Kardinal Müller besucht Grenze zur Ukraine
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Wir erreichten Kardinal Müller um 13 Uhr telefonisch im polnischen Dorf Medyka, 13 km östlich von Przemysl gelegen – und 86 km vom ukrainischen Lemberg entfernt. „Wir sind direkt an der Grenze, und da sieht man die Leute wirklich zu Tausenden kommen! Das ist ein Bild des Jammers – man kann richtig weinen. Lauter Frauen mit Kindern, das ist unglaublich…“
Kardinal Müller, der auch polnisch spricht, ist beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Polen. „Wir waren jetzt auch in einem großen Turnsaal, wo ein Bett neben dem anderen steht. Die Kinder werden mit Nahrung versorgt; die Caritas macht hier sehr viel. Der Bürgermeister ist 18 Stunden jeden Tag unterwegs, und jetzt vor kurzem sind an einem Tag 8.000 Menschen auf einen Schlag gekommen. Die Situation hier ist unbeschreiblich.“
Überrascht von der polnischen Hilfsbereitschaft
Überrascht ist der Kardinal von den vielen freiwilligen Helfern, vor allem Jugendlichen – und davon, dass sie nicht nur aus Polen stammen. „Ich habe mit ihnen in mehreren Sprachen gesprochen, bis Venezuela und USA! Überall sind Jugendliche, die hier helfen, Kleidung und Essen ausgeben, die Formalitäten ausfüllen und den Leuten helfen mit verschiedenen Sprachen – also, es ist unglaublich. Auch die Hilfsbereitschaft der Polen ist ja wirklich nicht zu toppen, wie die Leute hier so herzlich empfangen werden.“
Viele Polen machten ukrainischen Flüchtlingen bei sich zuhause Platz. Insgesamt hat Polen seit Ausbruch des Kriegs schon über zwei Millionen Ukrainer aufgenommen. „Nicht nur der Staat oder die Organisationen, sondern auch die Privatpersonen helfen – obwohl nach dem Zweiten Weltkrieg hier das Verhältnis zu den Ukrainern ziemlich gespannt war. Kommunistische und nationalistische Ukrainer haben in der Gegend von Lemberg viele Gräueltaten an den Polen verübt...“
„Sehr bewegt über das Elend der Menschen“
Er sei „sehr bewegt über das Elend der Menschen“, sagt uns Kardinal Müller. Zu denken gebe ihm auch, dass all das Leid „von einem einzelnen Mann verursacht worden“ sei – das erinnere ihn an den Zweiten Weltkrieg, bei dem Hitler letztlich „das ganze Elend verursacht“ habe. „Das war die einsame Entscheidung eines einzelnen Menschen, der so ein Unheil verursachen kann – Tausende, Abertausende, Millionen von Menschen auf der Flucht!“ Hier an der ukrainischen Grenze könne man „wirklich sehen, was die Auswirkungen des Bösen sind“.
Auf der anderen Seite sei die Hilfsbereitschaft, die er jetzt auf polnischer Seite feststelle, „von christlichem Geist getragen“. Dafür danke er all seinen Gesprächspartnern. „Die Caritas hier in der Gegend tut sich ganz besonders hervor; sie organisiert das alles zusammen mit staatlichen Behörden. Das ist wirklich eine gute Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat, wie man sich das überall wünschen kann, zugunsten der Menschen.“
Wie im Gleichnis vom barmherzigen Samariter
Das, was er an der ukrainischen Grenze sieht, lässt den früheren Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation (2012-17) an das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) denken.
„Für uns ist es natürlich wichtig, dass wir das aus christlichem Geist heraus tun, dem Geist der Nächstenliebe… dass wir wirklich nicht an den Leuten vorbeigehen und denken ‚Sollen sich doch andere darum kümmern‘ - sondern handeln wie dieser barmherzige Samariter, der aus Mitleid mit dem, der unter die Räuber gefallen ist, von seinem Lasttier absteigt und dem Verwundeten und Verletzten, dem Vertriebenen ganz konkret praktisch hilft und ihn auch bis in die Herberge hinein begleitet.“
Hoffnung auf „Bekehrung derer, die das Ganze verursachen“
An diesem Freitagabend wird Papst Franziskus in Rom Russland und die Ukraine dem unbefleckten Herzen Mariens weihen. Kardinal Gerhard Ludwig Müller wird zur gleichen Zeit in einem südpolnischen Wallfahrtsort die Messe zum Fest Mariä Verkündigung feiern.
„Und dann werden wir auch das Gebet des Papstes beten und mit der ganzen Weltkirche übereinstimmen in der Weihe dieser beiden Länder und der Menschen, die dort wohnen, an Maria. Wir verbinden uns mit dem Gebet mit der Muttergottes für die Leidenden – aber auch für die Bekehrung derer, die das Ganze verursachen!“
(vatican news)
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