Newman Walk: Auf den Spuren eines Wahrheitssuchers

Erst erbitterter Gegner der katholischen Kirche, dann Heiliger: John Henry Newman hat in seinem Leben einen extremen Wandel durchgemacht. 2010 wurde der englische Kardinal, Theologe und Philosoph von Benedikt XVI. seliggesprochen, neun Jahre später von Papst Franziskus zum Heiligen erklärt. In Rom bietet das Internationale Zentrum der Newman-Freunde mehrmals im Jahr einen Spaziergang zu den Stätten an, die mit dem Leben und Schaffen des früheren anglikanischen Geistlichen in Verbindung stehen.

Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt

John Henry Newman gilt als Brückenbauer zwischen Anglikanern und Katholiken. 1845 hatte der damals 44jährige anglikanische Gelehrte durch seinen Wechsel von der Kirche von England in die Kirche von Rom für Aufsehen gesorgt. 1847 wurde er in Rom zum Priester geweiht, 1879 von Papst Leo XIII. zum Kardinal kreiert. Sein Gedenktag ist der 9. Oktober.

John Henry Newman
John Henry Newman
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Sekretärin des römischen Zentrums der Newman-Freunde ist Sr. Christiane Fritsch FSO. Sie erzählt uns, dass der Newman Walk „Frucht von Corona und Quarantäne“ gewesen sei. Einen solchen Walk habe es zwar schon nach der Heiligsprechung Newmans gegeben; aus den damals um die 20 Teilnehmern seien aber inzwischen 40 bis 50 geworden. Und die seien längst nicht nur Studenten aus Priesterseminaren und Universitäten, sondern Pilger aus aller Welt: Aus Rom und anderen italienischen Diözesen, aus Korea, den Philippinen und Indien, Großbritannien, Deutschland und Österreich.

Sr. Christiane Fritsch und P. Geissler: Die Sekretärin und der Leiter des Newman-Zentrums in Rom
Sr. Christiane Fritsch und P. Geissler: Die Sekretärin und der Leiter des Newman-Zentrums in Rom

Vom anglikanischen Kirchenreformer zum katholischen Kardinal

Pater Hermann Geissler FSO, der Leiter des Zentrums, beschreibt es als einen Ort, an den sich alle Newman-Interessierten wenden könnten, Forscher wie einfache Gläubige. Der Newman Walk sei „eine Pilgerfahrt, ein Spaziergang zu den Stätten, die in irgendeiner Beziehung zu Newman“ stünden: „Es ist also etwas Kulturelles, etwas Religiöses, etwas Ganzheitliches, das Newman sehr gefallen würde.“ 

Erste Station des Newman Walks: Sant´Andrea delle fratte
Erste Station des Newman Walks: Sant´Andrea delle fratte

Newman sei in seiner Jugend in Versuchung gewesen, den Glauben ganz aufzugeben, lässt der Österreicher den Bekehrungsweg des anglikanischen Geistlichen Revue passieren:

„Er wollte ein guter Mensch werden, hat aber nicht verstanden, welchen Sinn es haben sollte, an Gott zu glauben. Und ich denke, das ist die Versuchung, in der ganz viele Menschen unserer Zeit stecken. Newman hat dann in einer ersten Bekehrung erkannt, dass es Gott wirklich gibt; dass Gott die eigentliche Wirklichkeit unseres Lebens ist, und dass die Welt Gottes realer ist als die Welt um uns herum. Und er hat versucht, diesem Gott nachzufolgen. Er ist ein Freund der Wahrheit geworden, ein Sucher der Wahrheit. Ich glaube, das ist ganz wichtig in unserer Zeit. Newman hat erkannt, dass er diesem Gott nur dienen kann, wenn er den anderen Menschen dient. Er ist ein Diener seiner anglikanischen Kirche geworden und hat dann erkannt, dass wir - wenn wir Gott folgen wollen - auf die Heiligen schauen müssen. Er hat in den Kirchenvätern die großen Vorbilder des Glaubens erkannt, und er wollte dann die anglikanische Kirche erneuern im Geist der Urkirche, im Geist der Kirchenväter ... und so hat er die katholische Kirche gefunden.“

Die Basilika Sant`Andrea delle Fratte: Hier begann der Walk mit einer Messfeier
Die Basilika Sant`Andrea delle Fratte: Hier begann der Walk mit einer Messfeier

Die Seligsprechung Newmans wollte Benedikt XVI. 2010 selbst vornehmen. Für den damaligen Papst aus Bayern gehörte der englische Theologe zu den großen Lehrern der Kirche, weil er - wie er es beschrieb - „zugleich unser Herz berührt und unser Denken erleuchtet.“

„Papst Benedikt hat Newman bereits in seinen ersten Studienjahren in Freising und in München kennengelernt, denn zwei seiner Lehrer, (Alfred) Läpple und (Gottlieb) Söhngen waren große Newman-Experten und haben ihm die Aktualität Newmans ans Herz gelegt,“ weiß P. Geissler zu berichten. „Benedikt hat sich dann selber auch immer wieder mit Newman beschäftigt, vor allem mit seiner Gewissenslehre, die er für sehr wichtig und aktuell hielt. Und Papst Benedikt ist auch ein Freund unseres Newman-Zentrums geworden. Er ist immer wieder auf Besuch gekommen, hat Messen mit uns und für uns gefeiert. Er war bei vielen Symposien dabei – und er war sehr glücklich, dass er als Papst Newman seligsprechen konnte. Papst Benedikt hat selber nur zwei Personen seliggesprochen, die anderen Seligsprechungen hat er alle delegiert: aber Johannes Paul II. und John Henry Newman wollte er selber seligsprechen. Das allein zeigt die große Achtung, die Benedikt für Newman hatte.“

Stationen des Newman Walks: Das Päpstliche Englische Kolleg in Rom
Stationen des Newman Walks: Das Päpstliche Englische Kolleg in Rom

Der Glaube wird nicht durch Bücher verbreitet, sondern durch Menschen

Als Kardinal habe er sich als Motto die Worte „Cor ad cor loquitur“ zugelegt: Das Herz spricht zum Herzen.

„Das drückt eine Überzeugung aus, die Newman sein Leben lang begleitet hat: nämlich die, dass der Glaube nicht durch Bücher, nicht durch Theorien verbreitet wird, sondern durch Menschen, deren Herz brennt für den Herrn, für den Glauben und für die Kirche. Wenn die Herzen brennen, dann können wir damit auch andere anstecken. Ich denke, das ist ein unglaublich aktuelles Motto, auch für unsere Zeit.“

Eine „Ansteckung“, die auch Sr. Christiane erfahren hat: „Wann immer ich ein Buch Newmans aufschlage oder einen seiner Texte lese, werde ich befreit von mancher Depression oder Resignation, weil er so viel Mut und Glaubenskraft gibt und einen frischen Zugang vermittelt,“ beschreibt sie den positiven Einfluss, den Newman auf ihr Leben hat.

San Giorgio in Velabro: Die Titelkirche Kardinal Newmans im Herzen Roms
San Giorgio in Velabro: Die Titelkirche Kardinal Newmans im Herzen Roms

Vater des Zweiten Vatikanischen Konzils

„Newman hat viele Dinge vorausgesagt, die man zu seiner Zeit nicht verstanden hat. Zum Beispiel, dass die Kirche nicht nur aus Papst, Bischöfen und Priestern besteht, sondern dass auch alle Getauften voll und ganz zur Kirche gehören,“ präzisiert P. Geissler. „Er hat gesagt, dass es wichtig ist, den Glauben mit der Vernunft zu verbinden. Er hat gesagt, dass die Ausbildung, die universitäre Bildung ganz zentral ist; dass die Glaubenslehre sich entwickelt, in einer bestimmten Richtung, geführt vom Heiligen Geist. Das sind alles Anliegen, die man in seiner Zeit nicht oder wenig verstanden hat. Und es sind Anliegen, die im Zweiten Vatikanischen Konzil aufgegriffen worden sind. Deshalb wird er manchmal auch als der „unsichtbare Vater des Zweiten Vatikanischen Konzils“ bezeichnet.“

Pfeiler beim Marcellus-Theater: Symbole für das, was in unserem Leben wirklich Wert hat - nämlich all das, was auf die Säulen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe gebaut ist
Pfeiler beim Marcellus-Theater: Symbole für das, was in unserem Leben wirklich Wert hat - nämlich all das, was auf die Säulen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe gebaut ist

Bei der Heiligsprechung John Henry Newmans am 13. Oktober 2019 legte Franziskus den Gläubigen ans Herz, sich diesen Heiligen zum Vorbild zu nehmen, um wie er „liebes Licht“ zu sein „inmitten der Finsternisse der Welt“.

Buchtipp

Für Newmann-Interessierte sei auf ein Buch hingewiesen, das im Be&Be Verlag Heiligenkreuz erschienen ist: "John Henry Newman, Ein neuer Kirchenlehrer?"
Autor ist P. Hermann Geissler FSO. 

(vaticannews – skr)

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12. Oktober 2023, 09:11