Kardinal Bo: „In Myanmar gleiche Verbrechen wie in der Ukraine“
Der Erzbischof von Yangon weist auch darauf hin, dass die Christen durch das Militär besonders ins Fadenkreuz genommen werden – und dass die Zahl der Binnenvertriebenen drastisch zugenommen hat.
„Wir befinden uns immer noch auf Golgatha auf dem Kalvarienberg“, meint Kardinal Bo am Mikrofon von Radio Vatikan. Erst am vergangenen Freitagabend seien die Soldaten in die Kathedrale von Mandalay eingedrungen, in der die Gläubigen den Kreuzweg beteten. Wehrlose Menschen seien an diesem heiligen Ort in Angst und Schrecken versetzt worden, betont der Erzbischof. „Die Opfer des Krieges, die Flüchtlinge, die trauernden Witwen und die vaterlosen Kinder, die jungen Männer und Frauen, die in den Dschungeln Myanmars sterben, lassen die Leiden Christi wieder aufleben. Wir beklagen, dass wir diese Konflikte nicht aus eigener Kraft lösen konnten - dass unsere Bemühungen um Frieden bisher vergeblich waren. Gott leidet in seinem Volk. Der Schmerz der letzten Stunden Jesu spiegelt sich in den Augen und Herzen der Mütter wider, deren Söhne und Ehemänner in Myanmar wie in der Ukraine sterben. Sie leben jetzt den Weg des Kreuzes.“
Brutaler Krieg
Die Situation in Myanmar sei angesichts des Mehrfrontenkrieges für alle von großem Stress geprägt. Doch auch diejenigen, die nicht direkt von den brutalen Kriegshandlungen betroffen seien, litten unter dem Zusammenbruch der Wirtschaft und der Grundversorgung: „Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist verarmt, und die Lebensmittelpreise eskalieren. Aber was die Menschen am meisten spüren und sie am meisten ärgert, vor allem die jungen Leute, ist, dass ihnen ihre Zukunft genommen wird. All dies ist so eine Verschwendung.“
Die Katholiken in Myanmar litten genauso wie die anderen und „möglicherweise noch mehr“, weil die größte Gewalt in den Gemeinden mit christlicher Bevölkerungsmehrheit verübt werde, so Bo, der darauf hinweist, dass bereits über 15 Kirchen und Klöster geschändet, geplündert oder bombardiert worden seien.
„Die Militärstrategie zur Bekämpfung von Aufständen besteht darin, die Basis für jeglichen Widerstand in den Gemeinden zu zerstören. In dieser alles verschlingenden Dunkelheit der Gewalt und des schlichten Bösen kann die Kirche das Gerede von Rache und noch mehr Gewalt nicht unterstützen. Wir haben immer wieder für die Versöhnung plädiert.“
Zwar verstehe man die „tiefe Enttäuschung der Jugend“, betont Bo, der sich jedoch „zutiefst beunruhigt“ zeigte, was die zahlreichen bewaffneten Gruppen betreffe, „die weder eine Führung noch eine gemeinsame Strategie haben“: „In Gebieten, in denen unorganisierte Volksverteidigungskräfte (PDF) ohne klare Ziele operieren, kommt es zu brutaler Vergeltungsgewalt durch die Armee, durch die leider Tausende vertrieben werden.“
Flüchtlingskrise
Die Flüchtlingskrise habe nochmals stark zugenommen. Zu den anfänglich 370.000 Vertriebenen seien dem jüngsten UN-Bericht zufolge nochmals 520.000 Flüchtlinge dazugekommen. Diese hätten „eine Botschaft an die Führer der Welt“, zeigt sich der Kardinal überzeugt: „Vor kurzem bin ich in den Bundesstaat Kayah gereist, um den Vertriebenen zuzuhören, aber aufgrund der Kontrollen und der Zeit konnte ich nur einige wenige von ihnen treffen. Meine Botschaft an sie ist, dass ich von ihnen hören möchte, um ihr Leid zu verstehen, um zu erfahren, was ihnen widerfahren ist.“
Die Weltgemeinschaft müsse verstehen, dass in Myanmar die gleichen Verbrechen begangen würden wie in der Ukraine, „sogar mit den gleichen russischen Vernichtungswaffen“, gibt der Erzbischof von Yangon zu bedenken: „Unser erster Appell gilt dem Frieden. Unser Appell lautet: Es reicht! Stoppt das Töten und die obszöne Brutalität!“
Humanitäre Notlage
Viele Menschen in Myanmar bräuchten dringend Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung, während die großen humanitären Organisationen im Lande keinen Zugang zu den Menschen bekämen, die ihre Hilfe brauchen, klagt der Kardinal an und appelliert: „Gewähren Sie zumindest den Zugang für humanitäre Hilfe. Wir, die katholische Kirche, versuchen zu helfen, mit unseren eigenen Mitteln. Wir befürchten, dass Caritas Internationalis ihre Aufmerksamkeit jetzt auf die Ukraine richtet und anderen Kriegsopfern nicht helfen kann.“
Viel Anlass zur Hoffnung gebe es angesichts dieser Situation nicht, gesteht der Kirchenmann ein. Allerdings hätten die Menschen in Myanmar bereits sieben Jahrzehnte von Militärherrschaft erlebt, und könnten nun einordnen, was sie in noch schlimmerer Form heute erlebten: „Die Menschen lassen sich nicht von Lügen täuschen. Eine Quelle der Hoffnung ist die schiere Unverwüstlichkeit und der gesunde Menschenverstand der Menschen.“
Damit meint der Kardinal die Tatsache, dass die Menschen um des Überlebens willen unermüdlich nach neuen, bescheidenen Einnahmequellen Ausschau halten. So sammelten einige Plastik und Metall, um es dann wieder zu verkaufen, während andere kleine Lebensmittelstände aufbauten: „Als Christen finden wir Hoffnung in dem tiefen Geheimnis der Torheit des Kreuzes. Alle Menschen verspotteten Jesus, damit er sich selbst rettet, das heißt, damit er vom Kreuz herunterkommt. Nur der gute Schächer konnte erkennen, dass Jesus eine andere Art der Rettung bringt. Wir sind eingeladen, den Glauben dieses guten Schächers zu teilen. Ein Jünger Jesu zu sein, befreit uns nicht vom Tod - vielmehr verlangt es von uns ein tägliches Sterben. In unserem Fall werden Verfolgung und Ungerechtigkeit nur allzu real.“
Papst trägt Myanmar im Herzen
Der Besuch des Papstes von 2017 sei den Menschen noch gut im Gedächtnis, doch vor allem werde deutlich, dass Franziskus Myanmar nach wie vor im Herzen trage, zeigt sich der Kardinal, der den Papst bei seiner damaligen Reise begleitet hatte, überzeugt. „Papst Franziskus erinnert sich an die Menschen in Myanmar. Er hat uns bereits zehnmal in herzlichen Botschaften des Trostes und der Herausforderung erwähnt. Myanmar liegt ihm sehr am Herzen.“ Viele Menschen hätten große Opfer gebracht, um ihn 2017 in Yangon zu sehen. „Es war ein Moment der Solidarität für die Kirche von Myanmar. Großes Mitgefühl empfand er auch für die Flüchtlinge aus Myanmar, die er in Bangladesch traf. Seine Aufmerksamkeit für die Flüchtlinge ist eine Lehre für uns, dass wir unseren Weg zur Freiheit wieder aufnehmen werden, wenn wir unseren leidenden Brüdern und Schwestern Aufmerksamkeit schenken.“
(vatican news - cs)
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