Deutsche in Kasachstan werden wieder mehr
Gudrun Sailer – Nur-Sultan
„Zurzeit haben wir 226.000 ethnische Deutsche, die in Kasachstan leben, das sind die neuesten Zahlen, und wir sehen, dass die Zahlen wachsen.“ Rund 1,2 Prozent der Kasachen sind damit heute Kasachendeutsche. Yevgeniy Bolgert, den wir am Sitz seiner Vereinigung in Nur-Sultan besuchen, referiert die Ergebnisse der Volkszählung des Wirtschaftsministeriums 2021 mit Stolz und ein wenig Erleichterung. Er ist in Kasachstan geboren und aufgewachsen, studiert hat er in St. Petersburg und in Dresden. Doch während sein Vater und seine Großmutter heute in Bayern leben, ist er selbst in seinem Heimatland geblieben. Und damit liegt er gleichsam im Trend.
Seit der Unabhängigkeit Kasachstans von Russland 1991 siedelten zahllose ethnische Deutsche nach Deutschland über, wo sie als Spätaussiedler sofort die Staatsbürgerschaft erhielten. Der Trend ist nach Einschätzung Bolgerts nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt: „Die Leute, die aus Kasachstan vor 20 oder 30 Jahren nach Deutschland ausgesiedelt sind, die kommen zurück. Sie kriegen auch einen kasachischen Pass und fangen wieder hier zu leben an.“ Und die, die hier geblieben sind, bekommen mehr Kinder, weil sie sich sicher fühlen, wie Bolgert unterstreicht.
Wie kamen die Deutschen historisch nach Kasachstan? Letztlich durch Zwangsumsiedelung. Stalin deportierte die Wolgadeutschen und die Ukraine-Deutschen in die Steppen Zentralasiens, besonders in Lager in Kasachstan. Die deutschstämmige Bevölkerung – entweder katholisch oder evangelisch – sah sich massiver Unterdrückung durch die Kommunisten ausgesetzt. Seit den 1950er Jahren, besonders aber seit dem Zerfall der Sowjetunion ab 1991 nutzten nach offiziellen Angaben aus Berlin rund 4,5 Millionen Menschen deutscher Abstammung mit ihren Angehörigen die Möglichkeit, nach Deutschland zu übersiedeln. Heute kehren einige zurück.
Kasachstandeutsche: Keine homogene Gruppe
Eine ganz homogene Gruppe sind die Kasachstandeutschen allerdings nicht, erklärt Yevgeniy Bolgert. In den Städten entstehen viele Ehen zwischen den einzelnen Volksgruppen, auf dem Land ist das noch anders. Die religiöse Zugehörigkeit ist ebenfalls in Entwicklung. „Die Kasachstandeutschen sind grundsätzlich katholisch oder evangelisch. Dafür gibt es alle Möglichkeiten. Die ältere Generation ist mehr gläubig, sie haben viele Erinnerungen an die schwierigen Zeiten in der sowjetischen Zeit. Die Priester und Gläubigen in den Gemeinden haben viel Hilfe gebracht. Die jungen Menschen sind, wie in anderen Ländern, progressiv. Aber es kommt mit dem Alter zurück. Wenn du erwachsen bist, glaubst du an Gott.“
(vatican news – gs)
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