Synode: Nordamerika veröffentlicht Kontinental-Schlussdokument
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Das rund 35-Seiten lange Dokument auf Englisch fasst die Ergebnisse des Nordamerika-Kontinentaltreffens der katholischen Kirche zusammen, zu dem es von Dezember 2022 bis Januar 2023 insgesamt zwölf Video-Konferenzen gegeben hatte. Dazu wurden insgesamt 57 Themenpunkte genauer herausgearbeitet und drei Schlüsselbereiche betont: „Berufen und beschenkt durch die Taufe: Bedeutung der Würde und Verantwortung unserer gemeinsamen Taufe; -Gemeinschaft mit Christus und untereinander: Belastungen für unsere kirchliche Gemeinschaft im heutigen Nordamerika erkennen und Wege für die Zukunft finden" und drittens: „In die Mission gesandt: Unsere gemeinsame Berufung aus der Taufe heraus leben, um die Gute Nachricht in die Welt zu bringen".
Thema sind unter anderem Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der katholischen Kirche - etwa im Kontext sexueller Gewalt und Unterdrückung. Mit Blick auf Kanada geht es da auch um die Fälle in den residential schools, für die Papst Franziskus auch vor Ort bei seiner Kanada-Reise im Sommer 2022 um Vergebung gebeten hatte.
Sexuelle Gewalt und Umgang mit Indigenen
„Eines der größten Spannungsfelder in Nordamerika ist die Krise sexuellen Missbrauchs durch Geistliche und ihre Auswirkungen, die zu einem Vertrauensverlust geführt haben, der nicht hoch genug geschätzt werden kann. Viele Menschen tragen noch immer die Wunden des Missbrauchs mit sich, und viele andere haben ihr Vertrauen in den Klerus und in die Institutionen der Kirche verloren. Zu dieser Realität kommt noch das historische Unrecht hinzu, das in den Internaten für indigene Völker begangen wurde, in denen es ebenfalls zu Missbrauch jeglicher Art kam", heißt es im Schlussdokument der Nordamerika-Kontinentalphase.
Es gelte, sich dieser Realität zu stellen. Auch wenn bereits viel zur Aufarbeitung getan wurde, zur Heilung und zur Prävention, sei „offensichtlich, dass mehr getan werden muss, um das Vertrauen wiederherzustellen." Bei vielen der Zuhörsitzungen während der Nordamerika-Koninentalphase der Synode sei ein „kultureller Wandel in der Kirche im Hinblick auf mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Mitverantwortung" gefordert worden. Synodalität, so die Meinung vieler, sei „ein wunderbarer Weg, um durch Dialog Vertrauen aufzubauen".
Die Ureinwohner dürften dabei nicht vergessen werden. „ Wir müssen sie wissen lassen, dass wir die Probleme verstehen, mit denen sie in ihrem täglichen Leben zu tun haben, und dass wir ihnen zuhören. Eine Frau, die in ihrer indigenen Gemeinschaft eine führende Rolle spielt, sagte zu einem kanadischen Bischof: ,Geben Sie uns nicht auf. Ja, wir trauern und ja, wir sind wütend, aber geben Sie uns nicht auf'. Dieser Aspekt der Synodenerfahrung gilt auch für die Auseinandersetzung mit der Wut und dem Misstrauen, die durch die anhaltenden Auswirkungen der Krise des sexuellen Missbrauchs verursacht werden. Die Bischöfe bitten auch darum, dass die Menschen uns nicht aufgeben."
Keinen ausschließen
Der Text greift zudem aus den nationalen Berichten, dem Arbeitsdokument für die kontinentale Ebene und der Nordamerika-Kontinental-Konferenz einen Wunsch nach mehr Einbeziehung von Menschen auf, die sich ausgeschlossen fühlen: „Zu den Gruppen, die während der kontinentalen Phase genannt wurden, gehörten Frauen, junge Menschen, Einwanderer, rassische oder sprachliche Minderheiten, LGBTQ+-Personen, Menschen, die geschieden und ohne (kirchliche Ehe- Anm. D. Re.) Annullierung wiederverheiratet sind, und Menschen mit unterschiedlichen körperlichen oder geistigen Fähigkeiten. Auch wenn die Gründe dafür, dass die Kirche als ungastlich empfunden wird, unterschiedlich sein mögen, so ist doch allen gemeinsam, dass die Kirche die Würde eines jeden Menschen, der getauft wurde, authentisch ehren muss", heißt es dazu.
In diesem Zusammenhang geht es auch um den Empfang der Eucharistie. Der Ausschluss von diesem Sakrament führe bei einigen Menschen zu „tiefem Gefühl des Leidens". Konkret genannt werden hier etwa wiederverheiratete Geschiedene ohne katholische Annulierung sowie „andere, deren objektive Lebenssituation im Widerspruch zu den Überzeugungen und Lehren der Kirche steht. Außerdem sprachen einige Delegierte von denjenigen, die durch die Einschränkungen des vorkonziliaren lateinischen Ritus verletzt wurden." Leider werde „Liturgie nicht immer als verbindend erlebt".
Mehrfach wird in dem Text auch deutlich, dass mehr Mit-Verantwortung (auch von Laien) wichtig sei.
Gastfreundlich und den Lehren treu
Neben dem Wunsch, eine integrativere und einladendere Kirche zu sein, bestehe auch „die Notwendigkeit, zu verstehen, wie man gastfreundlicher sein und gleichzeitig der kirchlichen Lehre treu bleiben kann". Ein Delegierter erinnerte in dem Zusammenhang daran, dass „Zuhören nicht immer bedeutet, dass man die Antwort bekommt, die man sich wünscht", während ein anderer darauf hinwies, „dass Zuhören uns hilft, die Perspektiven anderer zu verstehen und sie dadurch willkommen zu heißen".
Synodalität, geistliche Unterscheidung, Mission und Gebet fördern
Das Schlussdokument der Nordamerika-Kontinentalphase betont auch, Synodalität müsse als wichtiges Instrument für die Kirche weiter eingeübt und beibehalten werden. „Das Geschenk, zusammen an einem Ort zu sein und einander zuzuhören, ist vielleicht die beste Lektion, die wir während der Kontinentalen Phase in Nordamerika gelernt haben", heißt es unter Punkt 57. Explizit betont wird auch die Rolle des Heiligen Geistes und der geistlichen Unterscheidung.
Auch das Schlussdokument der Nordamerika-Kontinentalphase sei ein „Zeugnis für das Wirken des Heiligen Geistes in der Gemeinschaft der Getauften, deren Stimmen eine einzigartige Würde haben". Während die nächsten Schritte des Synodalen Prozesses im Oktober 2023 und 2024 in Rom stattfinden, könnten bereits „viele wichtige Früchte der Synodalität die Arbeit lokaler Gemeinschaften im geistlichen Gespräch sein, die auf die Stimme Christi und aufeinander achten", heißt es in dem Dokument. „Unser gemeinsames Ziel ist es, eine hörendere und kritischere Kirche aufzubauen, die in ihrer kirchlichen Gemeinschaft gestärkt wird und sich ihrer gemeinsamen Mission verpflichtet, der Welt das Geheimnis Jesu Christi zu verkünden." Wichtig sei auch, Ausbildung bei Glaubensthemen und Übung der geistlichen Unterscheidung.
Zuhören - und fehlende Stimmen
Immer wieder betont der Text auch, dass einander zuhören sehr wichtig ist. Die Delegierten berichteten, dass die Synode sowohl eine Erfahrung des Gehörtwerdens als auch des Zuhörens war. Ein Problem des bisherigen Synodalen Prozesses in Nordamerika sei, dass manche Stimmen fehlten: „Wir müssen jedoch anerkennen, dass die vor uns liegende Arbeit auch die Bemühungen einschließt, jenen besser zuzuhören, von denen wir bisher nichts gehört haben, einschließlich vieler, die an den Rand unserer Gemeinschaften, der Gesellschaft und der Kirche gedrängt worden sind. Wir hatten auf eine stärkere Beteiligung dieser Stimmen gehofft. Das Fehlen dieser Stimmen ist nicht leicht zu deuten, aber es war deutlich zu spüren. Synodalität ist ein ständiges Unterfangen, und wir müssen lernen, wie wir die Beteiligung in Zukunft besser fördern können."
Das Schlussdokument thematisiert auch, ob die Nordamerika-Kontinentalphase nicht auch die Bischofskonferenz von Mexiko hätte einbeziehen müssen. „Zwar ist klar, warum Mexiko auf kontinentaler Ebene mit den Ländern Mittel- und Südamerikas zusammenarbeitet, doch wurde anerkannt, dass der nordamerikanische kirchliche Kontext durch den Glauben und die Praxis der Kirche in Mexiko zutiefst beeinflusst wird, und die Kirche in Mexiko durch die Kirche in den Vereinigten Staaten und Kanada", heißt es dazu.
Erwartungen dämpfen
Das Schlussdokument zur Nordamerika-Kontinentalphase hält auch fest, dass es „Sorge vor der Gefahr falscher oder unrealistischer Erwartungen hinsichtlich dessen, was der synodale Prozess sein und ,produzieren`soll" gebe. „Die westliche, nordamerikanische Kultur denkt automatisch in Begriffen von messbaren Ergebnissen und von Gewinnern und Verlierern, und die Stimme der Kirche kann von diesem Wettbewerbsimpuls übertönt werden", gibt das Dokument zu bedenken.
Die Bischöfe müssten „im synodalen Prozess einfach ihr Bestes geben und authentisch und ehrlich sein", lautet deshalb eine der Forderungen. „Wir müssen transparent sein. Die Bischöfe müssen sich mehr offenbaren. Wir müssen erkennen, dass alle Beteiligten (Bischöfe, Priester, Laien) umkehren müssen. Wir können das Ergebnis dieses Prozesses nicht kontrollieren. Die Bischöfe können ihre Glaubwürdigkeit nicht wiedererlangen, wenn sie nicht glaubwürdig handeln."
Die Bischöfe Kanadas und der USA wiederum wiesen auf die Bedeutung der nationalen Synthesen sowie des nun vorliegenden kontinentalen Schlussdokuments hin. Dies sei „besonders wichtig, da wir als Kirche in Kanada und den Vereinigten Staaten diejenigen gehört haben, die sich von der Kirche verletzt oder verstoßen fühlen. Das löst die Probleme nicht und heilt die Wunden nicht, aber es ist ein wichtiger Anfang."
Prioritäten für die im Oktober 2023 in Rom stattfindende Synode
Das Schlussdokument der Nordamerika-Kontinetalphase nennt Prioritäten für das diesen Oktober anberaumte Treffen der Weltbischofsssynode im Vatikan: Einbeziehung der Ortskirchen, „Ausbildung sowohl in Synodalität als auch in der geistlichen Unterscheidung"; die „Herausforderung, diejenigen aufzunehmen, die sich von der Teilnahme am Leben der Kirche ausgeschlossen fühlen, und zwar in einer Weise, die authentisch und treu gegenüber dem Evangelium und dem katholischen Glauben ist", Mitverantwortung, „Einheit und Gemeinschaft der Kirche inmitten verschiedener Arten von Polarisierung und Spaltung und „eine Kirche, die an die Peripherie geht".
Hintergrund
Einwöchige Schreibklausur
Eine einwöchige Schreibklausur bot den teilnehmenden Bischöfen aus Kanada und den Vereinigten Staaten die Gelegenheit, über die Synodenerfahrung in Nordamerika nachhaltig nachzudenken. Während ihres Treffens am letzten Tag der Schreibexerzitien stellten die Bischöfe fest, dass „unser Volk daran interessiert ist, wohin wir mit dieser Sache gehen. Synodalität ist ein Abenteuer, mit dem wir nicht sehr vertraut sind. Wir haben zwar Erfahrungen mit Pfarrgemeinderäten, Presbyterialräten und Diözesanpastoralräten, aber das hier ist anders, größer. Wie können wir es lehren und lernen? Wir müssen mehr mit unseren Leuten tun - ihnen mehr zuhören, um unsere Entscheidungsfindung zu unterstützen; uns mit ihnen zusammensetzen und das religiöse Leben in der Diözese diskutieren. Wir können nicht nur im Büro sitzen und wichtige Entscheidungen allein treffen."
Synode zur Synodalität
Bei der Weltbischofssynode der katholischen Kirche geht es um wichtige Themen für die Zukunft der Kirche. Die XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode in Rom hat Papst Franziskus zum Thema „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ einberufen. Sie begann 2021 und soll bis 2024 dauern und möglichst viele Menschen auf der ganzen Welt einbeziehen - neben Bischöfen, Ordensleuten und Priestern etwa auch Andersgläubige und Laien. Die Synode besteht aus mehreren Phasen; zuletzt wurde bei Kontinentaltreffen beraten. Im Oktober 2023 gibt es dann ein erstes Treffen der Generalversammlung der Bischofssynode in Rom. Das zweite Treffen soll im Oktober 2024 folgen.
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