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Irak: „Hunderttausende von Menschen verschwunden“

Im Irak haben Milizen, Armee und Polizeiorganisationen in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Hunderttausend Menschen verschwinden lassen. Das geht aus einem am Dienstag in Genf vorgestellten UNO-Bericht hervor.

Viele Fälle betreffen demnach auch die Zeit der vorwiegend US-amerikanischen und britischen Besetzung von 2003 bis 2011. Die Praxis setze sich bis in die Gegenwart fort. Der UNO-Ausschuss gegen erzwungenes Verschwindenlassen rief die Regierung in Bagdad auf, das Strafrecht anzupassen, die Zusammenarbeit der Behörden besser zu koordinieren und ein nationales Register für verschwundene Personen zu schaffen.

Im November hatte der Ausschuss den Irak knapp zwei Wochen besucht. Zu der Delegation gehörte die Deutsche Barbara Lochbihler als Vizevorsitzende des Gremiums. Laut dem Bericht spiegelte sich das Phänomen des Verschwindenlassens in offiziellen Stellungnahmen irakischer Behörden nicht wider, während unter der Hand durchaus präzise Daten zu erhalten waren. Bis heute gebe es aber keine verlässlichen Zahlen.

Keine verlässlichen Zahlen

Schätzungen zufolge wurden allein während der Herrschaft der Baath-Partei und Saddam Husseins von 1968 bis 2003 bis zu 290.000 Personen beiseitegeschafft, unter ihnen 100.000 Kurden. Im Iran-Irak-Krieg 1980-1988 verschwanden 50.000 bis 70.000 Männer und Jungen, von denen nach der Hoffnung von Angehörigen noch immer einige in iranischen Lagern leben könnten. Nach dem Sturz Husseins wurden laut dem Bericht zeitweise 96.000 Iraker in Gefängnissen unter US-amerikanischer und britischer Leitung inhaftiert, vielfach ohne dass ihre Familien Nachricht erhielten.

Markt in Bagdad
Markt in Bagdad

Im Zuge der Beseitigung des alten Baath-Regimes ließen Sicherheitskräfte und Milizen nach den UN-Angaben allein in den Jahren 2006 und 2007 Zehntausende verschwinden. Während dieser Periode seien beim gerichtsmedizinischen Institut in Bagdad rund 20.000 Leichen abgeliefert worden, von denen die meisten nicht identifiziert werden konnten.

Praxis setzte sich nach Abzug der US-Truppen fort

Nach dem Abzug der US-Truppen setzte sich die Praxis des Verschwindenlassens mutmaßlicher ehemaliger Baath-Mitglieder und angeblicher Terroristen fort. 2014 bis 2017 entführten und ermordeten Kämpfer des „Islamischen Staats“ Tausende Menschen; im Distrikt Sindschar wurden den Vereinten Nationen zufolge binnen weniger Tage rund 6.800 Jesiden verschleppt und 3.100 getötet. Weiter berichtete der Ausschuss von zahlreichen Vorwürfen, dass in Zusammenhang mit den regierungskritischen Protesten 2018 bis 2020 festgenommene Demonstranten verschwunden seien oder an unbekanntem Ort eingesperrt würden.

(kna – sk)
 

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04. April 2023, 11:38