Erzbischof Hubertus van Megen, Apostolischer Nuntius im Südsudan Erzbischof Hubertus van Megen, Apostolischer Nuntius im Südsudan 

Südsudan: „Seit 2019 hat sich die Lage irgendwie beruhigt“

Der Konflikt im Südsudan dort ist nicht nur ein paar Jahre alt, sondern viel tiefgehender. Dennoch: „Seit 2019 hat sich die Lage irgendwie beruhigt“, sagt der päpstliche Nuntius des Papstes in Juba, Erzbischof Hubertus Matheus Maria van Megen, im Gespräch mit uns.

„Südsudan hat jede Menge Probleme und hat sie schon seit langem“, so der niederländische Vatikandiplomat in einem Telefoninterview mit Radio Vatikan.

„Man kann schon sagen, dass das bis zur Unabhängigkeit des damals größeren Sudan von Großbritannien 1958 zurückreicht. Schon ein paar Jahre später fing eigentlich der Konflikt im Süden schon an, und das hat dann angedauert – mal mehr, mal weniger intensiv – bis ungefähr zur Unabhängigkeit des Südsudan im Jahr 2011. Dann war es wieder eine Zeit lang ruhig; doch 2013 kam es erneut zum Streit.“

Unglaubliche Massaker

„Kirche ist nicht vor Bürgerkrieg geflüchtet, sondern hat ausgeharrt“

Während des neuerlichen Bürgerkriegs habe es „unglaubliche Massaker“ gegeben, so der Nuntius. Immerhin habe sich die Lage seit 2019 „dann doch irgendwie beruhigt“: „Es gibt noch immer Konflikte, aber nicht mehr so große wie damals. Das ist schon weniger geworden“.

Die katholische Kirche habe im Südsudan „eine enorme Autorität“: „Das kommt vor allem auch daher, dass die katholische Kirche in all diesen Jahren des Konflikts und des Leidens nie geflüchtet, sondern immer dageblieben ist. Ich denke da vor allem an die Comboni-Missonare und -Missionarinnen, die im Land aktiv waren und noch immer sind – die haben die Leute nie alleine gelassen, und die Leute schätzen das sehr. Sie haben das nie vergessen und werden es auch nicht vergessen.“

Größere Autorität als Staat und Regierung

Die Kirche habe im Südsudan in gewisser Hinsicht wohl „sogar mehr Autorität als der Staat und die Regierung“, urteilt der Vertreter von Papst Franziskus in Juba. Wenn die Frage aufkomme „Wie gehen wir jetzt weiter?“, blicke alles auf die Kirche – auch deswegen, weil sie „viel in Schulen und Kliniken investiert“ und damit „dazu beigetragen hat, dass das Land doch irgendwie strukturiert ist“. Die Kirche sei auch da präsent, wo der Arm staatlicher Behörden nicht hinreiche.

Hier unser Interview mit Nuntius Hubertus van Megen in voller Länge zum Hören:

Ungefähr die Hälfte der südsudanesischen Bevölkerung gehört der katholischen Kirche an. Doch auch die Anglikaner sind im Land stark vertreten. Den Menschen im Südsudan sind – diesen Eindruck hat der Nuntius – die Unterschiede zwischen den Konfessionen nicht so wichtig.

„Kirchen im Südsudan achten nicht so auf die Unterschiede“

„Wenn man mit den Südsudanesen selber spricht (also auch mit den Leitern der verschiedenen Kirchen!), dann wird es einem gleich klar, dass diese Unterschiede und diese Trennung zwischen den offiziellen Kirchen im Südsudan nicht so empfunden wird. Das Volk leidet so sehr und sucht nach einer gewissen Stabilität und Frieden; das übersteigt sozusagen die Identitäten der verschiedenen Kirchen. In diesem Sinn sind die Kirchen im Südsudan eins und arbeiten zusammen für das Volk.“


Darum ist es nur konsequent, dass der Papst nicht allein in den Südsudan reist, sondern den anglikanischen Primas von Canterbury und den Leiter der schottischen Calvinisten an seiner Seite hat. Diese „Ökumenische Pilgerreise für den Frieden“ ist eine Premiere – und für Erzbischof van Megen „ein weiteres Zeichen für diese Zusammenarbeit, diese Ökumene zwischen den verschiedenen Kirchen“.

Gutes Beispiel für die Politik

„Wir als Kirchen, wir wollen zusammenarbeiten für das Volk von Südsudan!“

„Das soll auch ein Zeugnis sein gegenüber der Regierung und den verschiedenen politischen Fraktionen, um zu sagen: Wir als Kirchen, wir wollen zusammenarbeiten für das Volk von Südsudan! Versucht ihr doch, dasselbe zu tun wie wir, damit wir alle eins sind und damit wir alle für Frieden und Gerechtigkeit für den Südsudan zusammenarbeiten!“ Südsudans Präsident Kiir ist Katholik, sein Vizepräsident Machar Presbyterianer.

Was bräuchte der Südsudan jetzt eigentlich am dringendsten? Auf diese Frage hin zögert der Vatikandiplomat. Es gehe natürlich um Frieden, aber auch um so viel anderes.

„Es geht etwa um die Schulausbildung von Menschen, denn immer noch gibt es sehr viel Analphabetismus im Lande, und der Südsudan ist wohl eines der drei am wenigsten alphabetisierten Länder Afrikas. Dann ist die Gesundheitsversorgung immer noch ein enormes Problem; in vielen Dörfern und Städten gibt es kaum Hospitäler, kaum Kliniken… Und es hat in den letzten drei Jahren enorme Überschwemmungen gegeben in dem Land, vor allem am Nil entlang. Viele Leute haben ihre Dörfer verlassen müssen und leben in IDP-Camps; oftmals sind da 100.000 oder 50.000 Leute zusammengepfercht.“ Das Kürzel IDP steht für „internally displaced people“, also für Binnenflüchtlinge.

Es fehlt an allem

„Die Journalisten kommen gar nicht hierhin“

Es fehle einfach „an allem“ im Südsudan, seufzt der Kirchenmann. Eine schwere Hypothek bedeute auch das Fehlen von Infrastruktur: „Es gibt keine großen Straßen, es gibt keine Eisenbahn, es gibt kaum Elektrizität im Lande. Auch der Nil ist nicht wirklich befahrbar. Dadurch wird es natürlich auch sehr schwierig, die verschiedenen Regionen im Lande zu erreichen, außer mit dem Flugzeug.“ Vor allem aber würden deshalb „viele dramatischen Situationen gar nicht bekannt“.

„Die Journalisten kommen gar nicht hierhin. Und wenn ein Journalist das nicht sieht, kommt es nicht in die Zeitung, kommt das nicht in die Medien – also, für die Welt existiert es nicht. Das Leiden ist da, aber keiner weiß davon…“

(vatican news – sk/gs)
 

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03. Februar 2023, 10:54