Welby.
Präsident des Rates europäischer Bischofskonferenzen (CCEE) ist ein Litauer: der Erzbischof von Vilnius, Gintaras Grušas. „Im Namen Gottes, haltet ein!“, so ist sein Appell von diesem Donnerstag überschrieben. „Man muss jetzt geschlossen und entschieden handeln, um der russischen Aggression sofort ein Ende zu machen.“ Vor allem die Europäische Union stehe in der Pflicht, „nichts unversucht zu lassen, um diesen Konflikt zu stoppen“.
Ein richtiggehender Krieg würde sich nach Ansicht des baltischen Kirchenmanns „unvermeidlich auf die Nachbarstaaten ausweiten“; dadurch würde er „zu einer Bedrohung für ganz Europa“ werden.
Hollerich hofft auf Diplomatie
Der Präsident des Verbands der EU-Bischofskonferenzen (Comece), Kardinal Jean-Claude Hollerich, appellierte am Donnerstag mit deutlichen Worten an Russland, es solle seine „feindseligen Aktionen“ einstellen. „Krieg ist eine schwere Verletzung der Menschenwürde, für ihn gibt es auf unserem Kontinent keinen Platz.“ Die internationale Gemeinschaft und namentlich die EU sollten sich um „eine friedliche Lösung dieser Krise durch diplomatischen Dialog“ bemühen.
„Wir rufen die Gesellschaften und Regierungen in Europa dazu auf, Flüchtlinge, die vor dem Krieg und der Gewalt aus ihrer Heimat Ukraine flüchten, aufzunehmen.“
Die internationale Gemeinschaft „Sant’Egidio“ mit Hauptsitz in Rom führt am Donnerstag Abend in der Basilika Santa Maria in Trastevere eine Gebetswache für den Frieden durch. Sie wird per Livestream im Internet übertragen. „Man darf sich nicht damit zufriedengeben, dass der Krieg das letzte Wort hat.“
Bätzing und Kurschus: Ukraine hat ein Recht auf Selbstbestimmung
Die beiden großen Kirchen in Deutschland fordern eine sofortige Beendigung der Invasion, die Beachtung des Völkerrechts sowie konkrete Friedensbemühungen aller Beteiligten. Das sagten Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, und die EKD-Ratsvorsitzende, Präses Annette Kurschus, in Bonn.
„Russland muss die militärischen Angriffe unverzüglich stoppen und die territoriale Integrität der Ukraine vollumfänglich anerkennen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine gefährdet das Friedensprojekt Europa.“ Beide Seiten versicherten, sie seien „in Gedanken bei den Menschen in der Ukraine“. Das Land mit seinem reichen Kulturerbe habe „ein Recht auf nationale Selbstbestimmung, die in diesen Tagen mit Füßen getreten wird“.
In Deutschland organisierte das Bistum Mainz für diesen Donnerstag Mittag ein „Friedensläuten“ aller Pfarreien. Bischof Peter Kohlgraf von Mainz ist auch Präsident der katholischen deutschen Friedensbewegung „pax christi“. Am Freitag Abend lädt Kohlgraf zu einem Online-Friedensgebet ein. In München, der Partnerstadt von Kiew, finden am Donnerstag und Freitag Friedensgebete statt.
„Pax christi“ betet auch für Russen
Ein „pax christi“-Statement stellte klar, dass nicht nur für die Ukrainer, sondern auch für die Russen gebetet werden solle: „Denn wir sind mit beiden Bevölkerungen - wie mit allen Menschen - in unserer Sehnsucht nach Frieden verbunden“. „Deeskalation“ sei jetzt „das Gebot der Stunde“. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße wird am Sonntag mit der ukrainisch-katholischen Gemeinde der Hansestadt einen Gottesdienst feiern.
Lackner: Jüngste Entwicklungen „schockierend und erschütternd“
Zu einem „sofortigen Ende der kriegerischen Handlungen und zu Gebet sowie humanitärer Hilfe für die Menschen in der Ukraine“ hat der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, aufgerufen. Die Berichte über den russischen Angriff auf die Ukraine und die jüngsten politischen Entwicklungen zwischen Russland, der Ukraine und der ganzen Welt seien „schockierend und erschütternd“, so der Salzburger Erzbischof am Donnerstag.
„Die zahlreichen Aufrufe zur Deeskalation wurden nicht gehört. Umso mehr ist es nun unsere Pflicht, solidarisch mit allen zu sein, die sich für den Frieden einsetzen, die unter dem aufziehenden Grauen des Krieges leiden.“ Lackner lädt für Samstag Abend zu einem ökumenischen Friedensgebet in den Salzburger Dom ein.
Zu Gebet und Hilfe hat auch der Kardinal Christoph Schönborn aufgerufen. „Der Krieg in der Ukraine geht uns alle an. Er ist eine menschliche Tragödie, die uns nicht gleichgültig sein darf. Die Ukraine ist uns so nahe, die Menschen dort brauchen unsere unbedingte Solidarität und unser Gebet“, schrieb der Wiener Erzbischof am Donnerstag auf Twitter.
Caritas warnt vor humanitärer Katastrophe
Der internationale Caritasverband macht sich an diesem Donnerstag einen Appell seines ukrainischen Mitglieds zu eigen. Danach ist eine „riesige humanitäre Katastrophe“ in der Ukraine „unausweichlich“. „Es ist kaum zu glauben, dass im Herzen Europas im 21. Jahrhundert Menschen um 5 Uhr früh aufwachen, weil sie Explosionen und Sirenen hören.“
Die weltweite Caritas bittet um Spenden für die Caritas der Ukraine. Polens Caritas hat 100.000 Euro Soforthilfe angekündigt. Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki von Posen, verurteilt in einer Erklärung „die Handlungen Russlands und Wladimir Putins aufs Schärfste und erkenne sie als einen inakzeptablen und beschämenden Akt der Barbarei an“. In den polnischen Kirchen soll die Kollekte vom nächsten Sonntag und vom Aschermittwoch für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bestimmt sein.
Von Freiburg aus warnt „Caritas international“ an diesem Donnerstag vor einer „drohenden humanitären Katastrophe in der Ukraine“. Wie das katholische Osteuropa-Hilfswerk „Renovabis“ geht auch „Caritas international“ davon aus, dass viele Menschen aus der Ukraine flüchten werden. Alle 37 örtlichen Caritas-Strukturen in der Ukraine seien auf die Aufnahme von Flüchtlingen eingestellt.
„In sehr großer Sorge sind wir um die Menschen in den Regionen Donezk und Luhansk. In den bisherigen Pufferzonen zwischen Ukraine und Separatistengebieten sind vor allem Alte und Kranke zurückgeblieben. Ihnen jetzt weiter zu helfen, wird extrem schwierig.“
„Kirche in Not“ bringt Nothilfe-Paket für Ukraine auf den Weg
Das Nothilfe-Paket in Höhe von einer Million Euro soll nach dem Kriegsausbruch Priestern und Ordensleuten zugutekommen, die landesweit in Pfarreien, Waisenhäusern, Altenheimen und mit Flüchtlingen arbeiten, wie „Kirche in Not" am Donnerstag in München mitteilte. Nach Auskunft des Geschäftsführenden Präsidenten, Thomas Heine-Geldern, hat die Nothilfe für die Arbeit der Kirche in den Kriegsgebieten auch eine psychologische Funktion. Sie soll Priester und Ordensleute zum Bleiben anregen.
Gefragt ist „Willkommenskultur der Nächstenliebe"
Das Hilfswerk Renovabis hat seine Sorge um die nach dem Kriegsausbruch zu erwartende Flüchtlingswelle erneuert. Je nach Verlauf würden Menschen aus der Ukraine in den benachbarten EU-Ländern wie Rumänien, Polen und Tschechien Zuflucht suchen, gegebenenfalls auch in Deutschland. „Wir müssen uns jetzt darauf vorbereiten zu helfen, wo wir können", riet Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz am Donnerstag. Gefragt sei eine „Willkommenskultur der Nächstenliebe" in allen Ländern Europas.
Kinder auf der Flucht
Das Kinderhilfswerk „Save the children“ lenkt die Aufmerksamkeit vor allem auf die Lage der Kinder in der Ukraine. Etwa sieben Millionen Kinder seien jetzt in körperlicher, aber auch seelischer Gefahr, sie stünden im „Kreuzfeuer eines Krieges der Erwachsenen“. In der Ostukraine hätten seit Montag über 100.000 Kinder mit ihren Familien deren Häuser verlassen müssen.
Die „Diakonie Katastrophenhilfe“ hat 500.000 Euro Soforthilfe für die von den Kampfhandlungen in der Ukraine betroffenen Menschen bereitgestellt. „Den Preis für diesen Krieg werden die Menschen zahlen, die vollkommen unverschuldet ihre Sicherheit und ihr Zuhause verlieren werden“, so der Verband am Donnerstag.
Der Krieg herrsche nicht nur im Osten der Ukraine, sondern auch in den bislang friedlichen Regionen des Landes. „Sobald klarer wird, wohin die Menschen in ihrer Not fliehen, werden wir mit unseren Partnern alles tun, um ihr Überleben zu sichern.“
„Das zweitgrößte Land Europas im Ausnahmezustand“
Als eine „Niederlage für die Menschlichkeit“ bezeichnet der österreichische Caritas-Präsident Michael Landau den russischen Einmarsch in der Ukraine. Da sei ein Krieg ausgebrochen, „den die Menschen in der Ukraine nicht verursacht haben und den sich niemand im Land gewünscht hat“, so Landau, der auch Präsident von Caritas Europa ist.
„Das zweitgrößte Land Europas befindet sich im absoluten Ausnahmezustand! Wir müssen jetzt helfen!“
(vatican news – sk)
- wird fortlaufend aktualisiert -
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